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BERICHT/188: Militarismus in der Weimarer Republik (Forum Pazifismus)


Forum Pazifismus Nr. 16 - IV/2007
Zeitschrift für Theorie und Praxis der Gewaltfreiheit

Militarismus in der Weimarer Republik
Reichswehr und Justiz gegen pazifistische Rüstungskritiker

Von Wolfram Wette


"Risse im Fundament. Die frühen Jahre der Weimarer Republik unter der Last des militaristischen Erbes." So lautete der Titel eines Vortrages, den ich bei der Jahrestagung 1999 der Kurt Tucholsky-Gesellschaft hielt, bei welcher es unter dem Motto "Halb erotisch - halb politisch" um Kabarett und Freundschaft bei Kurt Tucholsky ging.(1) Ich beschäftigte mich seinerzeit vornehmlich mit dem "starken Mann" der Übergangszeit vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, dem sozialdemokratischen Reichswehrminister Gustav Noske (1868-1946), über den ich 1987 eine umfangreiche politische Biographie veröffentlicht hatte.(2)


Die Ära Noske

Er war der "starke Mann" der Anfangsphase der Weimarer Republik, die daher bisweilen auch als "Ära Noske" bezeichnet wird. Die wichtigste Tat dieses Politikers bestand darin, im Innern des Landes "Ordnung" geschaffen zu haben. Problematisch an dieser Ordnungspolitik war, dass sie sich ausschließlich gegen die radikale Linke richtete, nicht aber gegen die nationalistische, radikale Rechte. Im Herbst 1919 rief der sozialdemokratische Politiker Philipp Scheidemann (1865-1939) öffentlich aus: "Der Feind steht rechts!" Scheidemann war kurz zuvor aus Protest gegen die harten Versailler Vertragsbestimmungen von seinem Amt als erster Reichs-Ministerpräsident der Weimarer Republik zurückgetreten. Er erkannte ziemlich genau, welch hohen Preis die ausschließlich gegen die Linke gerichtete Ordnungspolitik Noskes hatte.

Denn nachdem der Reichswehrminister alle Unruheherde im Deutschen Reich durch die neu aufgestellten Freikorps-Truppen hatte zusammenschießen lassen - insbesondere in Berlin, Bremen und München (3) -, entfaltete der von den Nationalisten so genannte "Nachkrieg" eine gefährliche Eigendynamik.

Sie entlud sich im März 1920 in einem Militärputsch gegen die junge deutsche Republik, die zu diesem Zeitpunkt von dem sozialdemokratischen Reichskanzler Gustav Bauer (1870-1944) geführt wurde. Den Auslöser für den Putsch bildete die Weigerung von zwei Verbänden, die nach ihren leitenden Offizieren als "Marinebrigade Ehrhardt" und "Marinebrigade Loewenfeld" benannt waren. Gemäß den militärischen Bestimmungen des Versailler Vertrages sollten diese Freiwilligenverbände demobilisiert, also aufgelöst werden. Dagegen liefen sie nun Sturm. Der Putsch wurde benannt nach Wolfgang Kapp (1858-1922), einem preußischen Beamten mit dem Titel "Generallandschaftsdirektor", und dem preußischen General Walther Freiherr von Lüttwitz (1859-1942), dem seinerzeit ranghöchsten Offizier der Reichswehr. Man hätte auch den Namen von General Erich Ludendorff (1864-1937) hinzufügen können, des einst wichtigsten Gehilfen Hindenburgs in der 3. Obersten Heeresleitung von 1916-1918 und seinerzeit maßgeblichen Strategen der deutschen Kriegführung. Denn Ludendorff unterstützte den Putsch ebenfalls - wie er auch später, 1923, am Hitler-Putsch in München aktiv beteiligt war. Im Erfolgsfalle, das heißt: im Falle der Errichtung einer Militärdiktatur, hätte Ludendorff gewiss eine zentrale politische Rolle gespielt.


