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AUFRUF/050: Solidarität gegen staatliche Zensurversuche (Verlag Assoziation A)


Verlag Assoziation A - 3. Dezember 2010

Solidarität gegen staatliche Zensurversuche


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Initiativkreis »unzensiert-lesen.de« hat anlässlich der bevorstehenden Gerichtstermine gegen Berliner Buchhandelsprojekte einen Solidaritätsaufruf verfasst, den wir gerne mit der Empfehlung zur Unterzeichnung weiterleiten.

Mit besten Grüßen
Theo Bruns & Rainer Wendling


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Wir wehren uns gegen staatliche Zensurversuche!
Solidaritätsaufruf der Initiative »unzensiert-lesen« (November 2010)

Seit 2009 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen drei Berliner Buchhandlungen und Gemischtwarenläden.
Die Geschäftsräume von oh 21, M99 und Schwarze Risse wurden mehrfach polizeilich durchsucht, allein bei Schwarze Risse gab es neun Durchsuchungen. Beschlagnahmt wurden diverse Flugblätter und Zeitschriften (nähere Informationen unter www.unzensiert-lesen.de). Nun hat die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Der Vorwurf: Die Auslage gewisser Publikationen stelle eine öffentliche Anleitung zu Straftaten und einen Verstoß gegen das Waffengesetz dar. Ein erster Prozesstermin ist bereits anberaumt.

BuchhändlerInnen sollen also zukünftig für die Inhalte der Schriften haftbar gemacht werden, die sie vertreiben! Für die BuchhändlerInnen bedeutete dies nicht nur eine enorme rechtliche Verunsicherung, sie wären permanent von Kriminalisierung bedroht.

Ab wann gilt ein Zitat von Kurt Tucholsky als Volksverhetzung, ein Essay von Walter Benjamin als Verstoß gegen das Werbeverbot von Betäubungsmitteln, ein Roman von Elfriede Jelinek als die Menschenwürde verletzende Gewaltdarstellung?

Welcher Text, welches Flugblatt jeweils als »Aufforderung zu Straftaten« rechtlich geahndet wird, ist eine Frage der politischen Opportunität.

Macht sich jemand strafbar, der dazu aufruft, einen Nazi-Aufmarsch zu blockieren? Gegen einen Castor-Transport zu demonstrieren? Einen Bauplatz zu besetzen, um ein Projekt wie Stuttgart 21 zu verhindern? Geht es nach der Berliner Staatsanwaltschaft, sollen nicht nur Widerstandsformen der außerparlamentarischen Opposition zu Straftaten erklärt werden, sondern auch das Zugänglichmachen von Flugblättern und Zeitschriften, die dazu auffordern.

Neben den Berliner Buchläden wurde auch das Münchener Kafe Marat innerhalb der letzten Monate drei Mal durchsucht. Und linke Internet-Provider haben wegen gehosteter Internetseiten oder Flugblätter wiederholt Besuch vom Staatsschutz erhalten.

Von diesen Kriminalisierungsversuchen müssen sich alle betroffen fühlen, »die nicht einverstanden sind und es auch noch wagen wollen, ihr Mißfallen öffentlich kundzutun« (Oliver Tolmein).

Linke Gegenöffentlichkeit war immer Voraussetzung und unentbehrlicher Bestandteil sozialer Protestbewegungen. Die Geschichte der Versuche, sie durch Durchsuchungen, Razzien und Strafverfahren einzuschüchtern, zu drangsalieren und zu kriminalisieren, ist ebenso lang wie unrühmlich.

Wir protestieren aufs schärfste gegen die Repressionsmaßnahmen gegen linke Buchhandlungen und solidarisieren uns ausdrücklich mit den Betroffenen.

Wir fordern die sofortige Einstellung der Verfahren gegen die Berliner BuchhändlerInnen.

Wir fordern die kritische Öffentlichkeit auf, sich diesem Protest anzuschließen: Es geht um die Legitimität von Opposition. Darüber wird nicht in juristischen, sondern in politischen Auseinandersetzungen entschieden!

Die Erklärung kann auf folgender Seite unterzeichnet werden
http://www.unzensiert-lesen.de/soli-aufruf.shtml
bzw. per Email unter: email@unzensiert-lesen.de


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Quelle:
Assoziation A, Büro Hamburg
c/o Brücke 4, Amandastraße 60, 20357 Hamburg
Telefon: 040-80609208, Fax: 040-80609215
E-Mail: hamburg@assoziation-a.de
Internet: www.assoziation-a.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2010