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MELDUNG/126: Die vom Bundestag vor 20 Jahren verabschiedete Tibetresolution wirkungslos


Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. - Presseerklärung vom 16. Juni 2016

Vor 20 Jahren: Bundestag verabschiedet Tibet-Resolution (20.6.1996)

Gesellschaft für bedrohte Völker zieht ernüchternde Bilanz:
Bundesregierung hat Forderungen der Abgeordneten für Tibet nicht erfüllt


Zwanzig Jahre nach der viel beachteten Verabschiedung der Tibet-Resolution des Deutschen Bundestages hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) eine ernüchternde Bilanz gezogen. Die Menschenrechtsorganisation stellte bedauernd fest, dass die Bundesregierung keine einzige Forderung der Parlamentarier erfüllt hat. "Es ist enttäuschend, dass sich die führenden politischen Parteien in Deutschland nicht engagiert für eine Umsetzung des Parlamentsbeschlusses eingesetzt haben. Schlimmer noch: Wir müssen davon ausgehen, dass eine solche politische Initiative heute kaum mehr vorstellbar ist. Aus Angst vor Chinas Reaktion würden die Fraktionsspitzen heute wohl noch nicht einmal der Einreichung eines entsprechenden Antrages zustimmen", sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. "Chinas Einfluss ist massiv gewachsen und ethische Werte sowie Menschenrechte haben in der Außenpolitik Deutschlands und der Europäischen Union offenbar an Bedeutung verloren."

Die am 23. April 1996 von Abgeordneten der CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachte Resolution war ohne weitere parlamentarische Beratung ohne Gegenstimmen bei drei Enthaltungen am 20. Juni 1996 vom Parlament verabschiedet worden. Die Abgeordneten hatten sich davon trotz massiver Einschüchterungen, Drohungen mit Sanktionen und Protesten der chinesischen Regierung nicht abbringen lassen. Ähnlich wie bei der nun beschlossenen Resolution zum Völkermord an Armeniern berichteten die Medien damals tagelang über die Hintergründe der Menschenrechtsverletzungen in Tibet und die Versuche der Regierung in Peking, auf das deutsche Parlament politisch Einfluss zu nehmen.

In der Resolution wurden Chinas Behörden schwere Menschenrechtsverletzungen, Umweltzerstörung sowie umfassende wirtschaftliche, rechtliche, soziale und politische Benachteiligung der tibetischen Bevölkerung vorgeworfen. Der Bundestag forderte die Bundesregierung auf, sich engagierter für ein Ende der Menschenrechtsverletzungen einzusetzen. Insbesondere mahnten die Abgeordneten mehr Initiativen an, die planmäßige Ansiedlung von chinesischen Migranten in Tibet und die Zerstörung der tibetischen Kultur zu stoppen. Darüber hinaus wurde die Bundesregierung dazu aufgefordert, der Lage in Tibet in den Menschenrechtsgremien der Vereinten Nationen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

"Die Forderungen sind auch heute noch aktuell. Doch die Situation der Tibeterinnen und Tibeter hat sich seit 1996 deutlich verschlechtert", sagte Delius und kritisierte: "Wenn sich das Engagement der Bundesregierung darauf beschränkt, die bedrückende Menschenrechtslage in Tibet nur einmal im Jahr in einem Nebensatz zu erwähnen, kann der fortschreitenden Zerstörung der Region nicht wirksam begegnet werden."

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 16. Juni 2016
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2016

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