Weimars Belastung durch das militaristische Erbe

Das also war die "Last des militaristischen Erbes":

Die Novemberrevolution von 1918 und die Politik der Regierung der Volksbeauftragten hatten trotz der Demobilmachung des Heeres keine einschneidende und dauerhafte Entmachtung der militärischen Führungsschicht bewirkt;
 
statt dessen konnten die meist adligen Berufsmilitärs die durch den Versailler Vertrag erzwungene Teilabrüstung für ihren Stand nutzen und ihre personelle Kontinuität auch unter dem Dach der Republik sicherstellen;
 
die von Noske angeordneten Militäreinsätze im Innern trugen maßgeblich zur Restauration militärischer Macht sowie zu einer fordernden Anspruchshaltung der Offiziere bei;
 
diese glaubten nach wie vor, zu selbständigen Eingriffen in die Politik berechtigt zu sein, wie beispielsweise der "Kriegsrat" in Weimar am 19. Juni 1919 zeigte (4), auf dem die Generäle ernsthaft darüber berieten, ob angesichts der von den Siegermächten diktierten Friedensvertragsbedingungen die Kriegshandlungen wieder aufgenommen werden sollten;
 
bei den meisten Offizieren fehlte die Bereitschaft, der Republik loyal zu dienen, sich zumindest mit ihr zu arrangieren und sich der zivilen politischen Leitung unterzuordnen;
 
zu ihrer moralischen und politischen Entlastung propagierten die Militärs die Mär von einer angeblich "im Felde unbesiegten" Armee sowie die Legende vom Dolchstoß der "Heimat" in den Rücken der kämpfenden Front;
 
nach der Annahme des Versailler Vertrages war die preußische Militärelite, also die Führung der Reichswehr, bestrebt, die Abrüstungsbestimmungen durch geheime personelle und materielle Rüstungen zu unterlaufen;
 
unverhohlen beanspruchte die Generalität, zu gegebener Zeit einen Zukunftsstaat mit zu gestalten, der ihren machtpolitischen Vorstellungen entsprach, und das bedeutete, dass er möglichst nach militärischen Ordnungsmustern funktionieren und einer Militärdiktatur nicht unähnlich sein sollte;
 
seit 1924 gab der Chef der Heeresleitung, Generaloberst Hans von Seeckt, den Auftrag zu streng geheimen Planungen für die Aufstellung und Ausrüstung eines neuen deutschen Massenheeres und für einen Zukunftskrieg;
 
schließlich gab es in der Reichswehr, ebenso wie im gesamten rechten politischen Spektrum der Zeit, die anhaltende Sehnsucht nach einem "starken Mann", möglichst einem Militärdiktator.


Der Kaiser ging, die Generäle blieben

Schon früh hat der Schriftsteller Theodor Plivier diese Problematik erkannt. Seine romanhafte Darstellung der deutschen Revolution von 1918/19 überschrieb er mit einem Satz, der bald zu einem geflügelten Wort werden sollte: "Der Kaiser ging, die Generäle blieben."(5) In Anknüpfung an Plivier hat die historische Forschung in jüngster Zeit verstärkt herausgearbeitet, dass die Ursachen für das Scheitern der Weimarer Republik tatsächlich weniger in den Krisenjahren nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 gesucht werden sollten, sondern vielmehr in der Anfangszeit, als die Demokraten gegen viele Widerstände der nationalistischen Rechten das Fundament der Republik zu legen versuchten. Hier sei etwa an die Arbeiten von Heinrich August Winkler über die "vorbelastete Republik"(6) oder Hans Mommsens Werk "Die verspielte Freiheit"(7) erinnert.

Das heißt: Wenn in der Geschichte des ersten deutschen Nationalstaats je eine Chance bestand, mit dem preußisch-deutschen Militarismus zu brechen (8), eine stabile Demokratie aufzubauen und eine am Völkerbund orientierte Friedenspolitik ins Werk zu setzen, dann in den Anfangsjahren der Weimarer Republik.


Kontinuität der juristischen Elite

Nicht nur die Generäle blieben nach dem Ende des Ersten Weltkrieges in ihren Machtpositionen, sondern auch die Juristen. Wäre es seinerzeit nach den Gesetzen der Logik gegangen, so hätten die meisten deutschen Juristen nach der Revolution von 1918/19 abtreten und einer neuen, republiktreuen Elite Platz machen müssen. Denn sie waren, wie die meisten Angehörigen der traditionellen konservativen Führungsschichten, in ihrer großen Mehrheit nicht bereit und nicht willens, die militärische Niederlage Deutschlands im Jahre 1918 als Tatsache anzuerkennen (9) und die revolutionären Veränderungen sowie den aus ihnen hervorgegangen republikanischen Staat zu akzeptieren. Ebenso wie die Militärs blieben auch sie innerlich dem monarchischen Obrigkeits- und Militärstaat verhaftet und brachten der demokratischen Republik kein Vertrauen entgegen.

