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ASIEN/564: Kritik an Schauprozessen in China


Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. - Presseerklärung vom 29. Mai 2014

55 Uiguren in Stadion verurteilt

Kritik an Schauprozessen in China
Vereinte Nationen sollen rechtsstaatliche Gerichtsverfahren einfordern



Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Schauprozesse gegen Angehörige der uigurischen Minderheit im Nordwesten Chinas als "rechtlich fragwürdig" und "erniedrigend" kritisiert. Die Menschenrechtsorganisation forderte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Navi Pillay auf, faire und rechtsstaatliche Gerichtsverfahren in der Unruheregion einzufordern. "Chinas Justiz will mit den Schauprozessen abschrecken und neue Gewalt eindämmen. Mit der erniedrigenden und diskriminierenden Behandlung von uigurischen Angeklagten wird jedoch nur noch mehr Hass und Gewalt geschürt", warnte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. "Der Griff in die Mottenkiste von Maos Repressionssystem markiert einen schweren Rückschlag in den Bemühungen um mehr Rechtsstaatlichkeit in der Volksrepublik. Es ist auch ein Schlag ins Gesicht für die deutsche Bundesregierung, die sich seit dem Jahr 2000 mit dem Deutsch-Chinesischen Rechtsstaatsdialog um mehr Rechtsstaatlichkeit in China bemüht."

Am letzten Dienstag waren 55 Uiguren in politisch motivierten Schauprozessen in einem mit 7.000 Zuschauern besetzten Stadion in der Stadt Gulja (chinesisch: Yining) angeklagt und verurteilt worden. Die wegen "Terrorismus, Separatismus und Mordes" Angeklagten waren zuvor in offenen Lastwagen durch die Stadt gefahren worden. Gegen mindestens drei der Beschuldigten wurden nach offiziellen chinesischen Angaben Todesurteile verhängt. Schauprozesse sowie die öffentliche Herabwürdigung und Demütigung von Angeklagten waren unter Maos Diktatur weit verbreitet, jedoch in den letzten 15 Jahren nur noch selten in der Volksrepublik praktiziert worden. Mit Schnellgerichten und landesweit publizierten Gerichtsverfahren gehen die Justizbehörden in der Region Xinjiang (Ostturkestan) zurzeit gegen kritische Uiguren und mutmaßliche Gewalttäter vor. So wurden bereits vor dem Schauprozess in Gulja in 16 zeitgleich im Mai 2014 organisierten Prozessen 39 Uiguren wegen so genannter "terroristischer Aktivitäten" zu Freiheitsstrafen von bis zu 15 Jahren verurteilt.

"Gerichtsprozesse, in denen über Leben und Tod von Angeklagten entschieden wird, sind weder Fußballspiele, noch kurzweilige Unterhaltungsveranstaltungen. Sie müssen auch in China den engen Anforderungen des Strafprozessrechts genügen und den Rechtsanwälten ausreichend Gelegenheit zur Wahrnehmung der Interessen der Angeklagten geben", erklärte Delius. "Wer Uiguren in Gulja öffentlich demütigt und erniedrigt, muss wissen, was er tut. Denn die Uiguren in dieser Stadt leiden bis heute unter dem Trauma eines Massakers von chinesischen Bereitschaftspolizisten, bei dem im Februar 1997 mehr als 100 Menschen getötet wurden. Die Getöteten hatten für die Freilassung von Jugendlichen demonstriert, die inhaftiert worden waren, weil sie trotz offizieller Verbote ein religiöses Fest gefeiert hatten. Mehrere hundert Uiguren sind aufgrund ihrer Beteiligung an den Protesten in Gulja zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Für alle Uiguren war dies ihr Tiananmen-Schockerlebnis. Gerade in dieser Stadt Menschen alleine aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit gezielt zu diskriminieren und zu erniedrigen, ist unverantwortlich und in dieser Konfliktregion ein hochgefährliches Spiel mit dem Feuer."

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 29. Mai 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2014