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BERICHT/125: Schöne neue Agrarwelt (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Schöne neue Agrarwelt
Weltbank widmet Weltentwicklungsbericht der Landwirtschaft

Von Armin Paasch


Landwirtschaft ist wieder en vogue. Im nächsten Jahr widmet die Weltbank, erstmals seit 1982, diesem Thema den Weltentwicklungsbericht (WDR) - das Flaggschiff ihrer Publikationen. Die zentrale Fragestellung lautet: Wie kann Landwirtschaftliches Wachstum zur Minderung von Armut und Hunger beitragen?


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Vor 25 Jahren hatte die Weltbank ein klares Rezept. Mehr Forschung, Infrastruktur, Bewässerung, Exporte und Marktöffnung, zugleich weniger Steuern und Staat, und die Landwirtschaft wird wachsen, die Armut sinken. Viele Länder setzten dieses Rezept um, teils aus freien Stücken, teils genötigt durch die Kreditkonditionen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF). Der Rückgang öffentlicher Leistungen für die Landwirtschaft war politisch gewollt, sowohl auf nationaler Ebene als auch in der Entwicklungszusammenarbeit. Die Folgen sind bekannt. Die Landwirtschaft und insbesondere die Kleinbauern stecken in den meisten Entwicklungsländern in einer tiefen Krise.

Mitte der 1990er Jahre begann bei der Weltbank ein Umdenken, das sich nicht nur in der Rhetorik, sondern auch in steigenden Ausgaben für die Landwirtschaft niederschlug. Der Weltentwicklungsbericht (WDR) 2008 soll im Herbst 2007 erscheinen, doch aus Entwürfen und einer Zusammenfassung (Entwicklung & ländlicher Raum 1/08, S. 4-6) sind die Inhalte schon jetzt weitgehend bekannt. Landwirtschaft ist für das wirtschaftliche Wachstum in Entwicklungsländern demnach absolut zentral. Im Mittelpunkt steht vor allem die Frage: Wie kann dieses Wachstum auch zur Armuts- und Hungerminderung beitragen?


Armutsbekämpfung durch landwirtschaftliches Wachstum

Die Weltbank rät zunächst, neue Wachstumsquellen in der Landwirtschaft zu erschließen, so etwa die neuen dynamischen Exportmärkte für Gemüse, Obst und Blumen sowie technologische Innovationen in der Biologie und Kommunikation. Wichtig sei zudem, dass die reichen Länder ihre Subventionen abbauen und Märkte öffnen. Damit das Wachstum den Armen zugute kommt, sei zweierlei nötig: Kleinbauern müssen an diesem Wachstum beteiligt werden, und Landlose müssen in den wachsenden Betrieben Beschäftigung finden. Um die Ernährung zu sichern, sollten die Entwicklungsländer ihre finanziellen Kapazitäten steigern, auf den internationalen Märkten Nahrungsmittel zu erwerben. Die Weltbank räumt ein, dass in manchen Ländern, wie in Äthiopien, Somalia, Niger und Ruanda, die notwendigen Bodenschätze und finanziellen Kapazitäten zum Nahrungsmittelimport fehlten. In solchen Fällen sollten die Länder und Haushalte versuchen, wenigstens einen Teil ihrer Nahrung selber zu produzieren. Auch soziale Sicherheitsnetze seien geboten, um diejenigen aufzufangen, die den Anschluss an den Markt nicht schaffen.

Die Botschaft im Klartext: Biotechnologien, allen voran die Gentechnik, sollen die Produktivität steigern. Importe sollen die Regel sein, eigene Nahrungsmittelproduktion die Ausnahme. Und dies, obwohl bis heute nur etwa 10 Prozent der Agrarerzeugnisse grenzüberschreitend gehandelt werden. Anstatt die Allmacht der Supermärkte zurückzudrängen, sollen Kleinbauern unterstützt werden, sich an deren Produktstandards anzupassen. Landlose sollen nicht länger nach eigenem Landstreben, sondern sich als Landarbeiter verdingen. Wie menschenwürdige Löhne und Arbeitsbedingungen auf den Großfarmen durchgesetzt werden können, bleibt offen. Die Notwendigkeit von umfassenden Agrarreformen, lokal angepassten und kostengünstigen Anbaumethoden sowie Schutzmöglichkeiten für die Märkte des Südens bleiben zumindest in der Zusammenfassung unerwähnt. Ganz im Gegenteil kritisiert die Weltbank in einer Skizze des WDR, dass die Erhebung von Importzöllen den Bauern in Entwicklungsländern geschadet habe. Soweit die schöne neue Agrarwelt, wie die Weltbank sie sieht.


Alte Antworten auf neue Fragen

Und was ist daran neu? Zu begrüßen ist die allgemeine Forderung nach mehr (auch öffentlichen) Investitionen in die Landwirtschaft des Südens. Auch der Verweis auf die Ökolandwirtschaft als ein dynamischer Zukunftsmarkt klingt ungewohnt. Jüngeren Datums ist vor allem die Einsicht, dass Wachstumsgewinne nicht automatisch zu den Armen durchsickern. Die Antworten auf die Frage, wie dies zu bewerkstelligen wäre, sind dagegen im Kern die alten geblieben. Eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Rotte findet ebensowenig statt. Wen wundert es da, wenn die Weltbank in der erwähnten Skizze zum WDR 2008 als erste Erfolgsbedingung für die Landwirtschaft nennt: "Complete the agenda of WDR 1982".

Der Autor ist Handelsreferent von FIAN-Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2007, März 2007, S. 6
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
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Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2007