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BERICHT/168: Neues aus der Blumenkampagne (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 2/2008
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Neues aus der Blumenkampagne
Blumenindustrie in Sambia: Aussicht auf einen Tarifvertrag

Von Gertrud Falk


Seit 1987 produziert Sambia Blumen für den Export nach Europa. Der Sektor schafft Arbeitsplätze und erwirtschaftet Devisen für ein armes Land mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 500 US-Dollar pro Kopf im Jahr. Doch bei den Bemühungen, sich auf dem internationalen Markt zu behaupten, haben die Manager der Blumenbetriebe Arbeitsrechte und Umweltschutz hinten angestellt. Dies ist das Ergebnis einer Studie, welche die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Kooperation mit FIAN in Auftrag gegeben hat. Arbeitsrechte werden in der Industrie regelmäßig verletzt.


Schrumpfender Blumensektor

Der sambische Blumensektor beschäftigt rund 12.000 ArbeiterInnen, von denen rund 60 Prozent Frauen sind. Produziert wird vor allem für den europäischen Markt, allen voran für die Niederlande. 2004 exportierte Sambia Blumen im Wert von 32 Millionen US-Dollar. Während die Branche bis 1999 wuchs, ist die Produktion seitdem allerdings leicht rückläufig. Laut dem Geschäftsführer des sambischen Verbands der Gartenbauexporteure, Luke Mwebe, haben zwischen 1993 und 2008 35 Betriebe ihre Produktion aufgegeben. Als wesentliche Gründe dafür nennt er die hohen Transportkosten, unzureichende Erfahrung mit der Blumenproduktion sowie mangelnde Kontrolle von Pflanzenkrankheiten.


Hungerlohn trotz Überstunden

Personalkosten tauchen in der Liste von Luke Mwebe nicht auf. Ein Arbeiter verdient auch nur durchschnittlich 33 Euro im Monat, berechnet für eine gesetzlich vorgeschriebene Arbeitswoche von 48 Stunden. Doch die steht nur auf dem Papier. Die Studie der FES belegt, dass die ArbeiterInnen regelmäßig 60 Stunden täglich arbeiten, was einer regulären Wochenarbeitszeit von 60 Stunden entspricht. Überstunden werden selten bezahlt. Zusätzlich beschwerten sich die Beschäftigten, dass Überstunden nicht freiwillig geleistet werden. Wer sich weigert, dem droht die Kündigung.


Kurzzeitverträge

Rund 66 Prozent der Beschäftigen der Blumenbetriebe sind mit Kurzzeitverträgen angestellt. Diese können laut Gesetz drei Tage nach Vertragsende wieder neu abgeschlossen werden. Die Unternehmen können so ArbeiterInnen über viele Jahre beschäftigen ohne Beiträge zu Sozialversicherung und Mutterschutz zu zahlen. Das sambische Arbeitsrecht sieht bezahlten Mutterschutzurlaub nur für fest angestellte Arbeiterinnen vor, die mindestens ein Jahr lang ohne Unterbrechung in einem Unternehmen beschäftigt waren. Die Aussichten auf eine Änderungen der Gesetze zugunsten der ArbeiterInnen sind gering, denn die meisten Parlamentarier und Minister sind gleichzeitig Farmbetreiber.


Diskriminierendes Frauenbild

Dass überwiegend Frauen auf sambischen Blumenfarmen beschäftigt werden, begründet der Geschäftsführer des sambischen Blumenexportverbands zunächst damit, dass Frauen besser arbeiteten als Männer. Auf die Frage, warum sich die gute Arbeit der Frauen dann nicht in der Lohnhöhe niederschlage, lässt er die Katze aus dem Sack: Frauen eigneten sich besser für eintönige, sich wiederholende Arbeiten wie das Zusammenbinden und Verpacken der Blumen. Diese Arbeiten wurden aber nun mal nicht so hoch bezahlt wie andere. Der durchschnittliche Lohn der Frauen liegt mit 138.000 Kwacha (rund 25 Euro) noch unter dem durchschnittlichen Industrielohn von 145.000 Kwacha (rund 26 Euro). Die Frauen sind durch die Arbeit auf den Blumenplantagen hohen Belastungen ausgesetzt, insbesondere durch mangelnden Schutz gegen Pestizide und durch die langen Arbeitszeiten. Denn nach Feierabend im Betrieb wartet die Hausarbeit auf sie. Ihre Erwerbsarbeit trägt zwar zu einem erhöhten Familieneinkommen bei, geht aber gleichzeitig zu lasten der Gesundheit der Frauen.

Gewerkschaft

Die sambischen Gewerkschaft der Plantagenarbeiter NUPAW (National Union of Plantation and Agricultural Workers) kennt viele Fälle von Arbeitsrechtsverletzungen auf Blumenplantagen. Doch sie hat keine ausreichenden Mittel, um die Rechte ihrer Mitglieder gerichtlich durchzusetzen. Da sie gleichzeitig auch weniger Einfluss auf die Gesetzgebung hat als die Arbeitgeber, ist ihre Strategie die Verhandlung eines speziellen Tarifvertrags für den Blumensektor. Die jahrelangen Verhandlungen dazu, bei denen sie von FIAN unterstützt wurde, scheinen nun zum Erfolg zu führen. Der Verband der Sambischen Farmer hat sich nun bereit erklärt, über einen gesonderten Tarifvertrag zu verhandeln.


