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LATEINAMERIKA/080: Chile - Gauck soll zum Dialog mit Mapuche auffordern


Presseerklärung vom 8. Juli 2016

Bundespräsident Gauck in Chile erwartet (11.7.)

"Bitte vergessen Sie die Not leidenden Mapuche nicht, Herr Bundespräsident, fordern Sie zum Dialog auf!"


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Bundespräsident Gauck gebeten, sich bei der chilenischen Regierung für einen offenen und ehrlichen Dialog mit den gut eine Million Mapuche einzusetzen. "Die Situation im Süden Chiles, dem historischen Kernland der Mapuche, ist nach wie sehr gewaltvoll", heißt es in einem Schreiben der Menschenrechtsorganisation an das deutsche Staatsoberhaupt. Die Mapuche klagen über Razzien in ihren Dörfern, die mit großer Brutalität einhergehen, und ungerechte Behandlung durch die Justiz. Etwa 600.000 von ihnen leben noch in der ländlichen Region Araukania. " Wir bitten Sie sehr herzlich darum, den Dialog zwischen Regierung und Mapuche, in dem der Bischof von Temuco vermitteln soll, zu unterstützen. Nur gleichberechtigte Gespräche auf Augenhöhe können langfristig eine Lösung der Probleme bringen." Gauck wird am Montag in dem Andenstaat erwartet.

Der Anthropologe Sebastian Garbe, der im Auftrag der GfbV Anfang des Jahres als Prozessbeobachter in Chile war, bestätigte die Klagen der Mapuche über chilenische Gerichtsbarkeit. So sei der Mapuche Guido Carihuentro wegen eines Brandanschlags auf drei Forstfahrzeuge und landwirtschaftliches Gerät erst zu fünf Jahren Haft auf Bewährung, in zweiter Instanz dann sogar zu acht Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt worden. Sein Angebot, den materiellen Schaden zu ersetzen, wurde abgewiesen. Im Gefängnis sei ihm zudem sein Recht auf freie Religionsausübung verwehrt worden. Ein Landarbeiter hingegen, der einen Mapuche tödlich verletzte, muss lediglich die Mindeststrafe von fünf Jahren und einem Tag absitzen sowie eine Geldstrafe von umgerechnet 870 US-Dollar zahlen. Er wollte am 1. Oktober 2014 friedliche Landbesetzer vertreiben und überfuhr dabei den 33-jährigen Mapuche José Quintriqueo Huaiquimil mit einem Traktor.

Offenbar werden Mapuche von der Polizei auch zu falschen Aussagen gedrängt. So hat ein Beschuldigter vor einem Gericht in Temuco ausgesagt, er sei von Ermittlungsbeamten bedroht worden und habe deshalb fälschlicherweise sich selbst und zehn andere Mapuche der Brandstiftung bezichtigt. Aufgrund seiner Falschaussage waren die Beschuldigten im Frühjahr 2016 festgenommen worden. Bei dem Brandanschlag auf ihre Farm am 4. Januar 2013 waren die Besitzer ums Leben gekommen.

Die Mapuche in Chile ringen um ihr Land und Mitbestimmungsrechte. Schon unter der Pinochet-Diktatur (1973-1990) hatten sich Bergbau-, Forst- und Energieunternehmen Konzessionen für die Nutzung von Mapuche-Land gesichert. Diese Politik wurde von den demokratischen Regierungen fortgeführt, obwohl Chile sich durch die Ratifizierung der Konvention 169 des ILO-Übereinkommens international dazu verpflichtet hat, die indigene Bevölkerung bei Projekten, die ihr ökologisches und kulturelles Leben könnten, vorab zu konsultieren. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH)hat Chile bereits wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 8. Juli 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2016

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