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NAHOST/125: Irak - Bombenanschlag bei Mosul galt Minderheit der Shabak


Presseerklärung vom 10. August 2009

Irak: Bombenanschlag bei Mosul galt Minderheit der Shabak

Terroristen wollen Volksgruppen gegeneinander aufhetzen


Nach dem verheerenden Bombenanschlag am frühen Morgen in einer Ortschaft bei Mosul im Nordirak hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Montag davor gewarnt, dass Terroristen einen neuen Bürgerkrieg in dieser multiethnischen und multireligiösen Provinz anzetteln wollen. "Heute war die Minderheit der Shabak Ziel des Attentates in dem Dorf Khaznan", berichtete der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido nach einem Telefonat mit Gewährsleuten der Menschenrechtsorganisation vor Ort. Mindestens 36 Tote seien zu beklagen. Die Zahl der Verletzten werde auf bis zu 200 geschätzt. Dutzende von Häusern seien durch die Wucht der Explosion von zwei mit Sprengstoff voll beladenen LKW um 04.50 Ortszeit eingestürzt. Khaznan liegt etwa 17 Kilometer östlich von Mosul

In der Provinz Ninveh wird über die Zugehörigkeit einiger mehrheitlich von Kurden (Muslimen und Yeziden), Christen und Shabak bewohnten Distrikte bzw. Unterdistrikte wie Sinjar, Shekhan, Telkaif, Karaqosh, Zammar, Bahshiqa, Aski Kalak gestritten. Muslimische und yezidische Kurden sowie eine große Mehrheit von Christen und Shabak befürworten einen Anschluss ihrer Siedlungsgebiete an friedliche Irakisch-Kurdistan.

Die 60.000 bis 100.000 Shabak bewohnen mehr als 70 Dörfer östlich von Mosul, darunter Eski Kalak, Ali Rasch, Yangija, Khaznan, Qahrawa und Talara am Fluss Zap. Der ethnische Hintergrund der Shabak ist umstritten. Während die einen meinen, sie seien Indogermanen aus Persien, kamen sie anderen Quellen zufolge im 17. Jahrhundert aus dem Hawraman-Gebiet aus Irakisch- bzw. Iranisch-Kurdistan.

Das arabische Wort "shabaka" bedeutet soviel wie "sich verflechten", und die Shabak bestehen auch aus Angehörigen mehrerer Stämme mit unterschiedlicher Geschichte. Ihre Sprache "Shabaki" ist mit dem kurdischen Dialekt Hawrami-Gorani verwandt, jedoch auch persisch, arabisch und türkisch geprägt. Über 70% der Shabak sind Schiiten, 30 % sind Sunniten. Die Buyruk, ihr heiliges Buch, soll in Zentralasien geschrieben worden sein. Shabak pilgern jedoch auch zu den Schreinen der Yeziden.

Die Shabak galten unter britischer Herrschaft bis 1952 als eigene ethnische Gruppe. Das Baath-Regime registrierte sie als Araber. Weil sich 3000 Shabak-Familien in den 80er Jahren trotzdem als Kurden bezeichneten, wurden sie nach Kirkuk und Arbil deportiert. Ihre 22 Dörfer wurden zerstört.

Der GfbV liegt eine Liste mit 675 Namen von Shabak vor, die seit 2003 durch Terrorangriffe getötet wurden. Viele Shabak haben ihre Loyalität zur nordirakischen kurdischen Verwaltung bekräftigt. Eine kleine Gruppe von Shabak um den irakischen Abgeordneten Hanin Qado lehnt jedoch eine Anschluss an Irakisch-Kurdistan ab.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 10. August 2009
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2009