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BERICHT/128: Millionen für Multis (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2007
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Millionen für Multis

Von Marita Wiggerthale


"Geld für die Großen", "Bäuerliche Betriebe benachteiligt", "Milliarden für Millionäre", so lauten die Schlagzeilen, wenn die Verteilung der EU-Agrarsubventionen in der Presse angeprangert wird. Die "Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen" - ein Zusammenschluss von 34 Organisationen - will ans Tageslicht bringen, wer wirklich von den Agrarsubventionen profitiert.


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Demokratie und Transparenz stellen zwei Seiten einer Medaille dar. So harmlos die Forderung nach Verbesserung der Transparenz auch daher kommt, so wenig selbstverständlich ist sie im politischen Alltag. Beispiel Transparenz bei EU-Agrarsubventionen: vielen BürgerInnen in Deutschland ist bekannt, dass die EU-Agrarpolitik mehr als 40 Milliarden Euro verschlingt. Unklar ist hingegen, wer wofür wie viele Agrarsubventionen bekommt. Andere europäische Länder sind hier schon weiter. In Dänemark, Niederlande, Schweden, Norwegen, Slowenien, Slowakei und Lettland wurden alle Karten offen auf den Tisch gelegt. Nicht so in Deutschland.

Ablehnung, Falschaussagen und Vorwürfe prägten zu Beginn die Auseinandersetzung mit dem Landwirtschaftsministerium (BMELV). Es gebe bereits genügend Informationen, die Beiträge für Marktordnungsausgaben seien seit 1993 "drastisch gesunken" - dabei sind sie von Anfang 2000 bis 2005 von 5,5 auf 6,5 Milliarden Euro gestiegen - und es würden Neiddebatten gefördert. Auch wenn das BMELV selbst offensichtlich kein 'Überzeugungstäter' in Sachen Transparenz ist, so hat Horst Seehofer sich Mitte 2006 deutlich für Transparenz stark gemacht. Was war passiert?

Das hohe mediale Interesse, der starke Rückenwind aus Brüssel und das Ins-Spiel-Bringen der unterschiedlichen Interessenslagen seitens der betroffenen Ministerien haben letztendlich dazu geführt, dass sich Deutschland in der europäischen Abstimmung für Transparenz ausgesprochen hat. Ein Erfolg für die Initiative für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen. Doch nun gilt es die nächste Hürde zu nehmen. Das BMELV will die Empfänger von Agrarsubventionen gemäss dem Beschluss des EU-Ministerrats erst im Jahr 2009 offen legen. Wieder einmal wird auf die Bremse getreten, wenn es um Transparenz geht. Es ist offensichtlich, warum. Im Jahr 2007/2008 steht die Halbzeitüberprüfung der EU-Agrarpolitik an. Die Behüter der Ernährungsindustrie und der rationalisierten Großbetriebe im BMELV haben kein Interesse an einer fundierten Qualitätsdebatte. Besitzstandswahrung ist angesagt. Dabei zeigen die von der Initiative für Transparenz erwirkte Teil-Offenlegung von Exportsubventionen auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes und recherchierte Beispiele, dass Handlungsbedarf besteht. Im Wirtschaftsjahr 2005 erhielt zum Beispiel Deutschlands größter Fleischvermarkter, Vion in Düsseldorf, für Rindfleisch-Exporte 6,7 Millionen Euro und der Bayer-Konzern mehr als drei Millionen Euro für die Zuckerverarbeitung. Die Firma Cerestar in Krefeld, deren Mutterkonzern Cargill weltweit zu den Top Drei der Lebensmittelbranche gehört, erhielt zwei Millionen Euro für Getreideexporte. Zu den größten Profiteuren zählen jedoch Nestlé mit 48 Millionen Euro im Jahr 2005 europaweit. Gleiches gilt für Südzucker mit durchschnittlich 90 Millionen Euro pro Jahr im Zeitraum 2002 bis 2005. Zu den Empfängern von Agrarsubventionen in Millionenhöhe gehören ebenso die Rhein-Braun AG, Thurn und Taxis, Deutschlands größtes Entsorgungsunternehmen Rethmann und Harald Isermeyer, der Bruder von Seehofers Chefberater Folkhard Isermeyer.

Mit der derzeitigen Verteilung der Gelder gibt es mehr Verlierer als Gewinner. Verlierer sind kleinere Betriebe, die ums Überleben kämpfen, die Umwelt, die unter den Folgen der Intensivlandwirtschaft leidet und die Kleinbauern in den Entwicklungsländern, die mit den billigen, subventionierten Lebensmitteln aus der EU nicht konkurrieren können. Erst wenn Prämienzahlungen nach ökologischen und sozialen Kriterien effektiv qualifiziert werden, wird auch das Dumping mit seinen negativen Auswirkungen für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Entwicklungsländern verringert werden.

Die Autorin ist Agrarreferentin bei Oxfam.

Weitere Informationen finden sich unter
www.wer-profitiert.de


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2007, März 2007, S. 12
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Düppelstraße 9-11, 50679 Köln
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Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2007