Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FIAN

BERICHT/154: Überlebenschance für wenige Kleinbauern? (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Überlebenschance für wenige Kleinbauern?

Von Marita Wiggerthale


Es tut sich was auf den lokalen Lebensmittelmärkten im Süden. Es fing in Südamerika an und schwappte wie eine Welle über Zentralamerika, südliches Afrika und Südostasien. Die Rede ist von Supermärkten. Sie erobern zunächst die Innenstadtlagen der Großstädte und ziehen dann weiter in die Außenbezirke und Kleinstädte. Mit Billigangeboten, einer angenehmen Einkaufsatmosphäre und Frische locken sie VerbraucherInnen an. Rasch breiten sich die Supermärkte aus. Eine Entwicklung, die in Europa fünf Jahrzehnte brauchte, vollzog sich zum Beispiel in Lateinamerika innerhalb nur eines Jahrzehnts. Tiefgreifende Veränderungen im Lebensmittelhandel sind die Folge.


Der Einkauf der Supermärkte wird zunehmend neu ausgerichtet. Das Stichwort lautet Optimierung der Lieferkette. Das heißt, der Einkauf wird gebündelt, zestralisierte Verteilungszentren werden eingerichtet, Verträge werden zunehmend direkt mit den Erzeugern beziehungsweise den Importeuren abgeschlossen, hohe Qualitätsanforderungen werden vorgegeben und strikt kontrolliert. Ein Kleinbauer, der die Qualitäts-, Preis- und Liefervorgaben der Supermärkte oder ihrer Einkaufsorganisationen erfüllen kann, hat die Chance, als ihr bevorzugter Zulieferer aufgenommen bzw. 'gelistet' zu werden. Im Gegenzug winken ihm mittel- bis langfristige Abnahmeverträge.


Hohe Produktstandards als Hürde

Wie viele der ungefähr 388 Millionen kleinbäuerlichen Betriebe im Süden mit weniger als 2 Hektar Land werden in der Lage sein, diese Bedingungen zu erfüllen und am 'modernen Lebensmittelhandel teilzuhaben? Inwieweit kleinbäuerliche ProduzentInnen Supermärkte beliefern können, ist zunächst weniger eine Frage der Größe der Betriebe, sondern zuallererst eine Frage ihrer Ausstattung. Bei Tomaten-, Kohl- und BananenproduzentInnen in Kenia zeigte sich beispielsweise, dass die Belieferung der Supermärkte eine höhere Ausstattung an Bildung, Bewässerung, Verpackung, Buchführung etc. voraussetzt. Anforderungen dieser Art stellen die erste, häufig schwierig zu überwindende Hürde für Kleinbäuerinnen und -bauern dar.

Entscheidend sind aber letzten Endes die Qualitäts- und Lebensmittelsicherheitsstandards, die in den Supermärkten deutlich jene des traditionellen Großhandels übersteigen. In Ekuador richtet sich beispielsweise der Einkauf von Kartoffeln im Großhandel nur nach der Uniformität der Größe und Farbe sowie nach dem Grad der Beschädigung. Bei den Supermärkten kommen als Standards noch die Sauberkeit, die Lebensmittelsicherheit, der Geruch, die Reife, die Beibehaltung einer bestimmten Temperatur, eine spezielle Verpackung und Zeit- und Ortsbeschreibungen hinzu. Die Folge: Ekuadors größter Supermarkt SLF kauft Kartoffeln jetzt hauptsächlich von großen Produzenten und nicht mehr vom Großhandel, dem Hauptabnehmer kleinbäuerlicher Betriebe.


Einkaufsmacht von Supermärkten begrenzen

Aber auch die kontinuierliche Lieferung eines größeren Volumens ist für einzelne Kleinbauern nur schwerlich möglich. Letztendlich heißt dies: nur ein Bruchteil der kleinbäuerlichen ProduzentInnen hat eine Überlebenschance innerhalb des Supermarktsystems. Aber: noch beziehen die führenden Supermärkte im Süden ungefähr die Hälfte ihrer Lebensmittel über den Großhandel Noch kontrollieren die Supermärkte in den Entwicklungsländern nicht den gesamten Lebensmittelhandel, zum Teil auch weil die Investitionsregeln bis jetzt nicht vollständig liberalisiert wurden. Doch die Zeit drängt.

Es gilt, alternative Vermarktungsmöglichkeiten für Kleinbauern zum Beispiel über den Großhandel zu erhalten beziehungsweise auszubauen. Kleinbäuerinnen und -bauern müssen gezielt unterstützt werden bei der Vermarktung ihrer Produkte. Bestehende staatliche Instrumente reichen häufig nicht aus. Die Einkaufsmacht von Supermarktketten muss beschränkt werden, Ein modernes Wettbewerbsrecht würde es möglich machen. Die staatliche Entwicklungszusammenarbeit darf ihre Hilfe nicht einseitig darauf konzentrieren, Kleinbauern nur bei der Einhaltung der Standards zu unterstützen.

Sie Autorin ist Agrar- und Handelsreferentin bei Oxfam Deutschland und Autorin der EED-Studie Supermärkte auf dem Vormarsch im Süden - eine Bedrohung für Kleinbauern?


*


Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2008, S. 12
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2008