Eine Auswechslung der juristischen Funktionseliten scheiterte in der Zeit des Übergangs von der Monarchie zur Republik aus mehreren Gründen:

Erstens stand nicht genügend demokratisch eingestelltes Personal zur Verfügung.
 
Zweitens - wichtiger noch - verhielten sich die neuen republikanischen Regierungen allzu zaghaft, als es darum ging, wenigstens das vorhandene demokratische Personal in Positionen zu bringen (10), und
 
drittens schließlich war das überkommene Staatspersonal in Justiz, Bürokratie und Militär nicht bereit, freiwillig das Feld zu räumen;
 
viertens begaben sich die alten Eliten nunmehr in eine politische Kampfposition, die sich gegen die Anhänger der Republik von Weimar richtete. Ihre gemeinsamen Bestrebungen zielten auf die Wiedergeburt eines nationalen Machtstaates.

In seinem Werk "Bündnis der Eliten" hat der bedeutende Hamburger Historiker Fritz Fischer dargestellt, in welcher Weise diese Funktionseliten in dem langen Zeitraum zwischen der Reichsgründung 1871 und dem Ende des "Dritten Reiches" 1945 die Machtstrukturen in Deutschland beherrschten.(11) Sie hielten die staatlichen und gesellschaftlichen Schlüsselpositionen besetzt und arbeiteten im Dienste einer gemeinsamen Staatsideologie eng zusammen. In der Weimarer Zeit maßte sich die Justiz den Standpunkt an, das politische und gesellschaftliche Leben von einer "höheren Warte" aus zu beurteilen, die in ihrer Wertehierarchie über dem kodifizierten Verfassungsrecht angesiedelt war. Die juristische Elite ging dabei von dem Prinzip der so genannten "permanenten Identität"(12) aus. Mit diesem nebulösen Begriff wurde ein Staatsverständnis umschrieben, in dem der untergegangene militärische Machtstaat, also die Monarchie, fortlebte und in dem die gegenwärtige Republik von Weimar als ein vorübergehender Schwächezustand angesehen wurde.


"Recht ist, was den Waffen nützt": Machtstaatsdenken und Antipazifismus

Wie die traditionellen deutschen Machteliten über den Pazifismus dachten, ist nicht schwer zu erraten. Vor 1914 hatte der bürgerliche Honoratiorenpazifismus in Deutschland noch eine marginale Größe dargestellt, der von der Justiz weitgehend ignoriert werden konnte. Das sollte sich dann nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gründlich ändern. Jetzt entwickelte sich die pazifistische Bewegung in Deutschland zu einem gesellschaftlich und politisch relevanten Faktor, der von den fahrenden Militärs sowie den deutschen Nationalisten insgesamt als eine Bedrohung ihrer Stellung im Staate wahrgenommen wurde.

Exemplarisch belegt dies ein Brief des letzten Generalquartiermeister des Heeres, General Wilhelm Groener (1867-1939), vom September 1919 an den sozialdemokratischen Reichpräsidenten Friedrich Ebert (1871-1925). Groener war kein militaristischer Hardliner, sondern eher ein Gemäßigter unter den fahrenden Offizieren. Er hatte sich mit der Republik arrangiert und konnte daher mehrfach einflussreiche Ministerämter bekleiden. Dieser General also warnte Ebert in bedrängenden Worten vor dem Pazifismus und versuchte ihn auf den militärischen Machtstaat zu verpflichten.(13) Groeners Brief zeigt, dass die konservativen Eliten im Pazifismus, der sich nach Kriegsende in Deutschland lautstark artikulierte, eine grundlegende Herausforderung ihrer politischen Vorstellungswelt sahen. Sie befürchteten, er könne als Folge des Friedensvertrages von Versailles und unter den Bedingungen der neu gegründeten Republik womöglich politisches Terrain gewinnen und damit ihre eigenen Gestaltungschancen ernsthaft beschneiden.

