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MELDUNG/101: Bundestag soll Völkermord an Armeniern anerkennen


Presseerklärung vom 14. April 2015

OFFENER BRIEF
an die Mitglieder des Deutschen Bundestags

100 Jahre Genozid an den Armeniern im Osmanischen Reich (24.4.1915)
Die Vernichtung christlichen Lebens beim Namen nennen: Völkermord an den Armeniern offiziell anerkennen!


Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

anlässlich des 100. Jahrestages des Beginns des Völkermordes an den Armeniern im Osmanischen Reich (24.4.1915) fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) den Deutschen Bundestag dazu auf, diesen Genozid endlich ausdrücklich als solchen zu bezeichnen, das Verbrechen offiziell anzuerkennen und zu verurteilen. Damals wurden mehr als 1,5 Millionen Armenier und mindestens 500.000 Assyrer/Aramäer/Chaldäer ermordet. Die bereits zuvor in Ostthrakien und Ionien durchgeführten Deportationen osmanischer Griechen fanden während des Ersten Weltkriegs ihre Fortsetzung im Pontosgebiet. Zehntausende fanden dabei den Tod.

Im Namen unserer Menschenrechtsorganisation appelliere ich an Sie: Drängen Sie die Bundesregierung dazu, auf die Regierung in Ankara einzuwirken, die Vernichtung christlichen Lebens auf dem Gebiet der heutigen Türkei 1915 und in den Folgejahren ebenfalls anzuerkennen und so eine Aussöhnung mit den Armeniern, den Assyrern/Aramäern/Chaldäern und kleinasiatischen Griechen einzuleiten.

Darüber hinaus bitten wir Sie, die Diffamierung der christlichen Minderheiten in türkischen Schulbüchern zu verurteilen. Das türkische Erziehungsministerium hat durchgesetzt, dass dort Armenier, Assyrer/Aramäer/Chaldäer oder Pontos-Griechen fortgesetzt als Spione, Verräter und Barbaren bezeichnet werden. Nach Auffassung unserer Menschenrechtsorganisation verhindert die türkische Regierung durch solch eine Bildungspolitik eine sachliche Aufarbeitung der historischen Geschehnisse. Bis heute sind syrisch-orthodoxe Christen in der Türkei nicht als Minderheit anerkannt.

Auch nach 100 Jahren hat die türkische Regierung offenbar kaum etwas dazu gelernt. Denn indem sie Kämpfer des "Islamischen Staates" (IS) im benachbarten Syrien logistisch unterstützt oder im eigenen Land duldet, ist sie wieder zumindest moralisch an der Verfolgung und Vernichtung christlicher Gemeinschaften beteiligt. Offenbar setzt die Türkei auf die islamistischen Extremisten, die gegen Kurden, Yeziden, Armenier, Assyrer/Aramäer/Chaldäer, Ismailiten und andere Minderheiten in Syrien vorgehen. So dürfen IS-Kämpfer ungehindert die syrisch-türkische Grenze überqueren, während die Übergänge in die von Kurden und Christen besiedelten Regionen des Nachbarlandes selbst für humanitäre Hilfe geschlossen gehalten werden.

Bitte halten Sie am Beschluss des Europäischen Parlaments von 1987 fest: Die Türkei kann nur dann der EU beitreten, wenn sie den Völkermord an den Armeniern anerkennt.


Mit freundlichen Grüßen

Tilman Zülch
GfbV-Generalsekretär

*

Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 14. April 2015
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2015

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