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ASIEN/687: Indonesien - Alarmierende Anzeichen religiöser Intoleranz


Presseerklärung vom 4. November 2016

Indonesien: Alarmierende Anzeichen religiöser Intoleranz

- Christlicher Gouverneur bei Massenprotest der Blasphemie beschuldigt
- Religiöse und ethnische Minderheiten besser schützen!


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) sieht in Indonesien alarmierende Anzeichen zunehmender religiöser Intoleranz und fordert einen besseren Schutz religiöser und ethnischer Minderheiten vor Übergriffen radikal islamischer Gruppen. "Christen, Ahmadiyyah-Muslime, Schiiten, Bahai'i, Buddhisten und Hindu sind in Indonesien immer mehr Anfeindungen durch radikale Sunniten ausgesetzt. Statt dem entschieden zu begegnen, weichen die Behörden dieses bevölkerungsreichsten muslimischen Staates der Welt aus Angst vor Massenprotesten zurück und setzen Minderheiten großen Gefahren aus", kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. "Die heutige Großdemonstration gegen Jakartas Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama (genannt Ahok), der christlichen Glaubens und chinesischer Abstammung ist, ist ein deutliches Zeichen, wie sehr sich die Lage religiöser und ethnischer Minderheiten in Indonesien verschlechtert hat."

Radikale Sunniten protestieren heute in Jakarta und zahlreichen anderen indonesischen Städten für die Einleitung eines Blasphemie-Verfahrens gegen Ahok. Sie werfen dem Kandidaten für die im Februar 2017 geplanten Gouverneurs-Wahlen vor, bei einer Veranstaltung im September 2016 Witze über den Koran-Vers 51 gemacht zu haben. Der Vers schreibt vor, dass Muslime Nicht-Muslime nicht zu ihren Führern machen sollten. Schon bei seiner Wahl als Gouverneur wurde Ahok Opfer massiver Anfeindungen konservativer sunnitischer Bewegungen. Der Rat der Islamgelehrten (MUI) unterstützt die Demonstranten, während gemäßigte Muslime vor einer Instrumentalisierung der Religion in politischen Auseinandersetzungen warnen.

Radikale Sunniten haben die Stimmung im Vorfeld der Demonstrationen angeheizt. Sie forderten die Teilnehmer dazu auf, ihr Testament zu machen, da der Protest blutig enden könnte. Die Behörden haben daraufhin angeordnet, dass alle Polizisten bei den Demonstrationen unbewaffnet sein und Polizistinnen ein Kopftuch (Hijab) tragen sollen. Zur Beruhigung der Demonstranten werden fünf Gruppen von Polizisten die "99 wunderschönen Namen Allahs" singen. "So haben die Demonstranten schon jetzt ihr Ziel erreicht und Indonesiens Gesellschaft weiter islamisiert", erklärte Delius.

Der MUI hat mit seinen diskriminierenden Fatwas immer wieder die Religionsfreiheit von Ahmadiyyah und Christen eingeschränkt. Vor den heutigen Protesten baten die Ahmadiyyah für ihre Moscheen um besonderen Polizei-Schutz. Regelmäßig werden die Gotteshäuser der Ahmadiyyah von radikalen Sunniten gestürmt oder niedergebrannt. Nicht besser ergeht es vielen Christen. So wurde Anfang Oktober 2016 eine protestantische Kirche in Pasar Minggu (Süd Jakarta) wegen angeblich fehlender Baugenehmigung geschlossen. Mitte September 2016 demonstrierten sunnitische Extremisten in Makassar (Süd Sulawesi) gegen die Erneuerung einer Baugenehmigung für eine protestantische Kirche. Am 4. September 2016 wurde die katholische Kirche Sankt Peter Purwosari (Central Java) während einer Messe gestürmt, der Pfarrer und die rund 200 Gläubigen wurden gezwungen, aus dem Gotteshaus zu fliehen.

Rund 87 Prozent der 256 Millionen Einwohner Indonesiens sind muslimischen Glaubens, zumeist Sunniten. Die rund zwei Millionen Gläubige umfassende schiitische Minderheit leidet unter Übergriffen. Noch schwieriger ist die Lage der 400.000 Ahmadiyyah. Protestanten stellen rund sieben Prozent der Bevölkerung und Katholiken drei Prozent.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 4. November 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2016

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