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BERICHT/048: Mutige Frauen im Kampf für Gerechtigkeit


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 01/08

Mutige Frauen im Kampf für Gerechtigkeit
Als Anwältin für die aufkeimende Zivilgesellschaft in Nepal
Die Mission von Kopila Adhikari und Advocacy Forum zum Schutz der Menschenrechte

Von Andrew Miller / Adam Muminovic


Mutige Frauen im Kampf für Gerechtigkeit ist das Schwerpunktthema dieses Rundbriefes. Nachdem innerhalb der letzten Monate zahlreiche Informationen und Berichte zu diesem Thema in der Redaktion eingegangen sind, haben wir uns für eine Ausweitung dieser Ausgabe von 16 auf 20 Seiten entschieden.

Bewaffnete Konflikte haben negative Folgen für beide Geschlechter. Es sind aber insbesondere die Frauen, die Opfer der zusammenbrechenden sozialen Strukturen werden. Weltweit sind 80% der Flüchtlinge und intern Vertriebenen Frauen und Kinder. In den meisten Krisen- und Kriegsgebieten werden Vergewaltigung und sexuelle Gewalt als Kriegswaffe gegen Frauen und Mädchen eingesetzt. Die Anzahl dieser Misshandlungen ist ansteigend.

Frauen sind aber nicht nur Opfer bewaffneter Konflikte, sondern auch wichtige Akteurinnen im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen. Viele Frauen engagieren sich für den Frieden. In der Gemeinschaft, in der Familie, in Frauengruppen, in Nichtregierungsorganisationen und auf der Straße verrichten sie ihre unspektakuläre alltägliche "Friedensarbeit". Nicht seiten werden sie für diese Arbeit bedroht, eingeschüchtert oder umgebracht.

Auf den Seiten 8-16 möchten wir die Arbeit von einigen engagierten Frauen stellvertretend für viele andere vorstellen. Wir berichten über die Arbeit von Kopila Adhikari, die in Nepal ein Zentrum zur Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen leitet; Marisela Ortíz fordert ein Ende der Frauenmorde in Mexiko, Sandra Morán erhebt ihre Stimme in Guatemala, Suciwati Munir kämpft um Aufklärung des Mordes an ihrem Ehemann in Indonesien, Sara Méndez berichtet über die Rolle der Frauen während des Aufstands in Oaxaca und Nohelia Tuberquia schildert die Situation von Frauen in einer Friedensgemeinde in Kolumbien.


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Das Mobiltelefon von Kopila Adhikari läutet unermüdlich. Täglich suchen Opfer des Bürgerkrieges ihren Rat. Die 28jährige Rechtsanwältin ist das Symbol einer neuen Generation von MenschenrechtsaktivistInnen in Nepal. Sie leitet das Dokumentationszentrum des Advocacy Forum, einer führenden Nichtregierungsorganisation des Landes. Advocacy Forum bietet unentgeltliche Rechtsberatung für Konflikt- und Folteropfer und kämpft für deren Rechte. Die Organisation überwacht die Bedingungen in Gefängnissen und setzt sich mittels nationaler und internationaler Netzwerkarbeit für Reformen des Justizsystems in Nepal ein. Derzeit bereitet Advocacy Forum zwölf Musterklagen im Falle schwerer Menschenrechtsvergehen vor, mit dem Ziel, die Straflosigkeit zu überwinden.


Tausende Fälle von Menschenrechtsverletzungen

"Es gibt Tausende Fälle von Menschenrechtsverletzungen in den Bezirken. Weil wir Ermittlungen in diesen Fällen einfordern, wird unsere Organisation als Feind betrachtet und nicht als Partner", erklärt Frau Adhikari. Da die Verantwortlichen der Menschenrechtsverletzungen oft wichtige Positionen in der Politik oder im Justizsystem innehaben, ist es für Advocacy Forum schwierig, diese Fälle überhaupt registrieren zu lassen. MitarbeiterInnen des Advocacy Forum erhielten Todesdrohungen, wurden entführt und auch misshandelt. Deshalb haben sie peace brigades international um Schutzbegleitung gebeten.

