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NAHOST/283: Christen und Yeziden droht neue Islamisierungsgefahr


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 20. Oktober 2017

Irak: Religiöse Minderheiten geraten zwischen die Fronten - Christen und Yeziden droht neue Islamisierungsgefahr durch schiitische Milizen


Angehörigen religiöser Minderheiten wie Christen und Yeziden droht in einigen nordirakischen Regionen neue Islamisierungsgefahr, nachdem irakische Truppen und schiitische Milizen dort in die Provinz Kirkuk und andere Gebiete einmarschiert sind, warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). "Der sunnitische "Islamischen Staat" (IS) ist zerschlagen, jetzt übernehmen schiitische Milizen in vielen Gebieten das Ruder, um deren Zugehörigkeit die Regionalregierung von Irakisch-Kurdistan und die schiitisch dominierte Zentralregierung in Bagdad streiten", sagte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido am Freitag in Göttingen.

"An der Universität von Mossul und anderswo wurden bereits Schilder und Plakate aufgehängt, auf denen die Frauen aufgefordert werden, die islamische Kleiderordnung einzuhalten und sich gemäß der Sitten der Muslime zu verhalten", berichtete der Menschenrechtler. "Das sind erste Anzeichen dafür, dass sich für die Lage der wieder in Mossul lebenden Christen und Yeziden nicht zum Besseren wendet. Wir müssen befürchten, dass sich der radikale schiitische Islam kaum vom radikalen sunnitischen Islam unterscheidet." Mossul wurde vor kurzem von der irakischen Armee, kurdischen Peschmerga sowie schiitischen Milizen vom IS befreit. Die von den Schiiten dominierte irakische Armee und die Milizen machen jetzt jedoch deutlich, dass nur sie die Stadt kontrollieren.

Das Oberhaupt der chaldäisch-katholischen Kirche, der Patriarch von Babylon Louis Raphaël I. Sako, hat bereits an die Regierung in Bagdad und an die kurdische Regionalregierung appelliert, alles dafür zu tun, dass ein friedliches Zusammenleben Wirklichkeit wird und es nicht bei leeren Worten bleibt. Die Christen und Yeziden als schwaches Glied der irakischen Gesellschaft würden immer mehr zwischen Fronten geraten.

Mossul war bis zum Beginn der ersten Konflikte im Irak und am Persischen Golf Anfang 1990 eine multiethnische und multireligiöse Stadt. 2003 lebten dort noch 50.000 assyrische/aramäische/chaldäische sowie armenische Christen in Gemeinschaft mit arabischen und kurdischen Sunniten, Turkmenen, Armenier, Yeziden, Shabak und anderen Volksgruppen und Religionsgemeinschaften. Dort gab es rund 35 zum Teil jahrhundertalte Kirchen und Klöster. Viele christliche Gotteshäuser wurden in den vergangenen Jahren durch die Kämpfe stark beschädigt oder durch Anschläge von Islamisten zerstört. Nahezu alle Angehörige der Minderheiten flohen aus der Stadt, als Anfang Juni 2014 der IS dort die Kontrolle übernahm. Jetzt kehren viele Einwohner von Mossul in ihre Häuser zurück, obwohl die Stadt und viele andere Ortschaften in Trümmern liegen.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 20. Oktober 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2017

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