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BERICHT/930: Folgen des Klimawandels für Carteret-InselbewohnerInnen im Pazifik (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 107, 1/09

SCHWERPUNKT Nahrungssicherheit und Klimawandel
Umzug wider Willen
Die Folgen des Klimawandels für die Carteret-InselbewohnerInnen im Pazifik

Von Marion Struck-Garbe


Ursula Rakova kommt von den Carteret-Inseln, einer kleinen und bis 2007 weitgehend unbekannten Inselgruppe auf einem Atoll im Pazifik, der zu Papua-Neuguinea gehört. Es ist Ursula Rakovas Verdienst, dass die Inseln in den letzten Jahren im Rahmen der Debatte um den Klimawandel und seine Folgen weltbekannt wurden, wie z.B. bei der Weltklimakonferenz 2007 in Bali. Die anstehende Umsiedlung der BewohnerInnen und die dazugehörigen sozialen und logistischen Herausforderungen sind Thema des folgenden Beitrages.


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Die Carteret-InsulanerInnen sind die ersten, die als ganze Population wegen der bereits eingetretenen drastischen Klimaveränderungen ihre Umsiedlung planen müssen, sie werden aber nicht die letzten Klimaflüchtlinge sein. Dabei tragen die Carteret-Inseln so gut wie gar nichts zur globalen Klimaerwärmung und Umweltverschmutzung bei, es gibt dort z.B. weder Autos noch Strom. Die Inseln liegen in einem komplexen tektonischen Gebiet, an der Nahtstelle der Australischen, der Pazifischen und der Bismarck-Platte. Sie sind häufigen Erdbeben, Stürmen und Überflutungen ausgesetzt. Durch die Klimaveränderungen wird dieses Risiko deutlich erhöht. ExpertInnen vermuten, dass die Carteret-Inseln schon im Jahr 2015 untergegangen sein könnten, jedenfalls werden sie für Menschen dann nicht länger bewohnbar sein.

Das Atoll besteht aus sechs bewohnten Inseln, die nur eineinhalb Meter über dem Meeresspiegel liegen. Seit 20 Jahren ist der Wasserstand in diesem Gebiet um gut zehn bis 20 Zentimeter angestiegen. Immer mehr Salzwasser dringt in das Innere der kleinen Inseln ein. Die provisorisch errichteten Wälle sind längst vom Meer überspült. Auch das Anpflanzen von zusätzlichen Mangroven hatte nicht den gewünschten Effekt. Sturm und Wellen haben die seit 20 Jahren andauernden Versuche, das Land zu retten, immer wieder zunichte gemacht.

Das Grundwasser ist heute versalzen, sodass die Pflanzen, die die Nahrungsgrundlage bilden, nicht mehr wachsen: Bananen, Maniok- und Taro-Knollen gehen ein und auch das Trinkwasser wird knapp. Der größte Teil des Gartenbaus ist zum Erliegen gekommen. Die Bevölkerung ist auf Reislieferungen von außen angewiesen. Hunger und Not breiten sich aus. Damit müssen die etwa 3.000 EinwohnerInnen ihre Heimat verlassen. Bereits Ende 2005 hat die Regierung von Papua-Neuguinea die Evakuierung der Inseln beschlossen. Immer zehn Familien gleichzeitig sollen umsiedeln. Die Regierung hat 450.000 Euro bereitgestellt, um die InsulanerInnen in der benachbarten autonomen Provinz Bougainville neu anzusiedeln. Doch das Geld reicht nicht, um allen 600 Familien eine neue Heimat zu geben.

Das größte Problem besteht darin, Land zu finden, auf dem die Familien ein neues Leben beginnen können. Die Aktivistin Ursula Rakova gründete die Nichtregierungsorganisation Tulele Peisa(1), die sich in Verhandlungen mit Kirche und Plantagenbesitzern um Landerwerb auf Bougainville bemüht.


Frauen besonders betroffen

Ursula Rakova selbst wurde auf Huene Island, einer der Carteret-Inseln, geboren; Huene ist zwischenzeitlich in zwei kleine Inseln zerfallen. Sie werden zunehmend vom Ozean überspült und damit auch der Grund und Boden der Aktivistin, auf dem ihre Familie bislang Gartenfrüchte anbaute. Nun ist dies jedoch nicht mehr möglich. Sie ist also selbst massiv betroffen. Aber das hat nicht den Ausschlag zur Gründung von Tulele Peisa gegeben. Ursula Rakova hat mehrere Jahre für Oxfam(2) auf Bougainville in einem Versöhnungs- und Friedensprojekt gearbeitet. Dort gab es von 1989 bis 1999 einen Bürgerkrieg, ausgelöst durch Konflikte um Umweltschäden einer Kupfermine. Eines Tages besuchte sie der Ältesten-Rat und erklärte ihr: "Du verbringst deine ganze Zeit damit, anderen zu helfen. Warum hilfst du nicht deinen eigenen Leuten?" Das überzeugte sie und seitdem setzt sie sich aktiv für die Carteret-Inseln ein: zum einen, indem sie Öffentlichkeitsarbeit macht und daran erinnert, dass die Industrienationen eigentlich in der Pflicht stehen, zu helfen; und zum anderen, indem sie die Umsiedlung auf den Carteret-Inseln selbst und auf Bougainville vorbereitet.


