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AKTION/119: Blumenkampagne in neuem Design (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Blumenkampagne in neuem Design

Von Gertrud Falk


Die Blumenkampagne "Fair Flowers - mit Blumen für Menschenrechte" ist am 1. Mai 2009 gestartet. Alle sechs Partner-Organisationen in Belgien, Deutschland, Österreich und Tchechien haben zum Auftakt auf Arbeitsrechtsverletzungen in der Blumenindustrie und auf die Verantwortung der Händler, VerbraucherInnen und öffentlichen Institutionen, gegen diese Missstände anzugehen, hingewiesen. Zurzeit unterstützt FIAN-Deutschland im Rahmen der Kampagne die Aktionen des zivilgesellschaftlichen Netzwerks CorA (Corporate Accountability; Unternehmensverantwortung (1)) zum fairen Beschaffungswesen in Deutschland.

Die Kampagne ist in allen vier Ländern neu und einheitlich gestaltet. Das Faltblatt zur Kampagne (deutsche und englische Version) kann bei FIAN-Deutschland und FIAN Österreich gegen Erstattung der Versandkosten bestellt werden. Die gemeinsame Internetseite der Kampagne hat die Adresse: www.flowers-for-human-rights.org.


Faire Beschaffung jetzt!

Durchschnittlich 16 Prozent des Bruttoinlandprodukts werden durch Ausgaben öffentlicher Einrichtungen in den Mitgliedsländern der Europäischen Union (EU) bestritten. Die Möglichkeiten, Menschenrechte, Sozialstandards und Umweltschutz durch das Einkaufsverhalten von öffentlichen Einrichtungen durchzusetzen, wurden insbesondere von der deutschen Bundesregierung lange nicht wahrgenommen. Erst am 24. April 2009 trat das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts in Kraft, mit dem die entsprechende Richtlinie der EU aus dem Jahr 2004 in deutsches Recht umgesetzt wird. Allerdings ist das neue Gesetz windelweich und nur eine Kann-Bestimmung.

Die EU hatte in ihrer Richtlinie vom 31. März 2004 verfügt, dass die Mitgliedsstaaten ab bestimmten Auftragshöhen die Einhaltung der Prinzipien der Nicht-Diskriminierung, Transparenz und Wirtschaftlichkeit sicherstellen müssen.

Weiterhin sollen nationale Gesetze zum Vergaberecht ermöglichen, dass Sozial- und Umweltstandards als Bedingungen für die Auftragsvergabe festgelegt werden können. Die EU bezieht sich dabei auch ausdrücklich auf internationale Arbeitsstandards. In der Begründung für diese Richtlinie heißt es unter anderem: "Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (...) können insbesondere dem Ziel dienen (...) die Bestimmungen der grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IOA) (...) im Wesentlichen einzuhalten ... (2)

Artikel 26 der Richtlinie beschreibt die "Bedingungen für die Auftragsausführung": "Die öffentlichen Auftraggeber können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, ... Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen." (3)


Auftragshöhen, ab der die EU-Richtlinie gelten muss (in Euro)

 Waren
Dienstleistungen
Arbeitsausführungen
Bundesregierung
133.000
133.000    
5.150.000    
Andere
Regierungsebenen
206.000
206.000    
5.150.000    

Quelle: Procure IT fair: Sustainable Procurement in an European Context, Oktober 2008
www.procureitfair.org



Deutschland hinkt hinterher

Die EU-Richtlinie sollte zum 31. Januar 2006 von allen Mitgliedsstaaten umgesetzt sein. Nur wenige Staaten hielten diesen Stichtag ein. Deutschland gehörte nicht dazu. Die Bundesregierung setzte zunächst nur einen Teil der Richtlinie um, indem sie nur die finanziellen Schwellen für die Auftragshöhen ins Vergaberecht aufnahm. Das entsprechende Bundesgesetz galt damit nur für Aufträge der Bundesregierung und der Länder, die diese Schwelle überschritten. Die Öffnung der gesetzlichen Grundlage des öffentlichen Beschaffungswesens für die Einführung von Sozial- und Umweltstandards wurde zunächst außen vor gelassen. Durch den Regierungswechsel in 2005 kam der weitere Prozess zur vollständigen Einarbeitung der EU-Richtlinie in deutsches Recht ins Stocken.

Die Länder durften allerdings dieses Gesetz ergänzen und die Bedingungen für Auftragsvergaben regeln, die unter dieser Schwelle lagen, solange sie dem Bundesgesetz nicht widersprachen. Davon machte das Land Bayern als erstes Gebrauch. Als Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit, vor allem des bayrischen Eine-Welt-Netzes (4), verabschiedete der Bayrische Landtag am 19. Juli 2007 ein Gesetz, nach dem öffentliche Einrichtungen keine Waren kaufen dürfen, die mit Hilfe ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt wurden.


