Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → FIAN

BERICHT/208: Eine Grüne Allianz zwischen wem? (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2010
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Eine Grüne Allianz zwischen wem?
AGRA, multinationale Konzerne und der Aufbau lokaler Vertriebsstrukturen

Von Benjamin Luig


Bei ihrem Versuch, die technologische Infrastruktur des afrikanischen Agrarsektors umzukrempeln, setzen die Gates- und Rockefeller-Stiftungen mit ihrer Allianz für eine Grüne Revolution primär auf private Partner. Doch der formulierten Absicht, bei der Implementierung african based partnerships anzustreben, stehen die Interessen und die weit reichende Einflussnahme mächtiger Saatgut- und Düngerproduzenten entgegen.


Beeindruckende Summen wendet die Alliance for a Green Revolution in Africa (AGRA) derzeit auf, um Saatgut-, Dünger- und Pestizid-Märkte aus dem Boden zu stampfen. 370 Millionen US-Dollar hat die Allianz veranschlagt, um afrikanische WissenschaftlerInnen in der Pflanzenzucht auszubilden, Agro-Unternehmen zu subventionieren, ein Kontinent umspannendes Netzwerk von SaatguthändlerInnen zu bilden und schließlich Kredite an Bauern zu vergeben, welche die selbst geschaffenen Produkte kaufen sollen. Statt auf die Ausbildung von Bauern wird also auf die Ausbildung von ChemikerInnen, BiologInnen und HändlerInnen gesetzt. Bauern und Bäuerinnen sollen Input-Märkte geboten werden. 1.000 neue und verbesserte Saatgutsorten hat AGRA für die nächsten Jahre angekündigt. Neben Reis zielt die Forschung dabei vor allem auf klassische Subsistenzfrüchte, die bislang nur in geringem Maße gehandelt werden, wie Hirse, Bohnen und Maniok. Doch wer forscht? Und wessen Saatgut wird gehandelt?

AGRA versprach bislang, gezielt kleinere afrikanische Unternehmen wie Dryland Seed Ltd. in Kenia oder Funwe Farm Ltd. in Malawi zu unterstützen. Zugleich aber bleibt die Rolle multinationaler Konzerne unklar. Personell sind Großkonzerne und AGRA eng ineinander verwoben. Robert Horsch, einer der strategischen Köpfe der Gates-Stiftung, war bislang Vizepräsident für Produktkooperationen bei Monsanto. Pedro Sanchez, Direktor für tropische Agrarwirtschaft des Earth-Instituts, dem wichtigsten AGRA-Think-tank, sitzt zugleich im Aufsichtsrat des norwegischen Dünger-Giganten Yara. Erst vor wenigen Monaten teilte die Allianz offiziell mit, man "kooperiere derzeit nicht mit multinationalen Unternehmen, werde dies in Zukunft aber tun, falls ein klarer und überzeugender Vorteil für Kleinbauern auszumachen" sei. (1) Die Aussage Kofi Annans unmittelbar nach seiner Ernennung zum Vorsitzenden im Juli 2007, AGRA werde kein gentechnisch verändertes Saatgut fördern, wurde wenige Wochen später offiziell relativiert. Die Rockefeller- und Gates-Stiftungen finanzieren seit Jahren biotechnische Forschung. Bereits 2013 wollen Gates und Monsanto einen "Water Efficient Maize for Africa" patentieren lassen. Auch von der US-amerikanischen Entwicklungshilfe finanzierte Projekte zur Entwicklung von gentechnisch veränderten Bananen, Kartoffeln und Tomaten - allesamt 'für' Afrika - sind in der Warteschleife.

Afrikas KleinbäuerInnen stellen fraglos ein lukratives Marktsegment für das Agrobusiness dar, den breiten 'Boden der Kundenpyramide'. Durch Aufkäufe von kleinen Saatgutunternehmen und die graduelle Aufstockung der eigenen Forschung vor Ort kontrolliert Monsanto schon heute über 40 Prozent des Marktes für Maissaatgut in Südafrika. Doch Monsanto ist nicht allein. Die durch AGRA aufgebauten Marktstrukturen könnten und werden auch anderen Konzernen Kanäle bieten, um an neue 'Kleinstkunden' heranzukommen. Sichtbar wird dies zunehmend in Kenia, dem wichtigsten Pilotland der grünen Revolution. Veronica Kingoo, Besitzerin des Nduki-Agrochemie Shops in Machakos, berichtet: "Wir arbeiten mit Saatgut von Syngenta, Bayer, Seminis und Monsanto und mit Dünger von Yara. Syngenta hilft uns bei der technischen Ausbildung und wirbt bei Kunden für uns." (2)

Fraglos ist es wichtig, KleinbäuerInnen den Zugang zu Saatgut und Dünger zu erleichtern. Dies muss jedoch auf Basis der lokalen Gegebenheiten geschehen und darf nicht in einer Entmündigung wie etwa durch den Verlust der Kontrolle über das Saatgut enden. Die Vorstöße AGRAs, Länder wie Ghana, Kenia oder Uganda mit einem fertigen Technologiepaket zu versorgen und mit Saatgut-, Dünger- und Pestizidmärkten zu überziehen, sind hingegen gefährlich. Es muss die Frage gestellt werden, welche Inputgüter eigentlich produziert werden, wer über sie verfügt und wer die Märkte kontrolliert. Ohne jegliches Monitoring und weitgehend an staatlichen Institutionen vorbei bergen die von AGRA installierten Kanäle das Risiko, Biodiversität zu zerstören und das Recht auf Nahrung zu verletzen. Es besteht die Gefahr, dass Bauern und Bäuerinnen die Kontrolle über Saatgut und Dünger entzogen wird, was dann Konzerne wie Syngenta oder Monsanto dazu nutzen, sich neue Märkte für Hybrid- und Gensaatgut zu erschließen. AGRA droht, das trojanische Pferd des Agrobusiness auf dem afrikanischen Kontinent zu werden. Benjamin Luig ist Wirtschaftshistoriker und im FIAN-Arbeitskreis Agrar aktiv.


Anmerkungen:

(1) AGRA (2009), Audit Report and Financial Statements for the Year 2008. Ernst & Young,
www.agra-alliance.org

(2) Sam Moyo et al. (2009), Assessing the Alliance for a Green Revolution in Africa, ActionAid.


*


Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2010, März 2010, S. 11
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel. 0221/702 00 72, Fax 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de

Erscheinungsweise: drei Ausgaben/Jahr
Einzelpreis: 4,50 Euro
Abonnementpreis: Standardabo 15,- Euro,
Förderabo 30,- Euro (Ausland zzgl. 10,- Euro)


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2010