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BERICHT/230: Klimawandel und Menschenrechte - Trippelschritte vorwärts in Cancún (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2011
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

Klimawandel und Menschenrechte: Trippelschritte vorwärts in Cancún

Von Wolfgang Sterk


Nach einer weiteren Nachtsitzung in der Geschichte der internationalen Klimaverhandlungen endete die Klimakonferenz in Cancún am 11. Dezember morgens um 3:30 Uhr mit einer nicht mehr erwarteten Einigung. Die Konferenz hatte vor allem auf Grund der harten Haltung wesentlicher Industriestaaten lange am Rande des Scheiterns gestanden. Die letztendliche Einigung rettet jedoch vor allem den UN-Prozess selbst. Hätte es ein weiteres Scheitern wie in Kopenhagen gegeben, wäre der Prozess zwar nicht gestorben, aber vermutlich zu Gunsten kleinerer Runden wie der G20 an den Rand gedrängt worden. Gemessen an dem, was erforderlich wäre, um den Klimawandel effektiv zu bekämpfen, ist das Ergebnis von Cancún allerdings deutlich zu schwach. Es wurden einige Grundsteine gelegt, beispielsweise ein neuer Fonds zur Unterstützung der Entwicklungsländer. Auch haben nun alle großen Staaten ihre Angebote auf UN-Papier niedergelegt, um wie viel sie gewillt sind, bis 2020 ihre Emissionen zu reduzieren. Allerdings sind diese Angebote noch deutlich zu schwach und es ist auch noch völlig unklar, welche juristische Form ein zukünftiges Abkommen haben soll. Die Hauptursache hierfür ist die innenpolitisch bedingte Unfähigkeit der USA, verbindliche Angebote auf den Tisch zu legen, gekoppelt mit dem Beharren der anderen Staaten, die USA mit im Boot haben zu wollen.


Auch mit Bezug auf die Menschenrechte hat es einige, wenn auch nur kleine Fortschritte gegeben. Obwohl der Klimawandel bereits heute sichtbare Auswirkungen auf die Umsetzbarkeit der Menschenrechte hat, werden diese mit keiner Silbe in den Klimaschutzverträgen erwähnt, weder in der Klimarahmenkonvention, noch im Kyoto-Protokoll. Auch ansonsten gab es in den Klimaverhandlungen bisher keinerlei Anerkenntnis der Verbindung zwischen Klimawandel und Menschenrechten. Dies hat sich in Cancún nun geändert. Zum einen nehmen die "Cancún Agreements" die Resolution 10/4 des UN-Menschenrechtsrats zur Kenntnis, derzufolge der Klimawandel eine ganze Bandbreite von direkten und indirekten Auswirkungen auf die Menschenrechte hat. Des Weiteren hält das Dokument fest, dass die Vertragsstaaten die Menschenrechte in all ihren Klima-bezogenen Maßnahmen respektieren sollten. Das heißt, die Staaten sind aufgefordert, Sorge zu tragen, dass ihre Klimaschutzmaßnahmen nicht zu Menschenrechtsverletzungen führen. Auch enthält das Dokument im Kapitel zu Waldschutz einen Bezug auf die UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker.

Allerdings sind all diese Bezüge nur schwach und unverbindlich. Etwas "zur Kenntnis zu nehmen" beinhaltet keinerlei juristische Implikation. Auch ist die Passage zur Respektierung der Menschenrechte in Klimabezogenen Maßnahmen nur mit dem unverbindlichen "should" formuliert anstatt mit dem verbindlichen "shall." Der Bezug zur UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker ist sogar nur indirekt. Anstatt sie zur Grundlage von Waldschutzmaßnahmen zu machen, wird zur Kenntnis genommen, dass die UN-Generalversammlung die Erklärung verabschiedet hat. Auch das Konzept des free, prior and informed consent wurde nicht verankert. Stattdessen spricht der Text von der "full and effective participation of relevant stakeholders".

Zusammenfassend lässt sich feststellen: es ist als Fortschritt zu werten, dass zum ersten Mal überhaupt in den Klimaverhandlungen die Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschenrechte anerkannt worden sind. Auch ist zum ersten Mal das Prinzip anerkannt worden, dass Klimaschutzmaßnahmen keine negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte haben sollen. Allerdings sind diese Bezüge genauso schwach wie der Rest des Textes. Insofern hat die Staatengemeinschaft noch einen sehr langen Weg vor sich, nicht nur beim Klimaschutz, sondern auch bei der Respektierung der Menschenrechte innerhalb des Klimaschutzes.

Wolfgang Sterk ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender von FIAN Deutschland.


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2011, April 2010, S. 13
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2011