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BERICHT/158: Klimawandel und Umsetzung des Rechts auf Nahrung (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Klimawandel - Eine elementare Herausforderung für die Umsetzung des Rechts auf Nahrung

Von Wolfgang Sterk


Der Klimawandel wird erhebliche Auswirkungen sowohl auf die weltweiten Ernteerträge als auch auf die Verfügbarkeit von Trinkwasser haben. Er stellt damit die Umsetzung der Menschenrechte auf Nahrung und Wasser vor beträchtliche Herausforderungen. Gleichzeitig können die Menschenrechte einen wertvollen objektiven Referenzrahmen für Ziele und Methoden der Klimapolitik setzen.


Der Klimawandel beeinflusst die Nahrungsmittelproduktion auf vielfache Weise. Die steigenden Temperaturen beeinflussen die Wachstumsbedingungen von Pflanzen, viele Sorten werden in ihren bisherigen Anbaugebieten nicht mehr so gut oder sogar gar nicht mehr angebaut werden können. Der Klimawandel führt zu einer Verschiebung der Niederschlagsmuster - in vielen Regionen, in denen bereits heute wenig Niederschlag fällt, wird in Zukunft noch weniger fallen. So sagt der Weltklimarat etwa für Afrika voraus, dass die Erträge des Regenfeldbaus schon bis 2020 um 50 Prozent einbrechen könnten. Bereits der aktuelle Höhenflug der Lebensmittelpreise ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass in wichtigen Produzentenländern wie Australien, Russland und der Ukraine bereits seit Jahren aufgrund starker Dürren schwere Ernteeinbußen zu verzeichnen sind.

Die sich ändernden Niederschlagsmuster werden auch die Verfügbarkeit von Trinkwasser erheblich beeinträchtigen. Ein weiterer Faktor ist das Abschmelzen der Gletscher, aus denen sich viele für die Trinkwasserversorgung zentrale Flüsse wie der Ganges speisen. Durch die Schneeschmelze im Sommer werden diese Flüsse gerade in der trockensten Jahreszeit mit Wasser versorgt. Durch das Abschmelzen der Gletscher verschwindet dieses Wasserreservoir.

Der Klimawandel wird also die Möglichkeiten, die Menschenrechte auf Nahrung und Wasser umzusetzen, erheblich beeinträchtigen. Weitere menschenrechtliche Implikationen ergeben sich bei der Politik, die zum Klimaschutz betrieben wird. So wird beispielsweise in der EU und in den USA massiv die Nutzung von Agro-Kraftstoffen vorangetrieben, da diese weniger Emissionen verursachen als herkömmliches Benzin. Dies hat jedoch teilweise verheerende menschenrechtliche Folgen.


Klimawandel im UN-Menschenrechtssystem

Die Diskussion über die menschenrechtlichen Implikationen des Klimawandels ist noch relativ neu, gewinnt aber zunehmend an Dynamik. Eine Hauptfrage ist: Sind Klimaschutz und die Unterstützung der Opfer des Klimawandels als menschenrechtliche Verpflichtungen zu fassen?

Vor der interamerikanischen Menschenrechtskommission ist bereits eine Petition der Inuit gegen die USA anhängig. Die Inuit argumentieren darin erstens, dass der Klimawandel ihnen ihre Lebensgrundlage entziehe. Zweitens seien die USA der größte Emittent von Treibhausgasen, verweigerten aber den Beitritt zum Kyoto-Protokoll zur Reduktion der Treibhausgasemissionen und auch jegliches sonstige konstruktive Engagement im internationalen Klimaschutz. Die Inuit fordern daher, die Kommission solle die USA wegen Menschenrechtsverletzung verurteilen, ihnen empfehlen, sich zu einem bindendem Emissionsziel zu verpflichten und mit der internationalen Gemeinschaft im Klimaschutz zusammenzuarbeiten. Und sie soll die USA ermutigen, die Inuit bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu unterstützen.

Auch im UN-Menschenrechtssystem hat das Klimathema inzwischen Einzug gehalten. Am 26. März 2008 verabschiedete der Menschenrechtsrat eine Resolution, der zufolge das Hochkommissariat für Menschenrechte bis zum Mai nächsten Jahres eine Studie zum Verhältnis von Klimawandel und Menschenrechten erstellen soll.


Menschenrechte müssen beim Klimaschutz Einzug halten

Deutlich ist: Um die Rechte auf Nahrung und Wasser und auch andere Menschenrechte zu schützen, muss der Klimawandel nach allen Kräften gebremst werden. Zugleich muss bei Maßnahmen zum Klimaschutz der Menschenrechtsschutz ein unumstößliches Kriterium sein.Und schließlich müssen die Industrieländer die Länder des Südens massiv dabei unterstützen, die Auswirkungen des Klimawandels möglichst abzufedern.Die Instrumente des Menschenrechtssystems wie etwa die FAO-Leitlinien zum Recht auf Nahrung können eine wertvolle Hilfe sein, um sicherzustellen, dass dabei die Verwundbarsten in den Fokus gestellt werden. Es sollten daher alle Anstrengungen unternommen werden, die Menschenrechte als Referenzrahmen in der Klimapolitik zu etablieren.


Der Autor ist Vorstandsvorsitzender von FIAN-Deutschland und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2008, S. 13
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2008