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AFRIKA/039: Ausländische Direktinvestitionen in Äthiopiens Agrarsektor (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Ausländische Direktinvestitionen in Äthiopiens Agrarsektor
Wasser und Land für Investoren

Von Lucie Weissleder


Trotz der weltweiten Finanzkrise haben ausländische Direktinvestitionen (folgend FDI = Foreign Direct Investments) in 2007 weltweit einen historischen Höchststand von 1,8 Milliarden US-Dollar erreicht. Hervorzuheben sind dabei vor allem Investitionsströme in Entwicklungsländer, wie zum Beispiel Afrika, wo zwischen 2005 und 2007 ein Anstieg der FDI um annähernd 80 Prozent beobachtet werden konnte. Dies entspricht dem höchsten prozentualen Anstieg von FDI-Strömen über alle Entwicklungsländer, wobei hauptsächlich im primären Sektor (Landwirtschaft) investiert wird.


Durch die weltweite Wirtschaftskrise ergeben sich weitere und neue Motivationen für das Durchführen von FDI. Neben den traditionellen Motivationen ausländischer Investoren, wie die Steigerung von Effizienzgewinnen und Markterschließung, spielen jetzt auch Lebensmittelsicherung und die Sicherung finanzieller Ertragsraten eine zunehmend bedeutendere Rolle.

Äthiopien ist das älteste unabhängige afrikanische Land und besteht aus 11 Regierungsbezirken. Die von Armut gezeichnete Volkswirtschaft (45 Prozent der Bevölkerung leiden unter Nahrungsmittelknappheit) ist mit nahezu 50 Prozent des Bruttoinlandproduktes, 60 Prozent der Exporte und 80 Prozent aller Beschäftigten stark vom primären Sektor abhängig.

Gerade der landwirtschaftliche Sektor Äthiopiens hat in den vergangenen Jahren die Aufmerksamkeit ausländischer Investoren auf sich gezogen, da er durch die Verfügbarkeit fruchtbaren Ackerlands gekennzeichnet ist und die Regierung Äthiopiens in den vergangenen 10 Jahren eine investitionsfreundliche Politik verfolgt hat. So ist zum Beispiel keine Mindestkapitaleinlage notwendig und ausländische Investitionsaktivitäten sind überwiegend von Steuerzahlungen befreit. Hierunter fallen zum Beispiel Einkommensteuern, Exportsteuern und die Mehrwertsteuer. In Folge dessen stiegen die FDI im Agrarsektor Äthiopiens von 135 Millionen US-Dollar im Jahr 2000 auf 3,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2008 und machten dabei 32 Prozent aller ausländischen Investitionen in Äthiopien aus.

Die regionale Herkunft der FDI im äthiopischen Agrarsektor lässt sich vor allem der EU, Indien, Saudi Arabien und den USA zuordnen. Bis 2005 machten dabei Investitionen aus Saudi Arabien 50 Prozent aller FDI aus. Seit 2005 hat sich diese Gewichtung deutlich verschoben. In 2008 machten FDI aus Saudi Arabien nur noch ca. vier Prozent aus, wobei weitere, bislang nicht in Erscheinung getretene Länder nennenswerte FDI in Äthiopien tätigten (Sudan 40 Prozent, Malaysia 15 Prozent aller FDI).

Die Regionen Äthiopiens, in denen die meisten FDI getätigt wurden, sind Oromia (mit hervorragenden klimatischen Bedingungen für die Blumenproduktion), Amhara, und SNNPR. Diese regionale Begrenzung der Investitionen kann dazu führen, dass auch die wirtschaftlichen Effekte eher regional sind und ein gesamtwirtschaftlicher Effekt auf Äthiopien als Ganzes eher beschränkt sein wird.

Vor 2005 wurden aufgrund von Effizienzgewinnen FDI hauptsächlich im Blumensektor getätigt. Seit 2006 sind Investitionen vor allem im Nahrungsmittel- und Biokraftstoffsektor deutlich angestiegen. Zeitgleich ist zudem auch ein Exportanstieg dieser Produkte in die investieren den Länder zu erkennen, was darauf schließen lässt, dass diese Investitionen primär das Ziel der Versorgungssicherheit verfolgen.

Insbesondere Investitionen in Sektoren wie dem Blumensektor können sich positiv auf die Volkswirtschaft und die soziale Entwicklung Äthiopiens auswirken, da zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen werden. Allerdings werden den Investoren lediglich geringe bis gar keine ökologischen Auflagen gestellt, wodurch negative Umwelteffekte zu erwarten sind. Zudem können Investitionen in den Nahrungsmittel- und den Biokraftstoffsektor mit Exportorientierung die nationale Lebensmittelsicherheit bedrohen und das Armutsproblem vergrößern, da die Konkurrenz um fruchtbares Ackerland und Wasser ansteigt. Dies kann zur steigenden Abholzung von Wäldern und steigenden Erosionsproblemen führen.

Dennoch scheinen neben diesen potenziell negativen ökologischen Effekten FDI in Äthiopien eine wichtige und notwendige Basis für eine nachhaltige ökonomische Entwicklung des Landes zu sein. Politische Rahmenbedingungen, die dafür Sorge tragen würden, dass dabei negative Umwelteffekte minimiert und die interne Nahrungsmittelverfügbarkeit sichergestellt werden, wären allerdings erforderlich.


Lucie Weissleder ist Diplom-Agrar-Ingenieurin und promoviert am Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Universität Bonn zum Thema Impacts of investment barriers on agricultural trade - Effects on Regional trade agreements.
Den ausführlichen Text finden Sie im Internet unter
http://www.ecofair-trade.org/pics/en/FDIs_Ethiopia_15_10_09_c.pdf


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2010, Juli 2010, S. 5
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2010