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BERICHT/052: Gender Mainstreaming - Tradierte Rollen hinterfragen


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 02/08

Tradierte Rollen hinterfragen

Ein Gespräch mit Katharina Meier


KATHARINA MEIER hat 18 Monate im Kolumbienprojekt gearbeitet und ist jetzt Genderbeauftragte bei pbi-Deutschland. pbi-Mitarbeiter FELIX JAITNER hat mit ihr gesprochen.


PBI-RUNDBRIEF: Bis heute ist die mangelnde Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen weltweit ein Problem. Immer wieder fällt in diesem Zusammenhang der Begriff "Gender". Was bedeutet er?

KATHARINA MEIER: Der Begriff "Gender" bezieht sich auf beide Geschlechter in gleichem Maße. Es handelt sich um die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich überlieferten Verhaltensweisen von Frauen und Männern im privaten und im beruflichen Leben. Dies beinhaltet nicht nur die sozio-politische Herkunft von Frauen und Männern, sondern auch deren kulturelle Herkunft. Der Genderansatz bezieht beide Geschlechter in die Verantwortung ein und verleiht ihnen eine aktive Rolle.

PBI-RUNDBRIEF: Anfang 2007 startete pbi mit Hilfe des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) das Projekt "Gender Mainstreaming". Wie kam es dazu, und was sind seine Ziele?

KATHARINA MEIER: pbi versteht Gewaltlosigkeit nicht nur als Prozess, um direkte Gewalt zu beenden; sondern auch wesentlich als Prozess, die ungleichen Machtverhältnisse zu hinterfragen, die durch ethnische Herkunft, Gender-Identität und -Verhalten, Geschlecht, sexuelle Ausrichtung, Religion, Nationalität, Fähigkeiten und Klasse entstehen. In diesem Zusammenhang ist das Thema Gender ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von pbi. Das Thema ist für pbi nicht neu, da in den vergangenen Jahren vielfältige Initiativen und Mechanismen entwickelt wurden, um die Gleichstellung der Geschlechter in der Arbeit zu berücksichtigen. Aber pbi hat bis jetzt keine umfassend aktive Genderpolitik verfolgt. Der Gender-Ansatz soll durch das Projekt stärker in allen Ebenen der Organisation verankert werden.

pbi muss noch stärker darauf achten, wie sich die Gleichstellung der Geschlechter auf die Begleitarbeit im Projektland auswirkt. Die Geschlechterfrage beeinflusst zum Beispiel die Beziehung zu den Begleiteten, etwa in der Frage, ob Frauen eher als Vertrauenspersonen wahrgenommen werden oder nicht. Das wäre im Rahmen des Gender Mainstreaming zu klären.

PBI-RUNDBRIEF: Wieweit bemüht sich pbi darum, die Gesellschaft des Gastlandes ebenso wie die Projektpartner in dieser Frage zu sensibilisieren?

Das Projekt ist noch nicht in dem Maße ausgereift, dass wir schon von einer Sensibilisierung der Projektpartner durch pbi sprechen könnten. Doch pbi hat den Anspruch, mit seiner Arbeit die Gleichstellung der Geschlechter zu befördern und geschlechtsbezogene Diskriminierungen zu überwinden.

PBI-RUNDBRIEF: Aber widerspricht die Betonung der Genderproblematik für das Gastland nicht dem Prinzip der Nichteinmischung?

KATHARINA MEIER: Ein pbi-Ansatz der Geschlechtergerechtigkeit birgt das Problem, dass er mit den traditionellen Verhaltensweisen in der Kultur des Projektlandes nicht immer übereinstimmt oder ihm sogar entgegensteht. Mit diesem Problem sieht sich beispielsweise das Indonesien-Projekt konfrontiert. In dem vorrangig muslimischen Land gilt in der Provinz Aceh, im Norden Sumatras, das Gesetz der Scharia. Dort können Frauen durch die Scharia körperlich bestraft werden. Begleitete lokale Organisationen unterstützten das Gesetz der Scharia als ihrer Kultur und Religion zugehörig. Das Prinzip der Nichteinmischung steht hier dem Prinzip der Gewaltlosigkeit entgegen, denn eines der beiden Prinzipien wird auf jeden Fall verletzt. Unserer Einschätzung nach wird es hier ein Umdenken geben und pbi-Indonesien wird sich in solch einem Fall klar positionieren müssen.

PBI-RUNDBRIEF: Welche Erfolge gibt es bisher?

KATHARINA MEIER: pbi-Deutschland hat im letzten Jahr beispielsweise ein Gender-Weiterbildungsseminar angeboten. Genderaspekte werden in die Vorbereitung der Freiwilligen auf ihre Ausreise einbezogen. Auf internationaler Ebene arbeitet pbi an einer Gender-Richtlinie, die dieses Jahr verabschiedet werden soll. Und als nächstes tragen wir das Thema in die regionalen Arbeitsgruppen.


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Quelle:
pbi Rundbrief 02/08, S. 9
Herausgeber: pbi-Deutscher Zweig e.V.
Bahrenfelder Strasse 79, 22765 Hamburg
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Internet: www.pbi-deutschland.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2008