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NAHOST/336: Syrien - Afrin leidet seit einem Jahr unter türkischer Besatzung


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 18. Januar 2019

Internationaler Solidaritätstag mit Afrin (20.01.): Die syrisch-kurdische Stadt leidet noch immer unter der türkisch-islamistischen Besatzung


Göttingen, den 18. Januar 2019 - Die Bewohner der syrisch-kurdischen Stadt Afrin im äußersten Nordwesten des Landes leiden noch immer unter der türkisch-islamistischen Besatzung. Anlässlich des erstens Jahrestages des Beginns der türkischen Angriffe auf Afrin (20.01.2018) wollen viele Kurden und ihre Freunde diesen Tag zu einem Internationalen Solidaritätstag mit Afrin erklären. "Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) unterstützt dieses Vorhaben der Kurden und ihrer Unterstützer weltweit und erklärt ihrerseits ihre Solidarität mit den Menschen in Afrin, die ein Ende der Besatzung durch die Türkei und die von ihr unterstützten syrischen islamistischen Gruppen fordern ", erklärte der Nahostexperte der GfbV Kamal Sido am Freitag in Göttingen.

Mit gezielten Maßnahmen versuchen die türkische Regierung und syrische Islamisten dort seit März 2018 tiefgreifende Veränderungen zu erzwingen. Die kurdische Zivilbevölkerung systematisch eingeschüchtert, beraubt und vertrieben. Selbst vor Mord schrecken die Besatzer nicht zurück. Kurdischen Familien wird mehr und mehr die wirtschaftlichen Grundlagen entzogen, Infrastruktur und Denkmäler werden zerstört, Dörfer, Berge und Täler bekommen neue Namen in arabischer oder türkischer Sprache. Was in Afrin geschieht, nimmt zunehmend Züge des Versuchs einer Vernichtung der kurdischen Sprache, Kultur und nationalen Identität der Kurden an.

Vor dem Angriff auf Afrin behauptete die türkische Regierung, dass die Kurden dort nur 42 Prozent der Bevölkerung stellen. In Wirklichkeit betrug ihr Bevölkerungsanteil bis 2011 rund 95 Prozent. Die Region war auch bekannt unter dem Namen "Kurdax" oder "Ciyayê Kurmênc". Übersetzt bedeutet das "Berg der Kurden". Nach der vollständigen Eroberung Afrins hat das türkische Militär in dem Gebiet verstärkt arabische Sunniten aus anderen Teilen Syriens angesiedelt. Es handelt sich vor allem um Familien islamistischer Kämpfer. In allen kurdischen Dörfern und Städten ließen sich Araber nieder. Im Rajo-Distrikt nördlich von Afrin-City hat das türkische Militär die Kurden aus den beiden Dörfern Darwish und Jia vollständig vertrieben und dort jeweils einen türkischen Militärstützpunkt errichtet. In der früher ausschließlich von Kurden bewohnten Ortschaft Bulbul lebten etwa 1.000 Familien. Nur 50 kurdischen Familien durften in ihre Häuser zurückkehren. In die Ortschaft Meydan Ekbaz, die auf einem Pass zwischen Kurd Dagh (Kurdenberg) und dem Amanos-Gebirge liegt, durften nur 150 Familien von einst 500 kurdischen Familien zurückkehren. In der mehrheitlich kurdisch-alevitischen Ortschaft Mabata wurden 150 arabisch-sunnitische Familien angesiedelt. Etwa 60 kurdische Familien wollen seit April 2018 in ihre Häuser in Mabata zurückkehren. Das türkische Militär und die syrischen Islamisten erlauben dies aber nicht.

Das türkische Militär und syrische Islamisten sollen mindestens 32 Schulen in Afrin abgerissen haben. 318 Schulen, Institute oder Universitäten wurden geschlossen. Die türkische Besatzungsmacht zwingt der kurdischen Bevölkerung die arabische oder türkische Sprache auf. An den Schulen wird türkisches Lehrmaterial verwendet. An allen öffentlichen Gebäuden und Vereinen müssen türkische Fahnen aufgehängt, Namen von Einrichtungen und Straßen müssen arabisiert oder türkisiert werden. Der zentrale Platz der Stadt Afrin soll in "Erdogan-Platz" umbenannt worden sein.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 18. Januar 2019
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2019

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