Aufgrund dieser und anderen Anfragen nepalesischer Organisationen hat pbi im Januar 2006 ein internationales Team mit Freiwilligen nach Nepal entsandt. Derzeit sind 6 Freiwillige in Kathmandu und in den ländlichen Regionen aktiv, um im Falle von Bedrohungen eine gewaltfreie, schützende Begleitung für die zivilgesellschaftlichen Gruppen zu bieten.

Die Präsenz internationaler AugenzeugenInnen vermag Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und gibt nepalesischen Organisationen wie dem Advocacy Forum einen Wirkungsraum, damit sie ihre Arbeit zum Schutz der Menschenrechte und für einen gerechten Frieden fortsetzen können. Das pbi-Team verstärkt seine gewaltabschreckende Wirkung durch den Aufbau und die Pflege eines weitläufigen Kontaktnetzes, denn Gewaltakteure scheuen das Licht der Öffentlichkeit. So unterhält pbi Beziehungen zu Konfliktparteien, Regierungsstellen, Botschaften, ParlamentarierInnen, internationalen und nationalen Organisationen, sowohl in Nepal als auch in Deutschland. Die Kontakte sind Teil eines internationalen Alarmnetzes, welches pbi im Falle von akuten Bedrohungen aktivieren kann und das wesentlich zur Wirksamkeit der Gewaltprävention in Nepal beiträgt.


"Wir fühlen uns sicherer, wenn pbi uns begleitet"

Unlängst wurde Kopila Adhikari im Fall von Anschuldigungen gegen einen Militäroffizier tätig. Als sie darauf bestand, dass der Fall aufgenommen werden müsse, wurde der Polizeibeamte wütend und demütigte sie. Daraufhin intensivierte pbi auf Bitte von Frau Adhikari die Begleitung und ist nun dabei, wenn sie Polizeistationen aufsucht. "Wir fühlen uns sicherer, wenn pbi uns begleitet, um die Fälle registrieren zu lassen. Beim letzten Mal zeigte mir der Beamte die Unterlagen, die mir bisher vorenthalten wurden, er war sehr höflich und behandelte mich wie eine Familienangehörige." Seit dem Friedensabkommen zwischen den maoistischen Rebellen und den royalistischen Regierungstruppen vom November 2006 hat sich die Menschenrechtssituation in Nepal verbessert, dennoch bleibt die Lage angespannt. Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte verweist auf das unverminderte Problem der Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen. So sind insbesondere Organisationen wie Advocacy Forum, welche die Aufarbeitung der blutigen Vergangenheit einfordern, Drohungen und Anfeindungen ausgesetzt. Im von 1994 bis 2006 anhaltenden Bürgerkrieg starben über 13.000 Menschen, 200.000 Menschen wurden vertrieben. Wie in allen Gewaltkonflikten kommen die Opfer insbesondere aus der Zivilbevölkerung. Organisieren sich diese Opfer heute und fordern Gerechtigkeit ein, so erfahren sie erneut Bedrohungen.

Neben der Begleitung gefährdeter Personen und Organisationen arbeitet auch ein internationaler Trainings-Koordinator für pbi in Nepal. Er bildet zusammen mit fünf nepalesischen TrainerInnen ein Team, das Workshops zum Thema Schutz und Sicherheitsvorkehrungen für Opfergruppen und für das Advocacy Forum anbietet. Die MenschenrechtsaktivistInnen lernen in diesen Workshops, wie sie im Falle von Bedrohungen eine Risikoanalyse durchführen oder sich gegen spezifische Formen der Gewalt besser schützen können. Außerdem lernen sie, Sicherheitspläne für ihre Organisationen zu entwickeln.


Gefahren für die sich entwickelnde Demokratie

Die Nachkriegsphase in Nepal ist voller Gefahren, eine politische Kultur muss erst aufgebaut werden. Immer wieder kommt es zu Gewaltausbrüchen in der südöstlichen Provinz Terai. Die Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung sind bereits zum dritten Mal verschoben worden und sollen nun im April 2008 stattfinden. Die aufkeimende Zivilgesellschaft und die sich entwickelnde Demokratie sind nach wie vor sehr bedroht, und so ist Nepal auf die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und eine kritische Öffentlichkeit angewiesen. - pbi


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Quelle:
pbi Rundbrief 01/08, S. 8
Herausgeber: pbi-Deutscher Zweig e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2008