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BERICHT/179: Interview - Indigenenland in deutscher Hand (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Indigenenland in deutscher Hand
Ein Interview mit Eriberto Américo Ayala

Von Jürgen Stahn


In Paraguay wurde insbesondere während der 35-jährigen Diktatur des deutschstämmigen Alfredo Stroessner (1954-1998) Land an Deutsche verkauft. Ob es sich dabei um bewohntes Territorium indigener Gemeinden handelte, war damals ohne Bedeutung. Mehr noch, die dortige Bevölkerung wurde direkt als kostenlose Arbeitskraft miterworben. 20 Jahre nach dem Ende der Diktatur besucht Eriberto Américo Ayala von der Indigenengemeinschaft der Sawhoyamaxa aus dem Volk der Enxet Deutschland. Auch das Land der Sawhoyamaxa wird von einem deutschen Staatsbürger beansprucht. Besonders brisant: die Rückgabe des Territoriums scheiterte unter anderem an einem Investitionsschutzabkommen zwischen Deutschland und Paraguay.


FRAGE: Warum bist Du nach Europa gereist? Welche Erwartungen hattest und hast Du?

ERIBERTO: Ich bin mit dem Ziel nach Europa gereist, um über die aktuelle Situation meiner Gemeinschaft zu informieren, die seit etwa 10 Jahren am Rande der Überlandstraße Concepción - Pozo Colorado im paraguayischen Chaco lebt.
Ich möchte über die Hindernisse und Schwierigkeiten der Gemeinschaft bei dem Versuch berichten, auf das ihr nach Verfassung und Gesetzgebung Paraguays, nach der ILO-Konvention 169 und nach dem Urteil des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes von 2006 zustehende Territorium zurückzukehren.
Der paraguayische Staat versucht, die Menschenrechtsverletzungen mit dem zwischen Paraguay und Deutschland abgeschlossenen Investititonsschutzabkommen zu rechtfertigen. Durch diese Haltung verletzt der Staat zahlreiche Menschenrechte, wie das Recht auf Nahrung. Die Angehörigen der Gemeinschaft können keine Nahrungsmittel anbauen, sie haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, sie können nicht entsprechend ihren Traditionen leben.

FRAGE: Welche Informationen und Eindrücke nimmst Du mit?

ERIBERTO: Ich habe gesehen, wie FIAN und andere unseren Fall voranbringen, wie sie sich einsetzen. Ich habe erfahren, dass die deutsche Regierung die paraguayische schon mehrfach darauf hingewiesen hat, dass von diesem Vertrag keine Hindernisse für die Enteignung von Land gegen Entschädigung ausgehen. Auch im Bundesministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) wurde mir das bestätigt. Zu meiner Freude wurde mir im BMZ gesagt, dass Möglichkeiten geprüft würden, indigene Völker Paraguays bei der Stärkung ihrer Organisationen zu unterstützen, damit diese sich wirksamer für die Verbesserung ihrer Lage einsetzen können.

FRAGE: Welche Schritte wirst Du nach Deiner Rückkehr unternehmen?

ERIBERTO: Zunächst werde ich meine Gemeinschaft informieren. Dann werde ich versuchen, mit verschiedenen Personen und Organisationen Kontakt aufzunehmen, damit wir der Lösung der Probleme näher kommen:

1. mit dem Indert, dem Institut für Indigene Angelegenheiten,

2. mit dem INDERT, Institut für Ländliche Entwicklung und Land,

3. möchte ich mit Senator Sixto Pereira von der Alianza Patriótica para el Cambio über das für die Enteignung des von uns beanspruchten Landes erforderliche Gesetz sprechen,

4. schließlich möchte ich mit Präsident Fernando Lugo sprechen und ihn bitten, eine Gesetzesvorlage für die Enteignung an den Kongress zu schicken.

5. Eine interinstitutionelle Gruppe zur Behandlung des Falles Sawhoyamaxa muss ins Leben gerufen werden. Der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof muss beteiligt werden. Bis heute fühlt sich in meinem Land niemand richtig für den Fall zuständig.

6. Wenn alle diese Gespräche nichts nützen sollten, werde ich mich um die Organisation von Demonstrationen und Protesttaktionen kümmern.


Eriberto, vielen Dank für das Gespräch.
Der Autor ist in der FIAN-Gruppe Hamburg aktiv und führte das Interview am 7. Dezember 2008.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2009, S. 8
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2009