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BERICHT/197: Eine konzertierte Aktion - Wie die EU Verhandlungen mehr Druck verleiht (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 3/2009
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Eine konzertierte Aktion
Wie die EU Verhandlungen mehr Druck verleiht

Von Hein Möllers


Im März 2009 war eine verdeckte und raffinierte Aktion der Generaldirektion für Handel der EU-Kommission im Zusammenhang mit Abkommen über Wirtschaftspartnerschaften (EPA) bekannt geworden. Die EU betrieb und finanzierte zu einem guten Teil schon seit Jahren eine Public Privat Partnership eigener Art im südlichen Afrika, um den Verhandlungen mehr Druck zu verleihen. Informiert hatte darüber die Corporate Europe Observatory, eine Nichtregierungsorganisation in Amsterdam. Sie stützte sich dabei auf Dokumente des Handelsdepartments der EU-Kommission, die nach dem europäischen Informationsgesetz öffentlich zugänglich sind.


Am 1. August 2005 erhielt Nick Charalambides eine Mail aus Brüssel. Absender war Ivano Casella, Verhandlungsführer der Europäischen Union mit der SADC-Gruppe (Southern African Community) um ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA). Charalambides war sein ehemaliger Mitarbeiter im EU-Direktorat Handel, 2005 lebte und arbeitete er als freier Berater in Botswana. Casella bat ihn, Kontakte mit Wirtschaftsgruppen und Farmerverbänden der Region aufzunehmen und in Fragen betreffs EPA an einen Tisch zu bringen: "Es geht um Lobby-Arbeit". Je zielgerichteter und geschlossener die Unternehmerschaft gegenüber ihren Regierungen zugunsten von EPAs nach EU-Vorstellungen auftrete, umso größer dürfte der Druck auf Politiker und Regierungsbehörden sein, auf sie einzugehen. " They have to learn it. Es hat bei Mercosur (südamerikanische Gemeinschaft) geklappt, es gibt keinen Grund, warum es hier nicht funktionieren sollte."

Charalambides machte sich an die Arbeit. Um sicherzugehen, entwarf Casella ein Arbeitspapier. Darin wurden die Strukturen und Kernaufgaben eines zukünftigen Forums formuliert. In der Begründung für ein gemeinsames Vorgehen hob Casella hervor, ein regionales Business Forum habe die einzigartige Chance, auf die Gestaltung der EU-SADC-Verhandlungen nachhaltig Einfluss zu nehmen, da ein solches Forum den "Regierungen gegenüber mit einer Stimme sprechen" könne.

Charalambides hat gute Arbeit geleistet. Die Wirtschaftsverbände ließen sich vor den europäischen Karren spannen. Das bekam etwa Wallie Roux zu spüren. Roux war Wirtschaftsberater des namibischen Fleischkonzerns Meatco. In einem öffentlichen Vortrag Anfang 2007 äußerte er sich kritisch zu den EPAs und warnte ausdrücklich vor einem Abschluss in der vorliegenden Form. Er wurde umgehend vor die Tür gesetzt. Damals wurde sofort der Verdacht geäußert, die Entlassung sei auf Veranlassung der EU erfolgt. Die EU-Vertreterin in Namibia wies diesen Vorwurf zurück, wahrscheinlich zu Recht, denn eine unmittelbare Intervention war wohl nicht mehr vonnöten.

Als die namibische Regierung sich Ende November 2007 - wenige Wochen vor dem vorgesehenen Abschluss der EPA - weigerte, ein EPA oder, auch nur ein Interimsabkommen unter den von der EU vorgelegten Bedingungen zu unterschreiben, machten die namibischen Wirtschafts- und Farmerverbände Druck. Nur mit Mühe konnte die Regierung sich dieser Erpressung erwehren. Sie unterzeichnete in letzter Minute ein Interimsabkommen, in dem sie ihre Vorbehalte in einem Anhang zu Protokoll gab: Damit dürfe jedoch ein endgültiges Abkommen nicht präjudiziert werden.

Die EU-Kommission reagierte auf die Bekanntmachung ihrer "konzertierten Aktion". Im Januar 2009 erließ die Generaldirektion Handel neue Richtlinien für den Umgang mit der Regulation 1049. Die Brüsseler Online-Zeitung euobserver berichtete darüber in ihrer Ausgabe vom 9. April. Das Vademecum on Access to Documents mahnt die Beamten dringlich, sehr sorgfältig Protokolle und E-Mails zu verfassen und in Einzelheiten Zurückhaltung zu üben. Bei der Formulierung sei stets daran zu denken, dass diese Schriftstücke öffentlich einsehbar würden. Notfalls seien zwei Versionen zu verfassen: Eine "rein faktische" oder neutrale für die Öffentlichkeit und eine "persönlich/subjektive", die im Schrank bleibt und für den internen Gebrauch gedacht ist. Zurückhaltung sei vor allem geboten, heißt es im Vademecum, "bei Protokollen von Treffen oder E-Mails mit Dritten (z.B. Industrie), die vorzugsweise - vor allem von NRO - nachgefragt werden."


Hein Möllers, Ethnologe, ist Geschäftsführer und verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift afrika süd.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 3/2009, Juni 2009, S. 9
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2010