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BERICHT/064: Das pbi-Bildungsprojekt "Menschenrechte lernen & leben"


peace brigades international - Internationale Friedensbrigaden
pbi Rundbrief 03/10

Das pbi-Bildungsprojekt "Menschenrechte lernen & leben"

Möglichkeiten der gewaltfreien Konfliktlösung bekannt machen


Nicht nur in Konfliktgebieten sind Menschenrechte ein wichtiges Thema. Auch in Deutschland gibt es in diesem Punkt genug zu tun. Das pbi-Bildungsprojekt "Menschenrechte lernen & leben", das 2004 von pbi gegründet wurde, bietet Menschenrechtsbildung und Friedenserziehung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Rundbriefredakteurin Doris Erdmann sprach mit Paola Rosini, Koordinatorin des Projektes.


PBI-RUNDBRIEF: pbi ist als Organisation bekannt, die bedrohte Personen in Konfliktgebieten schützt. Advocacyarbeit erhöht diesen Schutz; Öffentlichkeitsarbeit erhöht die internationale Aufmerksamkeit. Und die Bildungsarbeit?

PAOLA ROSINI: Sie trägt dazu bei, das Bewusstsein für Zusammenhänge zu schärfen, die hinter Menschenrechtsverletzungen stehen. Darüber hinaus stößt sie eine Reflexion über das eigene Handlungspotential im Schutz der Menschenrechte an, die Voraussetzung für langfristige, positive Verhaltensänderungen ist.

PBI-RUNDBRIEF: Warum ist es so wichtig, auch in Deutschland Bildungsarbeit zum Thema Menschenrechte zu machen?

PAOLA ROSINI: Menschenrechte sind keine Selbstverständlichkeit; weder in fernen Konfliktgebieten, noch hier in Europa und Deutschland. Dementsprechend wichtig ist es, dafür einzutreten. Dazu gehört in erster Linie, die Menschenrechte möglichst bekannt und greifbar zu machen. Was sind sie und wie werden sie verletzt? Jedes Kind sowie jeder Erwachsene soll sich über seine Rechte als Mensch bewusst sein. Nur so kann er oder sie die eigenen Rechte und die der anderen auch verteidigen und zu deren Umsetzung beitragen.

PBI-RUNDBRIEF: Ist pbi die einzige Organisation, die solche Inhalte anbietet?

PAOLA ROSINI: Nein, zum Glück nicht. Viele Organisationen bieten Programme zur Menschenrechtsbildung an. Sie richten sich an die unterschiedlichsten Zielgruppen, von Kindern und Jugendlichen bis zur gesamten Bevölkerung. Viele Projekte haben sich thematische Schwerpunkte gesetzt, indem sie z.B. zu Kinderrechten arbeiten oder für die Rechte von Flüchtlingen eintreten.

PBI-RUNDBRIEF: Was ist das Besondere an den pbi-Workshops?

PAOLA ROSINI: Unser Hintergrund. Das Projekt "Menschenrechte lernen & leben" ist aus der langjährigen Erfahrung von pbi als internationale Menschenrechtsorganisation entstanden. Auf diese Erfahrung greifen wir immer zurück, wenn wir Workshops mit ehemaligen Freiwilligen aus den pbi-Projekten gestalten. Bei den Jugendlichen werden sie als wichtiges Bindeglied zwischen den MenschenrechtsverteidigerInnen in den Projekten und unserer eigenen westlichen Gesellschaft wahrgenommen. Im Gegensatz zu den negativen Effekten, die u.a. unser Konsumverhalten auf die Situation der Menschenrechte in anderen Ländern haben kann, verkörpern die Freiwilligen ein positives Beispiel. Sie sind politisch engagierte Menschen, die mit ihrer eigenen Motivation und ihrem Einsatz einen konkreten Beitrag leisten, um zivilgesellschaftliche Strukturen zu stärken und Menschenrechte zu schützen.

PBI-RUNDBRIEF: Finden die Workshops immer während der Unterrichtszeit statt? Oder gibt es auch noch andere Möglichkeiten?

PAOLA ROSINI: Die Workshops finden zum größten Teil an Schulen statt, meistens im Rahmen einer Doppelstunde oder eines Projekttages. Inhaltlich lassen sie sich in mehrere Fächer gut einbinden, v.a. im Politik-, Geographie- und Religionsunterricht. Doch unsere Angebote richten sich nicht nur an Schulen. In den letzten Jahren haben wir immer stärker auch andere Gruppen angesprochen, z.B. KonfirmandInnen oder internationale Jugendgruppen.

PBI-RUNDBRIEF: Für Kindergartenkinder und GrundschülerInnen gibt es Puppentheateraufführungen. Was passiert da genau?

PAOLA ROSINI: Anhand von Kleingeschichten werden Konflikte dargestellt, die mit Hilfe der Kinder ausgetragen und gelöst werden. Beim sehr beliebten Stück "Der Hase im Mond" streiten sich z.B. zwei Hasen um das Essen, das ihnen dann von einer Ratte geklaut wird. Auf der Suche nach der besten Lösung kommen die Hasen mit den Kindern ins Gespräch und können dank ihrer Hilfe verstehen, was sich hinter dem Konflikt verborgen hat. Doch das Wichtigste dabei ist der Transfer auf das Leben der Kinder. Haben sich die Hasen am Ende wieder vertragen, reflektiert das junge Publikum gemeinsam mit den PuppenspielerInnen, wie sie selbst in ihrem Alltag mit Konflikten umgehen und wie sie diese ohne Gewalt lösen können.