Welche Rolle spielte die Justiz der Weimarer Zeit im Kontext des politischen Kampfes der Nationalisten gegen den Pazifismus? Sie übernahm, wie es ein zeitgenössischer Kritiker formulierte, "den Schutz der Todfeinde der geltenden demokratischen Verfassung".(14) Sie sah in jenen gesellschaftlichen und politischen Kräften, die eine grundlegend andere Orientierung verfolgten, nicht etwa legitime oppositionelle Strömungen, sondern, wie zuvor schon in der Kaiserzeit, "innere Feinde". Das heißt, pointiert ausgedrückt, dass die politische Justiz der Weimarer Zeit die deutsche Innenpolitik durch die Kimme der kriegerischen Logik betrachtete. Ins Visier kamen auf diese Weise nicht nur die Pazifisten, sondern letztlich die Wortführer all jener Parteien, Verbände und Vereinigungen, die eine wohlfahrtsstaatliche, demokratische und am Frieden orientierte Richtung verfolgten oder, wie man heute sagen würde, die an die Stelle einer militarisierten Gesellschaft und eines militärischen Machtstaates eine demokratische Republik und eine Zivilgesellschaft setzen wollten.


Ungesühnte politische Morde an Luxemburg, Liebknecht und Paasche

Das Zusammenspiel von rechtsradikalem Militär und politischer Justiz hatte sich schon vor und während des Weltkrieges 1914-1918 gezeigt.(15) Es setzte sich nach der militärischen Niederlage Deutschlands kontinuierlich fort. Jetzt wurden prominente Kriegsgegner, die als Repräsentanten des linken Spektrums des politischen Kräftefeldes Verantwortung übernommen hatten, Opfer von Mordanschlägen. Nicht von ungefähr ermordeten rechtsextremistische Freikorpsoffiziere im Januar 1919 Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die sich seit Jahren als Kriegsgegner exportiert hatten. Als die des Mordes verdächtigten Täter vor ein Militärgericht kamen, sollte sich zeigen, dass die Justiz die beschuldigten Offiziere deckte und verhinderte, dass die politischen Hintergründe der Mordtaten aufgeklärt wurden.(16) Damit war ein Modell entwickelt, das in der Folgezeit auch bei der justiziellen Verfolgung vieler anderer politischer Mordtaten angewendet werden sollte.(17)

Um einen Fall exemplarisch vorzufahren: Im März 1920 wurde ein früherer Offizier der kaiserlichen Kriegsmarine, Kapitänleutnant Hans Paasche, der sich zum Pazifisten gewandelt hatte, Opfer eines politischen Mordes. Paasche exponierte sich in der revolutionären Umbruchsphase im Umfeld der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD). Als die Revolution nicht die Veränderungen mit sich brachte, die er sich erhofft hatte, zog sich Paasche im Laufe des Jahres 1919 resigniert aus dem politischen Leben zurück und nahm in seinem Landgut in Pommern wieder eine praktische Arbeit auf.

Dort verfasste er auch den Text einer Broschüre, der deutlich zu machen vermag, weshalb dieser ehemalige Marineoffizier zur besonderen Zielscheibe des Hasses seiner ehemaligen Offizierskameraden - und wohl auch der gleichgesinnten Männer in der Justiz - wurde. Paasche rief in dieser Flugschrift seine deutschen Mitmenschen in bedrängendem Ton zu einer Abkehr von den verhängnisvollen militaristischen Traditionen auf. Die Schlüsselstelle des Textes, in welcher Paasche den Verlust der humanen Orientierung beklagte, den die Deutschen nicht erst in den Weltkriegsjahren irrleitete, lautet folgendermaßen: "Mache dir das ganz klar, Deutscher: Du bist ausgestoßen aus der Gemeinschaft der Völker, wenn du nicht endlich Erbitterung zeigst gegen das System, das dich zum Henker deiner Nachbarn machte und dich schließlich selbst zerschunden hat. Du hast dich anstiften lassen, friedliche, glückliche Länder zu überfallen und in eine hoffnungslose Wüste zu verwandeln. Dein feldgrauer, animalischer Gehorsam hat das Elend, die Trauer und Kraftlosigkeit dieser Zeit herbeigebracht. Und du sprichst nur von deutschen Interessen, bevor du einmal die Tränen der Verzweiflung mitgeweint hast, die die ganze Menschheit weinen muss beim Anblick der Landstriche, in denen wir Siegfried- oder Hindenburgstellung spielten. Die Welt steht dir nicht offen, bevor du Mensch wirst."(18)

