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RUSSLAND/131: 23. Februar 2014 - Jahrestag der Deportation der Tschetschenen


Presseerklärung vom 20. Februar 2015

23. Februar 2014: Jahrestag der Deportation der Tschetschenen

Terror ist Folge von Kriegen, Gewalt und Straflosigkeit


Zum Jahrestag der Deportation der Tschetschenen unter Stalin am 23. Februar 1944 warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) vor den Folgen einer völlig verfehlten Anti-Terror-Politik: "Die Tragödie der Tschetschenen in den vergangenen 70 Jahren zeigt, wohin eine Politik, die allein von Gewalt, Willkür und staatlichem Terror geprägt ist, führt. In aller Welt leben tschetschenische Flüchtlinge oftmals in Unsicherheit und Verzweiflung, junge Menschen radikalisieren sich. In Tschetschenien selbst herrschen Angst und Willkür unter dem Diktat von Ramzan Kadyrow. Über Tschetschenen gibt es nur noch Negativschlagzeilen, die jedoch von der tschetschenischen und russischen Politik zur weiteren Terrorbekämpfung genutzt werden. Der russische Präsident Wladimir Putin ist direkt verantwortlich für die schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des zweiten Tschetschenienkrieges und für die Terrorherrschaft Ramzan Kadyrows, über den er seit Jahren seine schützende Hand hält", kritisiert Sarah Reinke, GUS-Referentin der GfbV.

Viele Jahre lang haben die Tschetschenen am 23.2. der Deportation gedacht. Seit 2014 ist das nicht mehr möglich, weil Kadyrow den Erinnerungstag auf den 10. Mai, einen Tag nach dem Todestag seines Vaters, verlegt hat. Wer dennoch erinnert, wie der tschetschenische Menschenrechtsverteidiger Ruslan Kutajew, muss mit Verfolgung rechnen: Kutajew wurde im Juli 2014 in einem unfairen Gerichtsverfahren zu vier Jahren Haft verurteilt. Er hatte im Februar 2014 zum 70. Jahrestag der Deportation eine Konferenz in Grosny organisiert.

Offene Menschenrechtsarbeit ist in Tschetschenien nicht mehr möglich, wie der Fall von Igor Kaljapin zeigt. Er leitet das in Russland ansässige "Komitee gegen Folter" sowie die mobile Menschenrechtsgruppe, die regelmäßig nach Tschetschenien fährt, um Opfern von Menschenrechtsverletzungen zu helfen. Nach einem schweren Terroranschlag auf das Pressezentrum in Grosny am 4. 12. 2014 beschuldigte Kadyrow Kaljapin, diesen Anschlag finanziert zu haben. Kadyrow drohte, die Häuser von Angehörigen der mutmaßlichen Täter zu zerstören. 15 Häuser wurden bislang zerstört. Das dokumentierten russische Menschenrechtsverteidiger. Ihre Recherchen präsentierten sie auf einer Pressekonferenz im Dezember in Moskau. Dort haben Kadyrow-Anhänger Kaljapin mit Eiern beworfen. Auch zwei Mitarbeiterinnen der Menschenrechtsorganisation Memorial wurden in ihrem Büro in Tschetschenien mit Eiern beworfen und bedroht. Doch ohne das Engagement der Menschenrechtsverteidiger haben die Opfer der Politik Kadyrows noch weniger Chancen auf Gerechtigkeit.

Am 23. Februar 1944 begann die kollektive Deportation der Tschetschenen und Inguschen durch die Rote Armee nach Zentralasien. Etwa 460.000 Menschen wurden deportiert. 40-50 Prozent der Deportierten in den Zügen sollen Kinder gewesen sein. Genaue Opferzahlen liegen nicht vor. Rund 40 Prozent sind Schätzungen zufolge damals zu Tode gekommen. In den beiden Tschetschenienkriegen, von 1994-1996 und 1999 bis 2009, sollen bis zu 160.000 Menschen getötet worden sein.

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Quelle:
Presseerklärung Göttingen/Berlin, den 20. Februar 2015
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2015

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