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AFRIKA/034: Südafrika - 42 Liter Wasser am Tag (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

42 Liter Wasser am Tag
Gerichtsurteil regt Anspruch auf Wasser fest

Von Jackie Dugard und Thorsten Kiefer


Am 25. März, drei Tage nach dem Weltwassertag, hat das oberste Berufungsgericht von Südafrika eine bedeutende Entscheidung gefällt: jeder Mensch hat nach der Verfassung einen Anspruch auf 42 Liter Wasser am Tag, und zwar unentgeltlich. Ob dieses Urteil das Leben der Menschen in den armen Stadtteilen nachhaltig verbessert, bleibt jedoch offen, da das Gericht die Stadt Johannesburg nicht darauf verpflichtet hat, diese Wassermengen auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen.

Wer heute im Stadteil Phiri/Soweto von Johannesburg den Wasserhahn aufdrehen möchte, muss zuerst ein Wasserguthaben erwerben, zumindest dann, wenn er schon seine monatliche Wasserration aufgebraucht hat. Da diese Ration von 25 Litern pro Person und Tag sehr niedrig liegt, müssen viele Menschen gegen Ende des Monats mit immer weniger oder gar ohne Wasser auskommen. Ende 2007 reichten mehrere Frauen Klage gegen dieses Vorgehen der Stadt ein. Am 30. April 2008 gelangte das Oberste Gericht (High Court) in einem bahnbrechenden Urteil zu der Aufassung, dass die Praxis der Stadt Johannesburg, in Phiri/Soweto zwangsweise Prepaid-Wasserzähler zu installieren, verfassungswidrig ist. Außerdem hob das Gericht die Entscheidung der Stadt auf, ihre "Free Basic Water"-Politik auf 25 Liter pro Person pro Tag zu begrenzen und ordnete an, dass die Stadt die Bewohner von Phiri mit 50 Litern pro Person pro Tag versorgen muss. Die Stadt legte daraufhin Berufung ein.


Prepaid-Wasserzähler verfassungswidrig

Das Urteil des Berufungsgerichts umfasst folgende
Einzelentscheidungen:

42 Liter Wasser pro Bewohner von Phiri pro Tag stellen eine ausreichende Wassermenge im Sinne von § 27(1) der südafrikanischen Verfassung dar.
Die Stadt Johannesburg ist, soweit dies im Sinne der Verfassung zumutbar ist, unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen und anderer relevanter Erwägungen, verpflichtet, jedem Bewohner von Phiri, der nicht in der Lage ist, hierfür zu bezahlen, 42 Liter Wasser pro Tag gratis zur Verfügung zu stellen.
Die im Township Phiri für Verbraucher mit Water Service Level 3 verwendeten Prepaid-Wasserzähler sind gesetzeswidrig.
Das Urteil in Bezug auf die Gesetzeswidrigkeit der Prepaid-Wasserzähler wird für die Dauer von zwei Jahren außer Vollzug gesetzt, um der Stadt Johannesburg die Möglichkeit zu geben, ihre Verwendung von Prepaid-Wasserzählern so weit wie möglich mit den gesetzlichen Bestimmungen in Einklang zu bringen.


Wie effektiv ist das Urteil?

Das Urteil stellt für die Bewohner von Phiri wohl nur einen Teilerfolg dar. Auf der einen Seite hat das Oberste Berufungsgericht sehr wohl bestätigt, dass die "Free Basic Water"-Politik der Stadt nicht ausreichend ist, um die Grundbedürfnisse der Menschen von Phiri zu erfüllen, und dass die Stadt, wenn sie diese Politik ändert, das Wasser pro Person pro Tag - und nicht mehr wie bisher auf der Basis pro Haushalt pro Monat - zuteilen sollte. Außerdem hat das Gericht das Urteil des Obersten Gerichts dahingehend bestätigt, dass die in Phiri installierten Prepaid-Wasserzähler gesetzeswidrig sind. Andererseits steht zu befürchten, dass die vom Gericht gewährten Rechtsbehelfe weder angemessen noch effektiv sind. Obwohl das Oberste Berufungsgericht nämlich festgestellt hat, dass 42 Liter pro Person pro Tag die vorgeschriebene Mindestmenge im Sinne von § 27(1)(b) der Verfassung darstellt, geht das Gericht nämlich nicht so weit, die reichste Gemeinde Südafrikas auch zu verpflichten, diese Wassermenge innerhalb bestimmter Fristen auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen. Dabei gibt es unbestrittene Beweise, dass die Stadt über die nötigen Ressourcen verfügt, um diese Mengen bereitstellen zu können. In Bezug auf die Prepaid-Wasserzähler stellt das Gericht zwar einerseits deren Gesetzeswidrigkeit fest, gibt der Stadt Johannesburg aber großzügige zwei Jahre Zeit, um diese dem rechtlichen Rahmen anzupassen, so dass man zu dem Ergebnis kommen muss, dass auch dieses schwerwiegende Problem nicht mit letzter Entschiedenheit angegangen worden ist.


Jackie Dugard arbeitet am Centre for Applied Legal Studien in Südafrika, Thorsten Kiefer ist Mitarbeiter von Brot für die Welt.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2009, Juni 2009, S. 8
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2009