Aktion Kommune

Auch eine Reihe von Kommunen hatte entsprechende Beschlüsse gefasst. Einige beschlossen ausdrücklich, nur noch Blumen aus sozial- und umweltverträglicher Produktion zu beschaffen. Dies war nicht zuletzt ein Erfolg der Blumenkampagne, die schon 2004 im Rahmen ihres Projekts Aktion Kommune die Kommunen zu solchen Beschlüssen aufgefordert hatte.

Generell herrschte allerdings bisher in Deutschland Rechtsunsicherheit, ob Städte- und Landesverwaltungen bei der Auftragsvergabe auch die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards fordern oder allein nach Höhe der Preise oder dem besten Preis-Leistungsverhältnis entscheiden durften.


Schwaches Gesetz

Diese Unsicherheit ist nun mit dem Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts behoben. In Paragraf 97, Absatz 4 steht: "(...) Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichem Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist." (5) Das bedeutet zum einen, dass öffentliche Auftraggeber Umwelt- und Sozialstandards als Bedingung für die Auftragsvergabe festlegen können, aber nicht müssen. Zum anderen bedeutet es einen erhöhten Verwaltungsaufwand, denn die Kriterien müssen in jeder einzelnen Ausschreibung formuliert werden. (5)


Faire Beschaffung in Kampagnenländern

Österreich hat die EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt und fordert ausdrücklich die Einhaltung mehrerer zentraler Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation. Tschechien hat zwar die Prinzipien der Richtlinie umgesetzt. Im Gesetz ist aber an keiner Stelle erwähnt, dass Sozial- und Umweltkriterien bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zur Bedingung gemacht werden können. In Belgien haben die Bundesregierung und die Regierung von Flandern jeweils einen Aktionsplan für eine nachhaltige Beschaffung erarbeitet. Für Brüssel und Wallonien steht er noch aus.



Politischer Druck nötig

Damit die Kann-Bestimmung von der Bundesregierung zur Durchsetzung von Menschenrechten und Umweltschutz umgesetzt wird, ist politischer Druck nötig. Den übt vor allem das zivilgesellschaftliche Netzwerk CorA aus, das für verbindliche Regeln für Unternehmen hinsichtlich der Einhaltung von Sozialstandards und Transparenz eintritt. FIAN ist Mitglied von CorA und unterstützt mit der Blumenkampagne die Arbeitsgruppe zur Öffentlichen Beschaffung. Gemeinsam mit CorA fordert FIAN die Bundesregierung auf, einen Aktionsplan zur Umsetzung des neuen Gesetzes zu erstellen, den Prozess der Umsetzung des Aktionsplans (6) bundesweit zu koordinieren und bis zum Jahr 2018 die gesamte eigene Beschaffung nach Umwelt- und Sozialkriterien auszurichten. Anlässlich der Bundestagswahl hat CorA eine Postkartenaktion gestartet, die Sie in der CorA-Beilage dieses FoodFirst-Magazins finden. Bitte fordern Sie Ihre BundestagskandidatInnen auf, sich für ein faires Beschaffungswesen einzusetzen. Davon werden auch die BlumenarbeiterInnen profitieren.


Neues FLP-Projekte: Natürlich Blumen

Mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt hat das Flower Label Program (FLP) ein Projekt zur Einführung eines Öko- und Regionalsiegels für Blumen begonnen. Unter dem Projektnamen Natürlich Blumen arbeiten FLP, das Forschungsinstitut biologischer Landbau, die Bielefelder Kampagne Fairschenk Blumen, die Grüne Liga Berlin sowie einzelne Gartenbauunternehmen und BlumenhändlerInnen an der Entwicklung und Vermarktung eines ökologischen und regionalen Blumensiegels. FIAN unterstützt das Projekt vor allem bei der Erarbeitung der Zertifizierungsrichtlinien.
Weitere Informationen finden Sie in Kürze auf der Internetseite:
www.blumen-natuerlich.de.

Gertrud Falk ist Koordinatorin der Blumenkampagne bei FIAN-Deutschland.


Anmerkungen:
(1) www.cora-netz.de
(2) Amtsblatt der Europäischen Union, 30.04.2004
(3) ebd.
(4) www.eineweltnetzbayern.de
(5) Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2009, Teil I Nr. 20, 23.04.2009
(6) Der Aktionsplan kann über FIAN und CorA für 3,- Euro zuzüglich
    Versandkosten bezogen werden.


*


Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2009, Juni 2009, S. 20
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro
Abonnementpreis: Standardabo 15,- Euro,
Förderabo 30,- Euro (Ausland zzgl. 10,- Euro)


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2009