PBI-RUNDBRIEF: Und wie ist die Idee entstanden?

PAOLA ROSINI: Das Puppentheater von pbi kam ursprünglich aus Chiapas, Mexiko. Dort wurde es von einer Gruppe internationaler Freiwilliger entwickelt und als Methode eingesetzt, um verfeindete Dörfer wieder miteinander ins Gespräch zu bringen und den Dialog zwischen Konfliktparteien zu fördern. So wandte sich das Puppentheater damals hauptsächlich an Erwachsene. 2005 brachte Heike Kammer es dann nach Deutschland, wo sie auf große Begeisterung seitens der Schulen stieß. Obwohl wir damit nun ein anderes Publikum erreichen als in Chiapas, verfolgen wir immer noch das gleiche Ziel: Möglichkeiten der gewaltfreien Konfliktlösung bekannt zu machen.

PBI-RUNDBRIEF: Hat sich seit der Gründung des Projektes viel verändert?

PAOLA ROSINI: Dem ehrgeizigen Ziel, das wir uns mit dem Aufbau des Projektes gesetzt hatten, sind wir in den vielen Jahren auf jeden Fall näher gekommen. Wir wollten Menschenrechte unter Kindern und Jugendlichen bekannter machen und diese dazu bewegen, selbst für deren Schutz aktiv zu werden. Als wir die allerersten Schritte wagten, konzentrierten wir uns auf die Zielgruppe der OberstufenschülerInnen. Im Mittelpunkt der Workshops standen damals Erfahrungsberichte der ehemaligen Freiwilligen. In den letzten Jahren haben wir aber unsere Angebote sehr erweitert und auch Kinder und jüngere SchülerInnen mit neuen Konzepten angesprochen. Die nächste Herausforderung sehen wir gerade darin, Menschenrechtsbildung auch in der Lehrerausbildung und -fortbildung zu stärken. In Kooperation mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung haben wir in Hamburg bereits erste Schritte in diese Richtung eingeleitet und Workshops mit LehrerInnen und ReferendarInnen durchgeführt.

PBI-RUNDBRIEF: Du bist seit 2006 Koordinatorin des Bildungsprojektes. In den letzten Jahren hat sich das Projekt sehr weiterentwickelt. Worauf bist du besonders stolz?

PAOLA ROSINI: Was ich großartig finde, ist das Engagement, das hinter den Kulissen dieser Arbeit steckt. Ob ReferentInnen, ProjektmitarbeiterInnen, LehrerInnen oder andere KooperationspartnerInnen: was uns alle eint und bewegt, ist die Überzeugung, dass auch der kleinste Schritt wesentlich dafür ist, um das gemeinsame große Ziel umzusetzen. Stolz kann ich also auf den Weg sein, den wir durch die vielen kleinen Schritte bisher geschafft haben.

PBI-RUNDBRIEF: Das Projekt ist gut vernetzt mit AkteurInnen aus dem Bereich "Friedenspädagogik" und "Globales Lernen". Ihr habt zum Beispiel die "Tagung Friedenspädagogik", die einmal jährlich Hamburg stattfindet, mitgestaltet. Warum ist die Netzwerkarbeit so wichtig?

PAOLA ROSINI: Netzwerkarbeit gibt den verschiedensten AkteurInnen, die an einem bestimmten Thema arbeiten, die Möglichkeit, ihre Ressourcen zu bündeln und gemeinsam großartige Aktivitäten auf die Beine zu stellen. So schaffen sie wiederum mehr Sichtbarkeit für das Thema. Das Faszinierende daran ist das Zusammenspiel der vielen Stärken und Besonderheiten, die jede einzelne Organisation mitbringt. Das hilft einem dabei, das "eigene" Thema auch mal aus ganz anderen Blickwinkeln zu betrachten. Aus diesem Austausch entsteht meistens ein sehr kreativer und inspirierender Prozess.

PBI-RUNDBRIEF: Du gehst nun für zwei Jahre in Erziehungsurlaub und wirst von Heike Böttcher vertreten. Was wirst du am meisten an der Arbeit im Bildungsprojekt vermissen?

PAOLA ROSINI: Was mir am meisten Spaß macht, ist das Entwickeln und Umsetzen von neuen Ideen und Projekten. Dadurch, dass wir kein starres, festes Programm haben, sondern sehr stark bedarfs- und zielgruppenorientiert arbeiten, gestalten wir regelmäßig neue Konzepte, in die jedes Mal neue Ideen einfließen.

Vielen Dank für das Gespräch!


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Quelle:
pbi Rundbrief 03/10, S. 8-9
Herausgeber: pbi Deutscher Zweig e.V.
Harkotstr. 121, 22765 Hamburg
Tel.: 040/38 90 437, Fax: 040/38 90 437-29
E-Mail: info@pbi-deutschland.de,
Internet: www.pbi-deutschland.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2010