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BERICHT/041: Keine "kleine Schwester" des Militärs


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden - pbi Rundbrief 01/07

Keine "kleine Schwester" des Militärs
Wider die militärische Umarmung von Friedens- und Menschenrechtsprojekten

Von Kathrin Vogler


Die Bundeswehr versucht immer öfter, sich mit zivilen Instrumenten zu ergänzen und zivile AkteurInnen in militär(polit)ische Strategien einzubinden. Für die Militärs bietet ziviles und humanitäres Engagement im Einsatzland massive Vorteile. Sie hoffen, damit ihre Sicherheit zu verbessern, die Motivation der Soldaten zu steigern und deren Leidensdruck angesichts von Armut und Kriegszerstörungen zu verringern.


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Für die zivilen Organisationen geht all das in die falsche Richtung. In den "Friedenspolitischen Richtlinien" vom Dezember 2003 hat der Dachverband 'Kooperation für den Frieden' formuliert: "Zivile Konfliktbearbeitung" (ZKB) ist der bewusste Einsatz nichtmilitärischer Mittel zur Vermeidung, Beilegung und Nachsorge gewaltsamer Auseinandersetzungen. (...) Der Grundgedanke ist die Suche nach Lösungen, die für alle Beteiligten eines Konflikts akzeptabel sind. Die ZKB ist von der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden und zu fördern, auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Auf keinen Fall sind ZKB-Maßnahmen in militärische Maßnahmen einzuordnen oder diesen unterzuordnen."

Aber genau dies bedeuten die neuen Methoden der Bundeswehr: die Aufnahme ziviler Konfliktbearbeitung in einen militärischen Kontext, eine Unterordnung unter militärische Denkweisen und Handlungsstrategien. Das bedeutet eine Entwertung von ZKB in ihrer Eigenständigkeit und Kreativität.

Für die Friedensbewegung ist ZKB ausdrücklich eine Alternative zu herkömmlicher militärischer "Sicherheitspolitik" und nicht lediglich eine Ergänzung. Gerade die aktuellen Herausforderungen für die deutsche und EU-Außenpolitik entziehen sich einer Bewältigung mit militärischen Mitteln. Der "Krieg gegen den Terror" ist ein Flop. Die Erfahrung lehrt vielmehr: Dort, wo Militär eingesetzt wird, verschlechtern sich die Bedingungen für zivile Einsätze internationaler Institutionen und für die Arbeit ausländischer NGOs massiv. Schon die Option eines Militäreinsatzes beeinträchtigt die zivilen Institutionen in ihrer Handlungsfähigkeit und Effektivität.

Eigenständigkeit ist für den friedenspolitischen Nutzen ziviler Methoden und Instrumente zentral, für Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen ist sie sogar existenziell. Wenn sie von Konfliktparteien für parteiisch gehalten werden oder als Anhängsel von Interventionstruppen auftreten, gefährden sie das Leben ihrer MitarbeiterInnen und den Erfolg ihrer Arbeit. Bewaffnete Übergriffe auf fremde Militäreinheiten sind deutlich häufiger als auf zivile Kräfte. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen bekräftigte kürzlich nach einem tödlichen Angriff auf fünf Mitarbeiter in Afghanistan ihre strikt neutrale Haltung:

"Zivil-militärische Zusammenarbeit gibt es für uns nicht. Wer Bewachung braucht, weil ihn die Bevölkerung als Teil des Militärs ansieht, der ist nicht humanitär." (Ärzte ohne Grenzen, 2003)

Friedensorganisationen, die mit dem Militär zusammenarbeiten, verlieren ihre Glaubwürdigkeit: Wie sollen sie die Menschen in ihrem Einsatzland dazu ermutigen, ohne den scheinbaren "Schutz" der Gewalt zu leben, wenn sie offensichtlich selbst nicht darauf verzichten können? Friedensfachkräfte in Einsatzgebieten wie Jugoslawien oder Kosovo, wo deutsche Soldaten als Kriegspartei gewirkt und mannigfache Verwundungen hinterlassen haben, müssen besonders darauf achten, nicht als verlängerter Arm der Kriegspartei NATO wahrgenommen zu werden und so ihren Zugang zu weiten Teilen der Bevölkerung zu versperren.

Dabei spricht im Sinne gewaltfreier Konfliktbearbeitung nichts gegen ein offenes Aufeinanderzugehen, gegen einen Austausch von Erfahrungen und Meinungen und gegenseitige punktuelle Unterstützungsleistungen. Aber dem in Entstehung befindlichen neuen Welt- und Selbstbild der Bundeswehr als eigentliche Kraft der Krisenprävention und Konfliktbearbeitung ist entschieden entgegenzutreten.

Zivile NGOs sollten sich zu schade sein, am Selbstbild des Militärs mitzuwirken. Es ist nicht Aufgabe von ZKB, dort einzusteigen, wo militärische Mittel an ihre Grenzen stoßen. ihre Aufgabe ist es, eigenständig Gewalt vorzubeugen, Konflikte zu schlichten und Versöhnung zu fördern. Zivile Konfliktbearbeitung ist nicht die kleine Schwester der militärischen Intervention!

Kathrin Vogler ist Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und schreibt für die Zeitschrift "Friedens-Forum".

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin aus "FriedensForum" bis Ausgabe 1/2003. - pbi


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/07, Seite 11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2007