Wie man sieht, mischten sich in diesem Text analytische Kraft und große Illusionen. Sein Verfasser überschätzte die Lernfähigkeit jener unter seinen Zeitgenossen gründlich, deren Mentalität von der militarisierten Gesellschaft der Kaiserzeit geprägt worden war. Für seine früheren Offizierskameraden war Paasche nichts anderes als ein Verräter an ihren eigenen, militaristischen Grundüberzeugungen. Zudem galt er in ihren Augen als gefährlich, weil er über ein erkennbares schriftstellerisches Talent verfügte und damit über potenziellen Einfluss auf die Millionen von Menschen in Deutschland, die sich in den ersten Nachkriegsjahren in öffentlichen Demonstrationen und Massenkundgebungen als Kriegsgegner bekannten.

Hans Paasche wurde am 21. Mai 1920, zwei Monate nach dem Kapp-Lüttwitz-Putsch gegen die Republik, gerade 39 Jahre alt, auf seinem Landgut, nur mit einer Badehose bekleidet, vor den Augen seiner minderjährigen Kinder, von Soldaten der Reichswehr erschossen. In dem Behördenschriftverkehr wurde Paasche als "ein bekannter Pazifist und ein bekannter Antimilitarist" bezeichnet.(19)

Wie im Falle der beiden kriegsgenerischen Sozialisten machte die Justiz auch im Falle Paasche keine größeren Anstrengungen, die Mordtat und ihre Hintergründe aufzuklären.(20) Der Mord an Paasche blieb ungesühnt.


Die Rüstungskritiker Carl Mertens, Berthold Jacob und Fritz Küster

Der pazifistische Autor Berthold Jacob, ein kompetenter Militärjournalist, hatte bereits 1924 Informationen erhalten, die besagten, dass in der Reichswehr - entgegen den Bestimmungen des Versailler Vertrages - Pläne für die Aufstellung eines Millionenheeres entworfen wurden. Jacob publizierte den substanziellen Kern seiner Informationen im April 1925 in der pazifistischen Zeitschrift "Das Andere Deutschland".(21) Die Öffentlichkeit solle wissen, schrieb er, "dass Herr von Seeckt alle Vorbereitungen innerhalb der Reichswehr hat treffen lassen, die ermöglichen sollen, in einem ihm angezeigt erscheinenden Moment die deutsche Reichswehr in die acht mobilen Armeen des ersten Mobilmachungstages von 1914 zu verwandeln"(22). Prompt handelten sich Jacob und der Chefredakteur von "Das Andere Deutschland", Fritz Küster, einen Landesverratsprozess ein. Er zog sich über drei Jahre hin und endete 1928 mit einer Verurteilung zu neunmonatiger Festungshaft.(23)

Heute wissen wir, dass der Militärjournalist Berthold Jacob von einem äußerst geheimen Planungswerk Kenntnis erhalten hatte, nämlich von dem so genannten "Großen Plan" von 1925, der damals im Auftrag des Generalobersten Hans v. Seeckt unter allerstrengsten Sicherheitsvorkehrungen ausgearbeitet worden war.(24) Mit dem Großen Plan lag sieben Jahre nach dem Ende des Weltkrieges 1914-1918 ein bis ins letzte Detail ausgearbeitetes Stärke-, Gliederungs- und Ausrüstungskonzept für ein Heer der Zukunft vor, das um das Achtundzwanzigfache größer war als das von den Siegermächten des Weltkrieges zugestandene 100.000-Mann-Heer. Es sollte 102 Divisionen mit 2,8 Millionen Mann umfassen, also denselben Umfang haben wie die deutsche Armee bei Kriegsbeginn 1914. Berthold Jacob hatte mit seiner brisanten Mitteilung also völlig Recht.

