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BERICHT/233: Land Grabbing war DAS Thema auf dem Weltsozialforum (FoodFirst)


FoodFirst Nr. 1/2011
FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte

"Wir haben alle die Pflicht, Widerstand zu leisten" Land Grabbing war DAS Thema auf dem Weltsozialforum

Von Roman Herre


Das Weltsozialforum dient oft als ein Anzeiger für die Dringlichkeit und Relevanz von Themen im Rahmen globaler Entwicklungen. Und Land Grabbing - der globale Ausverkauf von Ackerland - war eines der großen Themen auf dem diesjährigen Weltsozialforum in Dakar, Senegal. Das Thema mobilisierte die unterschiedlichsten Akteure. Soziale Bewegungen, religiöse Gruppen, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen haben während der einwöchigen Zusammenkunft eine Vielzahl von Aktivitäten, von Strategietreffen über Workshops bis zu Versammlungen und öffentlichen Aktionen durchgeführt.


Eine der zentralen Veranstaltungen wurde vom westafrikanischen Bauernnetzwerkes ROPPA und dem globalen Netzwerk La Via Campesina auf der Landwirtschaftsmesse FIARA organisiert. FIAN unterstützte die Veranstaltung, auf der vor allem Strategien diskutiert wurden, wie man dieser Entwicklung entgegentreten kann. So hob der Präsident von ROPPA, Djibo Bagna, in seiner Eröffnungsrede hervor, welch zentrale Bedeutung die Sensibilisierung der breiten Bevölkerung hat. Die Auswirkungen dieses globalen Aneignungsprozesses treffen zwar zuallererst Kleinbauern und -bäuerinnen, NomadInnen und FischerInnen. Die umfassende und aggressive Umstrukturierung des ländlichen Raums von einer bäuerlichen hin zu einer industriellen Landwirtschaft stellt zugleich eine Bedrohung für alle dar. Die Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten steigt so in vielen Ländern an und der Verlust der Lebensgrundlage beschleunigt die Migration in die Städte. Bagna rief zu gemeinsamen und koordinierten Aktionen in den verschiedensten Bereichen auf: Informationsaustausch, Recherche, Pressearbeit und Fälle vor Gericht bringen.

Auf der Veranstaltung berichteten betroffene Bauern und Bäuerinnen aus Mosambik, der Demokratischen Republik Kongo und Indonesien von Menschenrechtsverletzungen im Zuge des Landraubs. Besonders einprägsam waren die Berichte einer Delegation aus dem Office de Niger. Dies ist eine Region in Mali, in der Land Grabbing besonders um sich greift. Die Bauern beschrieben, wie alleine der Bau eines Bewässerungskanals, welcher im Vorfeld eines großflächigen Landtransfers angelegt wurde, zur Zerstörung von Häusern und Ackerflächen von etwa sechzig Familien führte. Auch der Zugang zum Fluss Niger und damit der Zugang zu Wasser wurde erschwert. Dies trifft die Frauen besonders hart, da der Fluss ihre Lebensgrundlage darstellt. Die Delegation berichtete zudem auf den verschiedensten Veranstaltungen über ihre Erfahrungen beim Aufbau und der Koordination von Widerstand - lokal und auf nationaler Ebene. Auch die katholischen Netzwerke und Organisationen veranstalteten einen dreitägigen Workshop vor den Toren Dakars zum Thema Land Grabbing. Dort erarbeiteten etwa 60 TeilnehmerInnen aus 25 Ländern rund um den Globus Strategien um die Opfer von Land Grabbing besser zu unterstützen. FIAN war auch hier an der Organisation und Durchführung beteiligt. In der dortigen Abschlusserklärung ("Mbour Erklärung") verurteilten sie den aktuellen Landraub scharf und verpflichteten sich, verstärkt gegen Land Grabbing im eigenen Land vorzugehen. Wichtig war ihre Zusage, sich gerade in Konfliktsituationen klar an die Seite betroffener Gemeinden zu stellen und ihnen so zusätzlichen Schutz vor Kriminalisierung und Unterdrückung zu geben.

Auf Anregung französischer Nichtregierungsorganisationen (NRO) wurde auf verschiedenen Strategietreffen versucht, eine gemeinsame Position zu erarbeiten. Grundlage der Diskussion war die zivilgesellschaftliche Position, die während des Welternährungsgipfels im Oktober 2010 in Rom erarbeitet worden war. Unter der Leitung von La Via Campesina und ROPPA und unterstützt durch FIAN, Friends of the Earth und weiteren NRO wurde in einer abschließenden Versammlung mit über 300 TeilnehmerInnen die Dakar-Erklärung diskutiert und verabschiedet (*). Die Erklärung soll, insbesondere als ein Instrument begriffen werden, mit dem eine breite zivilgesellschaftliche Allianz geschmiedet und die Bevölkerung mobilisiert werden kann. Auch Privatpersonen können diese Erklärung unterzeichnen. Christian Roqueirol, ein Bauer aus Frankreich brachte es auf den Punkt: "Wir haben alle die Pflicht, Widerstand zu leisten und die Gemeinschaften zu unterstützen, die für ihre Würde kämpfen!"


Weitere Informationen dazu auf www.fian.de

Roman Herre ist Agrar-Referent bei FIAN Deutschland.


(*) Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Siehe hierzu folgenden Artikel unter:
SCHATTENBLICK -> INFOPOOL -> BÜRGER/GESELLSCHAFT -> FIAN
BERICHT/231: Dakar-Erklärung gegen Landraub (FoodFirst)


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Quelle:
FoodFirst - FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Menschenrechte, Nr. 1/2011, April 2010, S. 14
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2011