Viele Leute, kein Land, kein Trinkwasser

Ursula Rakova sieht dabei drei Hauptprobleme: Die Bevölkerung wächst, das zur Verfügung stehende Land wird rasch immer knapper und Nahrung wie Trinkwasser reichen nicht mehr für alle. Dies sind Probleme, die vor allem die Frauen berühren. Landbesitz wird von den Müttern an die Töchter weitergegeben. Die Aktivistin beklagt, dass sie kein Land mehr haben wird, das sie an ihre Töchter vererben kann. Denn der Prozess des Landverlustes ist unumkehrbar. Das wird auch als kultureller Verlust angesehen, denn Land ist mehr als ein Stück Erde. Die Identität, die Rituale, das ganze Leben sind an das Land gebunden. Die Frauen fragen sich, ob sie ihre Lebensart nach einer Umsiedlung noch aufrechterhalten können, an einem anderen Ort, der nicht ihr Geburtsort ist.

Dennoch wird in Gesprächen deutlich, dass die Frauen die Notwendigkeit der Umsiedlung sehen, auch wenn ihnen dabei das Herz bricht. Sie denken an die Sicherheit und an die Zukunft ihrer Kinder. Die Schule ist längst überschwemmt und nicht mehr zu benutzen, die Lehrerin ist schon abgereist. Außerdem können die Frauen als Ernährerinnen ihre Familien oft nicht mehr gut genug versorgen, da die Gartenflächen großteils sumpfig geworden sind und viele Grundnahrungsmittel nicht mehr gedeihen. Kokosnuss und Fisch allein machen nicht richtig satt. Teresa Hetsi, eine Mutter von drei Kindern, die einst einen blühenden Garten hatte, sagt bedauernd: "Alles was geblieben ist, sind Kokospalmen. Das bedeutet, wir werden keine Kochbananen zum Essen haben, sondern nur Kokosnüsse, weil das Meer meinen Garten zerstört hat. Wenn es keinen Reis gibt, essen wir nur Kokosnuss und Fisch."(3)


Zu Flucht und Umzug gezwungen

Außerdem sind die Menschen der Carteret-Inseln durch die zunehmende Ausbreitung des Sumpfes, dem Brutgebiet der Mücken, heute stärker von Malaria bedroht als in früheren Jahren. Dies alles macht den Frauen Sorge. Ursula Rakova stellt dazu fest: "Die Kinder gehen mit hungrigen Mägen schlafen. Es sind die Frauen und Kinder, die am meisten gefährdet sind." Viele fürchten eine Tsunami-Welle, die alle Hütten und die Menschen einfach wegspült.

Die unausweichliche Umsiedlung wird nicht einfach. Es ist nicht leicht, ein neues Leben in einer fremden Umgebung anzufangen. Damit die Eingewöhnung leichter fällt, arbeitet Tulele Peisa auch mit den auf Bougainville ansässigen Menschen, um sie auf die Neuankömmlinge - die Klimaflüchtlinge - vorzubereiten. Vor Ort hat sich eine Jugendgruppe gebildet, die beim Hausbauen hilft, und es gibt eine Frauengruppe, die bei der Gartenarbeit unterstützt. Eigentlich sollte der Umzug schon 2007 angefangen haben und 2008 abgeschlossen sein - das hat nicht geklappt. Nach den letzten Informationen soll es nun im Frühjahr 2009 losgehen.

Die ältere Generation und auch viele von den Männern wollen die Inseln allerdings nicht verlassen. Sie fühlen sich als Opfer von etwas, wofür sie keine Verantwortung tragen. Sie wollen nicht gehen, weil es ihr eigenes Land ist und auch zukünftige Generationen das Land nicht verlassen müssen sollten.(4) Das sorgt für Konfusion bei der jüngeren Generation, die ihre Eltern nicht auf den untergehenden Inseln zurücklassen wollen. Ein Konflikt, der noch nicht ausgestanden ist.


Vielfältige Bemühungen sind gefragt

Die International Women's Development Agency hat Ursula Rakova für ihren Einsatz mit dem "Pride of Papua New Guinea Award" ausgezeichnet. Sie gilt als unermüdliche Umweltaktivistin und Verfechterin der Menschenrechte. Insbesondere ihr Beitrag als Frau für die Menschen von den Carteret-Inseln, Bougainville und in Papua-Neuguinea wurde als herausragend gewürdigt.

Die Folgen des Klimawandels werden auch die anderen 23 Pazifik-Staaten und ihre ingesamt neun Millionen EinwohnerInnen treffen. Vor allem die Menschen auf den niedrigen Atoll-Inseln Mikronesiens, wo die zunehmende Frischwasserversalzung inzwischen eines der größten Probleme ist, spüren dies bereits heute - lange vor dem endgültigen Versinken ihres Grund und Bodens. Es sind vor allem die Frauen, die als Ernährerinnen der Familien hart getroffen werden. Die gesamte Region ist auf die Unterstützung der Industrienationen bei der Lösung des kommenden Migrationsproblems angewiesen. Auch auf jeden persönlichen Beitrag zum Umweltschutz.


Anmerkungen:

(1) Tulele Peisa heißt "Kanus, die aus eigener Kraft auf den Wellen reiten"; die Organisation wurde Anfang 2007 gegründet.

(2) Oxfam ist eine weltweit tätige nichtstaatliche Hilfsorganisation (OXford Committee for FAMine Relief).

(3) Gespräche auf ABC-TV (siehe http://www.abc.net.au/foreign/content/2007/s1903373.htm).

(4) Interview der Autorin mit Basil Peso, zum Teil abgedruckt (siehe www.pacific-news.de).


Zur Autorin:
Marion Struck-Garbe ist Sozialwirtin und Ethnologin. Sie hat mehrere Jahre in Tonga, Fidschi und Papua Neuguinea gelebt. Heute wohnt sie in Hamburg, wo sie bei Greenpeace arbeitet und als Lehrbeauftragte am Asien-Afrika-Institut der Universität unterrichtet. Sie ist Vorsitzende des deutschen Pazifik-Netzwerks.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 107, 1/2009, S. 20-21
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
Berggasse 7, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2009