Wahrscheinlich hatte Hauptmann a. D. Carl Mertens, ein ehemaliger Freikorpsoffizier, der sich ebenfalls zum Pazifisten gewandelt hatte, die Informationen über diese Aufrüstungsplanungen beschafft.(25) Ohne ihn wäre es der Deutschen Liga für Menschenrechte wohl auch kaum möglich gewesen, ihr "Weißbuch über die Schwarze Reichswehr"(26) zu veröffentlichen (1925), das einen hochbrisanten Einblick in die geheimen Rüstungen Deutschlands bot und wiederum zu Anklagen wegen Landesverrats führte.(27) Als Autoren zeichneten die Pazifisten Emil Julius Gumbel, Berthold Jacob, Polizeioberst a. D. Lange und Generalmajor a. D. Paul Freiherr von Schoenaich, der spätere Vorsitzende der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG). Der Name von Mertens tauchte nicht auf. Auch seine Aufklärungen über die Vaterländischen Verbände, in der "Weltbühne" ab August 1925 in mehreren Folgen publiziert, erschienen als Drei-Sterne-Artikel, also anonym. Der ehemalige Offizier fürchtete einen Fememord.(28) Daher hielt er sich auch an wechselnden Orten unter wechselnden Namen auf.(29) Erstaunlicher Weise exponierte sich Mertens dann doch auch namentlich, indem er - noch im Jahre 1925 - zusammen mit anderen Autoren eine Aufsehen erregende Dokumentation mit dem Titel "Die deutsche Militärpolitik seit 1918" über die illegale Rüstung Deutschlands herausbrachte.(30) Sein 1926 veröffentlichtes Buch über "Verschwörer und Fememörder"(31) zeichnete er ebenfalls namentlich, obwohl der Leser sofort bemerkte, dass hier ein unmittelbar Beteiligter berichtete, der über die intimsten Kenntnisse verfügte. Als Folge dieser Enthüllungen kam es zu Debatten über die Schwarze Reichswehr im Parlament, zur Einsetzung einer Untersuchungskommission und zu mehreren Prozessen. Doch Mertens musste erleben, dass die Justiz nicht gegen die von ihm namentlich genannten 40 Fememörder vorging, sondern sie und ihre Hintermänner deckte und ihn selbst, den Überbringer der schlechten Nachrichten, verfolgte. Um Mertens zum Schweigen zu bringen, wurde im Dezember 1926 ein Haftbefehl gegen ihn erlassen und ein Verfahren wegen Landesverrats eingeleitet, dem sich weitere Verfahren anschlossen.(32) Sie wurden auf Drängen des Reichswehrministers Otto Gessler, der von einer "Gefährdung der Staatssicherheit" sprach, unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit geführt.(33) Der unerschrockene Aufklärer Mertens, der hinsichtlich der Zahl der gegen ihn angestrengten Landesverratsprozesse "ehrenvoll die Spitze" hielt(34), starb im Jahre 1932 bei einem Autounfall.


Landesverratsprozesse gegen Pazifisten

Wer sich für die Kontinuität des deutschen Militarismus interessiert, macht die Erfahrung, dass es in der Zeit der ersten deutschen Republik einen betont politischen Kampf der Justiz gegen die Pazifisten gegeben hat. Der Staatsrechtler Ingo Müller, Autor des bekannten Buches "Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz" (1987)(35), erkannte drei Strategien, mit denen die politische Justiz in der Zeit der Weimarer Republik gegen den Pazifismus vorging:

Erstens schützte sie die Mörder von Pazifisten,
zweitens schüchterte sie die Kritiker illegaler Geheimrüstungen durch Landesverratsprozesse und Strafen ein, und
drittens wehrte sie pazifistische Kritik an Militär und Militarismus durch Beleidigungsverfahren ab.

Den Schwerpunkt der Tätigkeit dieser Justiz lag auf der juristischen Verfolgung von Presse- und Buchveröffentlichungen über die geheimen Rüstungen in Deutschland. In den Augen der Pazifisten stellten diese Rüstungen einen groß angelegten und permanenten Verstoß gegen den Friedensvertrag von Versailles und damit zugleich gegen die Weimarer Reichsverfassung dar. Die Justiz vertrat dagegen eine ganz andere Position. In dieser Kontroverse lag das Kernproblem des Verhältnisses von Pazifismus und Justiz in jener Zeit begründet.(36)