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Frauendiskriminierung auf sambischen Blumenfarmen

Fragen an Kunda Mutebele, Gewerkschaftssekretärin der sambischen Landarbeitergewerkschaft NUPAW

FRAGE: Kunda, was sind die drängendsten Probleme der Arbeiterinnen auf sambischen Blumenfarmen?

KUNDA MUTEBELE: Das größte Problem ist die mangelnde Vereinigungsfreiheit. Nur sehr wenige Frauen sind gewerkschaftlich organisiert, weil die meisten Arbeiterinnen nur als Gelegenheitsarbeiterinnen beschäftigt werden. Und diese unsicheren Arbeitsverhältnisse sind das nächste drängende Problem. Die Arbeitsstellen für Frauen sind abhängig von der Auftragsmenge der Farmen. Wenn es weniger Arbeit gibt, werden sie vor die Tür gesetzt. Und dann folgt die Kette aus mangelnder Bildung, Angst vor Entlassung und sexueller Belästigung. Es gibt sexuelle Belästigung in den Betrieben, aber die Frauen zeigen dies nur an, wenn sie entlassen werden. Sonst schweigen sie aus Furcht vor dem Verlust ihres Einkommens. Viele von ihnen sind ja allein erziehend. Aber sie kennen ihre Rechte auch nicht. Und wenn wir sie weiterbilden, dann werden sie befördert um sie von der Gewerkschaft fern zu halten. Und schließlich erhalten Arbeiterinnen keine ausreichende Schutzkleidung und werden nicht regelmäßig ärztlich untersucht.

FRAGE: Was tut NUPAW gegen diese Verletzungen von Arbeitsrechten?

KUNDA MUTEBELE: Wir haben damit begonnen auch die Gelegenheitsarbeiterinnen zu organisieren. Wir mussten uns die Erlaubnis dazu in den Drei-Parteien-Gremien erkämpfen. Heute ist es Bestandteil unseres Tarifvertrags. Unsere MitarbeiterInnen vor Ort besuchen die Blumenbetriebe und sprechen mit Geschäftsführung und ArbeiterInnen. Diese Strategie ist erfolgreich. Dreiviertel der Mitglieder unseres Frauenkomitees arbeitet in der Blumenindustrie.


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Sambia: Stärke Lobby gegen Arbeitsrechte

Sambia gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. 63 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als einem US-Dollar pro Tag. Der Agrarsektor ist geprägt durch Großgrundbesitz. Auf großen Farmen betreiben die Besitzer Viehzucht und Landwirtschaft. Sie beschäftigen eine große Zahl ArbeiterInnen, die meist auch mit ihren Familien auf den Farmen leben. Viele der Großgrundbesitzer sitzen gleichzeitig als Abgeordnete im Parlament oder gehören als Minister dem Kabinett an. In diesen Positionen verhindern sie arbeitnehmerfreundliche Gesetze oder missachten als Unternehmer die bestehenden.


Regierung hintergeht Gewerkschaft

Die Regierung versucht gegenwärtig, die Gewerkschaften bei einem Gesetzentwurf zum Arbeitsrecht auszubooten. In der ersten Jahreshälfte 2007 verhandelten Regierung, Arbeitgeber und Gewerkschaften über verschiedene Aspekte des Arbeitsrechts wie Mutterschutz und Kurzzeitverträge. Im Juli desselben Jahres einigten sich die drei Parteien auf Definitionen von Gelegenheits- und Zeitarbeit sowie auf einen Mutterschutz von 120 Tagen. Ziel der Verhandlungen war, diese Vereinbarungen in überarbeitete Arbeitsgesetze einfließen zu lassen.

Doch die GewerkschaftsvertreterInnen staunten nicht schlecht, als sie im April 2008 erfuhren, dass statt der vereinbarten Regelungen ein gewerkschaftsfeindliches Arbeitsgesetz bereits die erste Lesung im Parlament passiert hatte. Das Gesetz würde der Regierung zum einen ermöglichen, den kleineren aber politisch stärkeren der beiden nationalen Dachverbände der Gewerkschaften, die Federation of Free Trade Unions of Zambia (FFTUZ), aufzulösen. Zum anderen ermächtigt der Gesetzentwurf das Arbeitsministerium, die Vorstände nationaler Gewerkschaften abzusetzen. Damit droht die Zerschlagung der sambischen Gewerkschaftsbewegung.


Präsident gegen Gewerkschaft

Was sich aktuell auf Regierungsebene abspielt, wurde auf Betriebsebene bereits im letzten Jahr vorgeführt. Als die Gewerkschaft der Plantagenarbeiter NUPAW (National Union of Plantation and Agricultural Workers) im August 2007 die rund einhundert ArbeiterInnen der Farm von Staatspräsident Mwanawasa organisieren wollte, wurde ihr der Zutritt verwehrt - ein Verstoß gegen sambisches Gewerkschaftsrecht, das der Gewerkschaft Zutritt zu Betrieben mit mindestens zehn ArbeiterInnen erlaubt. Der Präsident beantwortete den Vorstoß von NUPAW umgehend. Am folgenden Tag standen die staatlichen Buchprüfer vor der Tür der Gewerkschaftszentrale. Ein Fehler in den Nachweisen hätte das Aus für die Gewerkschaft bedeuten können.


Die Autorin ist Koordinatorin der Blumenkampagne bei FIAN-Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 2/2008, S. 19-20
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2008