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BERICHT/183: Die globale Jagd nach Land für Nahrung (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Die globale Jagd nach Land für Nahrung

Von Sue Branford


Wie im November weltweit berichtet wurde, will sich die Deawoo Logistics, ein Tochterunternehmen des südkoreanischen Mischkonzerns Deawoo Corporation, in Madagaskar die Rechte an 1,3 Millionen Hektar Farmland sichern - die Hälfte der Anbaufläche des Landes. Das Land soll zur Maisproduktion für den Rückexport nach Südkorea genutzt werden. Deawoo behauptet, dass dies Südkorea bei der Erhaltung der Nahrungssicherheit helfen würde, aber viele Koreaner sehen das anders.


In einem Interview mit der internationalen Nichtregierungsorganisation GRAIN [1] sagt Han Young Me von der Vereinigung koreanischer Bäuerinnen (Korean Women Peasants Association, KWPA): "Die Regierung sollte sich lieber Gedanken über die Sicherung der Selbstversorgung in Korea selbst machen, anstatt über Übersee-Projekte nachzudenken. Und sie sollte Seite an Seite zusammen mit den Bauern arbeiten. Doch die Regierung tut dies nicht, und in 2008 sank unser Grad der Selbstversorgung. Wenn man auf die Felder geht, sieht man, wie Bauern Teile ihrer Ernte verrotten lassen müssen, da sie keinen Markt finden, um ihre Produkte verkaufen zu können."

Was in Madagaskar geschieht ist Teil eines globalen Trends. In einem im Oktober 2008 veröffentlichten Bericht [2] beschreibt GRAIN, wie viele Nationen - China, Japan, Saudi Arabien, Kuwait und andere - auf der Suche nach fruchtbarem Land für die Produktion von Nahrungsmitteln oder Agrartreibstoffen den Globus durchforsten. Nicht nur die schiere Größenordnung der Deals erweckt Aufsehen - manche betreffen mehr als 400.000 Hektar Ackerland -, sondern auch die den Transaktionen zu Grunde liegende Logik. Denn dieses Land wird nicht in erster Linie erworben, um Nahrungsmittel am Weltmarkt zu verkaufen oder die lokale Bevölkerung zu ernähren. Diese Ernten sollen an die Nation, die das Land erworben hat, zurückgeschickt werden. Indem sie ihre wirtschaftliche Schlagkraft benutzt, übernimmt die investierende Nation das Land und mit ihm die Fruchtbarkeit des Bodens und das Wasser, das zur Kultivierung der Felder nötig ist - damit die Menschen zu Hause Nahrung zum Essen und Treibstoff für ihre Autos haben. Dies ist eine moderne Version des 'Wettlaufs um Afrika' im 19. Jahrhundert.

Es ist nicht schwer zu erkennen, was diese Jagd nach Land antreibt. Weitgehend entstammt sie der globalen Finanzkrise, mit der die weltweite Nahrungsmittelkrise verbunden ist. Zwei parallele Konzepte treiben dieses Jagdfieber an. Zum einen die Nahrungsmittelsicherheit: Eine Reihe von Ländern, die von Nahrungsmittelimporten abhängen und sich über weniger Angebot auf dem Weltmarkt sorgen, versuchen, ihre heimische Nahrungsmittelproduktion mittels Kontrolle über Farmen in anderen Ländern auszulagern. Saudi Arabien, Japan, China, Korea, Libyen und Ägypten fallen alle in diese Kategorie. Seit März 2008 sind hochrangige Beamte auf diplomatischer Schatzsuche nach fruchtbarem Ackerland in Ländern wie Uganda, Brasilien, Kambodscha, Sudan und Pakistan. Zum anderen winken finanzielle Erträge. Durch die aktuelle finanzielle Kernschmelze wenden sich die unterschiedlichsten Akteuren aus der Finanz- und Nahrungsmittelindustrie (Rentenversicherungsunternehmen, private Aktienfonds auf der Suche nach schnellem Gewinn, durch den nun eingebrochenen Markt für Derivate angetriebene Hedgefonds oder Getreidehändler auf der Suche nach neuen Wachstumsstrategien) dem Land als eine neue Quelle für Profit zu - für die Nahrungsmittel- wie auch die Treibstoffproduktion.

Obwohl die Motive unterschiedlich sein mögen, die Richtung, welche diese Entwicklung vorgibt, ist die gleiche: ausländische Privatunternehmen erhalten eine neue Art der Kontrolle über Ackerland, um Nahrungsmittel nicht für die lokalen Gemeinden zu produzieren, sondern für irgend jemand anderen. Wer sagt da, dass Kolonialismus der Vergangenheit angehört?


Was hat das alles zu bedeutet?

Als eine offensichtliche Konsequenz der globalen Jagd nach Land werden Arbeiter, Bauern und lokale Gemeinden unweigerlich den Zugang zu Land für ihre eigene Nahrungsmittelproduktion verlieren. Die Grundvoraussetzung zur Bildung von Ernährungssouveränität wird einfach verhökert. Und es geht dabei nicht nur um die fragwürdige Entwicklung. Fremden die Kontrolle über das eigene Ackerland zu geben. Es geht auch um die Umstrukturierung des landwirtschaftlichen Sektors an sich. Diese Landflächen werden von kleinbäuerlichen Farmen, Wäldern oder was auch immer in große, mit weit entfernten Märkten verbundene Industrieareale umgewandelt. Bauern werden nie mehr wieder wirklich Bauern sein, Job hin oder her.

Die Autorin Mitarbeiter der Nichtgerierungsorganisation GRAIN.


Anmerkungen:

[1] Interview mit Han Young Me, Chief of Policy, Korean Women Peasants Association (KWPA) Daegu, South Korea, 4 December 2008, verfügbar als Transkript und in Audio.
http://www.grain.org/videos/?id-194

[2] GRAIN Briefing, Seized: The 2008 land grab tor food and financial security mit einer Liste im Anhang von über 100 Fällen von Landnahme für ausgelagerte Nahrungsmittelproduktion, Oktober 2008.
http://www.grain.org/briefings/?id-212


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2009, S. 6
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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Einzelpreis: 4,50 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2009