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NAHOST/180: Syrien / Golanhöhen - Tscherkessen zwischen den Fronten des syrischen Bürgerkriegs


Presseerklärung vom 12. November 2012

Aufnahme tscherkessischer Zivilisten in Russland gefordert

Syrien / Golanhöhen: Tscherkessen zwischen den Fronten des syrischen Bürgerkriegs



Im Schatten des Schusswechsels zwischen der syrischen und israelischen Armee auf den Golanhöhen geraten nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die beiden tscherkessischen Dörfer Bir Adscham und Barek in der demilitarisierten Zone zwischen die Fronten des syrischen Bürgerkrieges. "Während die Regierungsarmee dort mit schweren Waffen gegen die Opposition vorgeht, sitzt die verängstigte Zivilbevölkerung in diesen beiden Dörfern wie in einer Mausefalle", berichtete die GfbV-Referentin für die GUS-Staaten, Sarah Reinke, am Montag in Berlin. "Viele Tscherkessen bitten dringend um Erlaubnis, vor dem Krieg in die Heimat ihrer Vorfahren, den Kaukasus, zurückkehren zu dürfen."

Der Präsident der Internationalen Assoziation der Tscherkessen, Chauti Sochrok, hat sich ganz aktuell mit einem dringenden Appell an die Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Valentina Matvienko, gerichtet, den bedrängten Tscherkessen Zuflucht zu gewähren. In Syrien leben mindestens 80.000 Tscherkessen. "Friedliche Zivilisten wurden zu Geiseln im Kampf der Regierungsarmee und der Opposition. Es wurde schwere Artillerie eingesetzt und die Menschen versuchten in einigen völlig unzureichenden Kellern Schutz zu suchen. Von dort aus telefonierten sie, um Hilfe zu holen. Es gab Tote", heißt es in seinem Schreiben. Er fordert einen humanitären Korridor zu den beiden Dörfern und ihre Evakuierung.

In der Türkei sind etliche tscherkessische Flüchtlinge aus anderen Ortschaften Syriens eingetroffen. Allein in der türkischen Stadt Reyhanli in der Provinz Hatay wurden bereits 70 Angehörige dieser Volksgruppe unter den syrischen Flüchtlingen registriert. Den Tscherkessen ist der Weg in den Nordkaukasus vorerst versperrt. Zwar wurden rund 500 Tscherkessen in Russland aufgenommen, nachdem Valentina Matvienko sich im März 2012 ein Bild von der Lage in Syrien gemacht hatte. Doch trotz großer Hilfsbereitschaft, die tscherkessische Gemeinden im Kaukasus signalisiert haben, erteilt die russische Botschaft seitdem keine Visa mehr.

Über die Situation der Tscherkessen in Syrien sowie anderen Exil-Ländern und den Kaukasusrepubliken hat die GfbV ein Memorandum zusammengestellt. Darin wird auch ihre historische Leidensgeschichte zusammengefasst, die eng mit Sotchi verbunden ist. Wenn dort 2014 die Olympischen Winterspiele ausgetragen werden, jährt sich die kollektive Vertreibung der Tscherkessen durch die zaristische Armee 1864 zum 250. Mal.

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Quelle:
Presseerklärung Berlin/Göttingen, den 12. November 2012
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2012