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MELDUNG/110: Die "falschen Versprechen" der Bioökonomie - Berlin-Konferenz setzt falsche Schwerpunkte


Fian - Pressemitteilung vom 27.11.2015
Internationale Menschenrechtsorganisation für das Recht, sich zu ernähren

Die "falschen Versprechen" der Bioökonomie

Berlin-Konferenz setzt falsche Schwerpunkte


27. November 2015 - Berlin, Köln und Amsterdam. Anlässlich des gestern beendeten Global Bioeconomy Summit (GBS2015; 24.-26. November 2015) in Berlin, fordert ein Europäisches Bündnis von kleinbäuerlichen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen aus dem Bereich Entwicklung, Umwelt und Menschenrechte einen grundlegenden Kurswechsel der offiziellen Bioökonomie-Strategien, die von der EU und einigen ihrer Mitgliedsländer vorangetrieben werden. Das Bündnis kritisiert, dass solche Strategien, so wie sie auf in Berlin präsentiert wurden, das Risiko von kontraproduktiven "falschen Lösungen" für die globale Klima-, Energie- und Ernährungskrise in sich bergen, die insbesondere im Globalen Süden Umwelt- und Ressourcenkonflikte verschärfen können. Zwar verspricht die Bioökonomie die nachhaltige Umstellung der Produktion und Weltwirtschaft weg von der Abhängigkeit von fossilen Ressourcen hin zu einer biobasierten stofflichen Grundlage. Doch die Art von Bioökonomie, die in Berlin präsentiert und im Abschluss-Communiqué festgehalten wurde, ist eher ein "krisenverschärfendes Programm, das die Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen transnationaler Konzerne befördert und dazu beiträgt, die globale ökologische Krise wie soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten zu verschärfen", warnt Jan Dunkhorst vom FDCL.

Die Fixierung auf Hochtechnologien und Innovationen als Kern der Lösung der vielfältigen Entwicklungsprobleme - wie Armut, Hunger, Umweltzerstörung und Klimawandel - ignoriert die Perspektive und Lösungsansätze derjenigen, die am stärksten von diesen Problemen betroffen sind. Für Roman Herre von FIAN Deutschland ist "dies ein Déjà-Vu-Erlebnis. Bereits in den 2000ern unterstützten Politiker und die Industrie Agrartreibstoffe. Der erwartete große Nutzen für die Umwelt blieb jedoch aus und versprochene wirtschaftlichen Chancen für Kleinbauern und -bäuerinnen entwickelten sich zu einem Desaster namens globaler Landraub."

Während der Diskussionen des Bioeconomy Summit wurden die extrem ungleichen Zugangsmöglichkeiten zu natürlichen Ressourcen sowie die Produktions- und Konsummuster nicht in Frage gestellt. Gleichwohl liegt darin jedoch die Ursache für die globalen ökologischen Problemlagen wie auch für den Hunger in der Welt. Stattdessen hoben die Debatten darauf ab, bioökonomische Lösungen finden zu können, um diesen nicht-nachhaltigen Lebensstil sowie das Wachstumsparadigma ungebrochen fortschreiben zu können. Das Transnational Institute stellt heraus, dass diese Sichtweise "agrarische und natürliche Ressourcen als unendliche Güter darstellt, die fortlaufend nachwachsen und geerntet werden können, was jedoch zur Übernutzung natürlicher Ressourcen, Wasserverschmutzung und Bodenverarmung beitragen kann."

Ein strategisches Ziel der Berliner Konferenz war es, Bioökonomie als umfassende Lösung in den bevorstehenden Klimagipfel COP21 in Paris einzubringen. Im Kontext der massiven Unterstützung der Bioökonomie, wie beispielsweise durch das EU-Programm "Horizon 2020", in dem allein 3,8 Milliarden Euros für die Bioökonomie-Förderung veranschlagt werden, fordert die Hands on the Land Alliance von politischen Entscheidungsträgern ein klares Bekenntnis zur Umsetzung alternativer Visionen wie des Konzeptes der Ernährungssouveränität und agrarökologischer Ansätze. Wir verweisen auf die dringende Notwendigkeit einer grundlegenden Transformation des aktuellen globalen Ernährungssystems, das sich auf die Stärkung kleinbäuerlicher Landwirtschaft konzentrieren muss.


Hintergrundinformationen:
https://handsontheland.net/new-hands-on-the-land-publication-on-bioeconomy/
https://www.fdcl.org/publication/2015-11-01-biomasse-fuer-die-green-economy/

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FIAN (FoodFirst Informations- & Aktions-Netzwerk) ist die Internationale Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung mit Mitgliedern in 60 Ländern.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 27. November 2015
Herausgeber: FIAN-Deutschland e.V., Briedeler Straße 13, 50969 Köln
Tel.: 221/702 00 72, Fax: 0221/702 00 32
E-Mail: fian@fian.de
Internet: www.fian.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2015

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