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BERICHT/157: Friedenskonferenz zur Sicherheitskonferenz (ZivilCourage)


ZivilCourage Nr. 2 - April 2007
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

Der größte Irrglaube unserer Zeit: die "Tina"-Formel

Von Tommy Rödl


Gegenveranstaltung zur Sicherheitskonferenz: Internationale Münchner Friedenskonferenz unter dem Motto "Frieden und Gerechtigkeit gestalten - Nein zum Krieg"

Die "Internationale Münchner Friedenskonferenz" vom 2. bis 10. Februar war zum wiederholten Mal die inhaltliche Gegenveranstaltung zur so genannten "Münchner Sicherheitskonferenz". Sie bestand aus einem internationalen Forum im Alten Rathaus, Diskussionsforen mit Referenten, einem Friedensgebet, einer jugendorientierten Veranstaltung des Kreisjugendrings und einer "aktuellen Runde" zu kritischen Kommentierung der Sicherheitskonferenz. Die Veranstaltungen waren gut besucht, beim internationalen Forum im alten Rathaus waren ca. 380, bei allen Veranstaltungen zusammen ca. 850 BesucherInnen.

Wir haben zwischenzeitlich ein "Stammpublikum", das über die Verteiler der Trägerkreis-Organisationen angesprochen wird. Es scheint so, dass der Zuspruch aus den Kreisen der noch aktiven oder ehemals aktiven Menschen der Friedensbewegung der Region relativ unabhängig vom jeweiligen Thema und den ReferentInnen und unabhängig von der Presseankündigung ist. Heuer waren aber bei den beiden großen Veranstaltungen auch viele "fremde" Gesichter und einige Jugendliche zu sehen - der Jugendclub Courage hatte mit einem gezielten Anschreiben SchülerInnen der Leistungskurse Geschichte an städtischen Gymnasien eingeladen.

Die DFG-VK hat, zusammen mit dem Helmut-Michael-Vogel-Bildungswerk, inzwischen eine zentrale Rolle als Mitträger der Konferenz erhalten, was Bürgermeister Monatzeder in seinem Grußwort ausdrücklich würdigte (vgl.www.friedenskonferenz.info). Aber natürlich ist die gute Zusammenarbeit der verschiedenen pazifistisch orientierten Gruppen im Trägerkreis eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen dieser Großveranstaltung. Neu dabei war in diesem Jahr der Bund Naturschutz.

Dieses Jahr hat der Trägerkreis die Frage aufgeworfen: Gibt es Wege zu Sicherheit ohne Militär? Ist nicht angesichts der gigantischen Massaker und Zerstörungen mit 100 Millionen Toten im 20. Jahrhundert der Militärapparat selbst das Problem?

Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen des Versöhnungsbundes, führte in das Thema ein und moderierte gewohnt kompetent. Er zitierte die evangelische Theologin und Friedenskämpferin Dorothee Sölle, die im Zusammenhang mit Krieg und Militäreinsätzen häufiger vom "Tina-Syndrom". gesprochen habe. "Tina" steht dabei als Abkürzung für "There is no Alternative" - Es gibt keine Alternative - zum Einsatz von Gewalt zur Regelung von Konflikten. Und sie bezeichnete dieses "Tina-Syndrom" als den größten Irrglauben unserer Zeit.

Prof. Johan Galtung, der neben der theoretischen Friedensforschung über viele Jahre praktischer Erfahrungen in der zivilen Konfliktbearbeitung verfügt, zeigte auf, dass es immer zwei Möglichkeiten gibt, auf Konflikte zu reagieren - die gewalttätige und die gewaltlose. Entscheidend sei die Fähigkeit, um Vergebung bitten zu können und selbstkritisch Fehler einzugestehen. So schlug er beispielsweise US-Präsident Bush vor, sich in einem kurzen Fernsehbeitrag für den von der CIA unterstützten Militärputsch 1953 im Iran zu entschuldigen und mit diesem mutigen Schritt einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und den arabischen und islamischen Staaten zu leisten.

Als Lösung für den Irak-Konflikt schlug er vor, in einer regionalen Sicherheitskonferenz (nach dem Vorbild der KSZE) einen Staatenbund mit offenen Grenzen zu schaffen, in dem die kurdischen, arabischen, sunnitischen und schiitischen Bevölkerungsteile autonom und gleichberechtigt zusammenleben könnten.

Die Republik Costa Rica hat 1948 die Armee per Verfassung verboten. Dr. Niehaus, Botschafter dieses Landes, sagte, die Abschaffung der Armee habe im Staatshaushalt Mittel freigesetzt, die in Bildung, Gesundheit und den Umweltschutz viel sinnvoller investiert werden konnten. Die Gesellschaft veränderte sich: Aus einem zentralen Gefängnis in San Jose machte man ein Museum für Kinder, und aus Kasernen wurden Wohnungen. So gäbe es im Land heute mehr Lehrer als Polizisten, so dass die Alphabetisierungsrate in Costa Rica die höchste in Lateinamerika sei.

Prof. Dürr, auch langjähriger Schirmherr der Konferenz, stellte in seinem Referat klar, dass wir eine gewaltfreie Kultur benötigen. Das Leben habe in 3,5 Milliarden Jahren gezeigt, dass es sich in Millionen Arten entwickeln und erhalten kann - und zwar durch Kooperation, und nicht durch Konkurrenz. Dies könne beim Menschen in Richtung des Geistes fortgesetzt werden. Hindernis sei der Glaube, zum Leben gehörende Konflikte durch Gewalt oder deren Androhung lösen zu wollen. Gewalt deute immer auf einen Mangel an Phantasie und Kreativität hin.

Der starke Beifall am Ende bewies, dass die Friedenskonferenz als Alternative zur Sicherheitskonferenz auch durch ihre hochrangigen Experten stetig an Bedeutung gewinnt. Schließlich wird durch sie deutlich, dass Sicherheit nicht durch militärische Gewalt erreichbar ist, sondern nach einer Kultur der Gewaltfreiheit verlangt.

Nach der Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz fand im Gewerkschaftshauses eine "Aktuelle Runde" statt. Anhand der Videoeinspielung von Ausschnitten der Beiträge der Kanzlerin und des russischen Präsidenten auf der "Sicherheits"konferenz stellten die Podiumsteilnehmer Prof. Jan Oberg (Schweden), Wolfgang Lohbeck von Greenpeace und Hans-Peter Dürr friedenspolitische Forderungen der Militärpropaganda gegenüber. Bei den Militärs und Politikern wurde eine mangelnde Dialogbereitschaft festgestellt sowie auch ein Mangel an Vertragstreue z.B. bezüglich der Abrüstungsverpflichtungen nach dem Atomwaffensperrvertrag.

Die DFG-VK Gruppe München hat aus den Tonaufnahmen der "aktuellen Runde" eine einstündige Radiosendung produziert, die bei Radio Lora gesendet wurde und unter www.dfg-vk.de/muenchen/friedensforum zu hören ist. Eine Dokumentation der Konferenz ist in Arbeit, ein Teil der Beiträge sowie alle Beiträge aus dem letzten Jahr sind zu finden unter www.friedenskonferenz.info.

Thomas Rödl
ist Geschäfteführer des Helmut-Michael-Vogel-Bildungswerkes und Sprecher des DFG-VK-Landesverbandes Bayern.


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Quelle:
ZivilCourage Nr. 2 - April 2007, S. 17
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK e.V.),
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2007