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MELDUNG/013: Sudan - Schwere Vorwürfe gegen deutsches Unternehmen


Presseerklärung vom 4. Mai 2010

Strafanzeige gegen deutsches Unternehmen Lahmeyer

Deutsche Firma trägt Mitverantwortung für Menschenrechtsverletzungen beim Staudammbau im Sudan


Nach Ansicht der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hätte das im Staudammbau weltweit führende deutsche Unternehmen Lahmeyer International versuchen müssen, Menschenrechtsverletzungen beim Bau des Merowe-Staudamms am Nil zu verhindern. "Als Generalunternehmer und Koordinator des Baus des umstrittenen Großstaudammes muss Lahmeyer sich nun Mitverantwortung für die Erschießung friedlicher Demonstranten, willkürliche Verhaftungen, Zwangsumsiedlungen und weitere Menschenrechtsverletzungen an mehreren zehntausend Umsiedlern vorwerfen lassen", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. Gegen die in Bad Vilbel ansässige Firma hat das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) gestern wegen des Baus des Merowe-Staudamms Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt erstattet.

Schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen hatte die GfbV bereits im Juni 2006 in einem 14-seitigen Memorandum erhoben. Die Firma war führend im von der deutschen Bundesregierung geförderten "Deutsch-Sudanesischen Wirtschaftsforum" aktiv, das auch in Bad Vilbel tagte und für das Großprojekt am Nil warb. Aufgrund der GfbV-Intervention wurde auf Betreiben von Bundestagsabgeordneten das Wirtschaftsforum aufgelöst.

Lahmeyer war für die Qualitätssicherung, Bauleitung und das Vertragsmanagement des Merowe-Staudammes sowie für seine Inbetriebnahme im März 2009 verantwortlich. Mehr als 50.000 Kleinbauern und Nomaden der arabischen Volksgruppen der Manasir, Amri und Hamadab wurden für den 174 Kilometer langen und vier Kilometer breiten Stausee zwangsweise umgesiedelt, zumeist auf sehr viel unfruchtbareres Land. Statt Verhandlungen mit den Damm-Kritikern zu führen, ließen die sudanesischen Behörden viele Dutzend Demonstranten willkürlich verhaften oder von regierungsfreundlichen Milizen einschüchtern. Vielen Festgenommenen wurde gedroht, sie würden erst freigelassen, wenn die Dorfbewohner ihrer Umsiedlung zustimmten.

Am 22. April 2006 wurden drei Damm-Kritiker bei einer Protestveranstaltung von Milizionären erschossen. Sechs Vertreter der Manasir wurden am 29. März 2007 in der Hauptstadt Khartum festgenommen, als sie über die Lage an dem hermetisch von der Außenwelt abgeriegelten Bauplatz informieren wollten. Zwei Monate lang wurden sie ohne Rechtsgrundlage in Haft gehalten. Nicht nur sudanesische Journalisten, sondern auch die UN-Sonderberichterstatterin Sima Samar wurde an einem Besuch des Merowe-Gebiets gehindert. Im Laufe des Jahres 2008 wurden ganze Dorfgemeinschaften ohne Vorwarnung durch steigendes Wasser aus ihren Häusern gedrängt.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen/Frankfurt, den 4. Mai 2010
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
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E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2010