In seiner juristischen Dissertation von 1999 hat Matthias Hanten einen Teil der Prozesse genauer untersucht, die damals vor dem Reichsgericht wegen des Verdachts auf publizistischen Landesverrat geführt wurden und die mit einer Verurteilung endeten.(37) Das Reichsgericht leitete in den Jahren 1919-33 etwa 400 Verfahren wegen publizistischen Landesverrats ein. Von den Beschuldigten wurden nur 13 auch verurteilt, unter ihnen die bekannten Pazifisten Friedrich Küster, Berthold Jacob und Carl v. Ossietzky.(38) Das bedeutet, dass die Masse der Landesverratsprozesse das Ziel verfolgte, eine abschreckende Wirkung zu entfalten.(39)


Tucholsky: Frieden wichtiger als Landesverrat

Kurt Tucholsky hat den - oben erwähnten - Landesverratsprozess gegen die entschiedenen Pazifisten Berthold Jacob und Fritz Küster in einem Beitrag analysiert, den er unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel am 27. März 1928 in der "Weltbühne" veröffentlichte. Er überschrieb ihn: "Die großen Familien".(40) Damit meinte er die beiden großen Lager der Nationalisten und der Pazifisten, die sich in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen in Deutschland in einem unversöhnlichen Gegensatz gegenüber standen.

Natürlich interessierte sich Tucholsky für die personellen Kontinuitäten in der politischen Justiz, in diesem Falle für die Rolle des ehemaligen Kriegsgerichtsrats Paul Jorns, der im Prozess gegen Jacob und Küster als Reichsanwalt fungierte. Tucholsky erinnerte seine Leser daran, dass Jorns die Offiziere, die im Januar 1919 Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordeten, schamlos begünstigt hatte. Was er damals noch nicht wissen konnte: Jorns wurde wegen dieser skandalösen Begünstigung 1929 vor dem Reichsgericht angeklagt, den Mördern von Luxemburg und Liebknecht "Vorschub geleistet" zu haben. Er wurde jedoch nicht verurteilt, konnte daher bis 1936 Reichsanwalt bleiben, und wurde dann als Reichsanwalt an Roland Freislers Volksgerichtshof berufen.(41)

Tucholsky machte in seinem Artikel "Die großen Familien" grundsätzliche Ausführungen über Pazifismus und Landesverrat: "Wird Landesverrat von Pazifisten begangen, ohne dass Geld im Spiel ist", schrieb er, "so ist es in unseren Augen kein Verbrechen. Dieser Landesverrat kann eine Notwendigkeit sein, um etwas Großes und Wichtiges abzuwehren: den Landfriedensbruch in Europa. Der europäische Friede steht über den niederen Interessen der Vaterländer."(42) Bekräftigend fügte er hinzu: " [... ] und ich spreche hier mit dem vollen Bewusstsein dessen, was ich sage, aus, dass es kein Geheimnis der deutschen Wehrmacht gibt, das ich nicht, wenn es zur Erhaltung des Friedens notwendig erscheint, einer fremden Macht auslieferte".(43) Im vorliegenden Fall Jacob und Küster habe es sich jedoch gar nicht um einen solchen Fall von Landesverrat gehandelt; vielmehr sei die "uniformierte Konkurrenz" im Auskundschaften militärischer Geheimnisse viel schneller als die Pazifisten: "Der großen" Familie der Pazifisten steht die große internationale Familie der Militärs gegenüber, die voneinander und übereinander viel mehr wissen, als je eine pazifistische Zeitschrift veröffentlichen kann."(44) Tucholsky schloss seinen Artikel mit einem Bekenntnis: "Wir halten den Krieg der Nationalstaaten für ein Verbrechen, und wir bekämpfen ihn, wo wir können, wann wir können, mit welchen Mitteln wir können. Wir sind Landesverräter. Aber wir verraten einen Staat, den wir verneinen, zugunsten eines Landes, das wir lieben, für den Frieden und für unser wirkliches Vaterland: Europa."(45)


Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) - ein Landesverräter?

Das Ausmaß und die Vehemenz des politischen Kampfes der deutschen Justiz zur Zeit der Weimarer Republik gegen tatsächliche oder vermeintliche Vaterlandsverräter wurde im Jahre 1924 in besonderem Maße deutlich. Damals hatte sich kein Geringerer als Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) gegen den Vorwurf des Landesverrats zur Wehr zu setzen. Er musste sich in einem Magdeburger Schwurgerichtsprozess in Auseinandersetzungen mit Juristen begeben, die der Kriegsmonarchie nachtrauerten und der Republik dezidiert feindselig gegenüber standen. Nun war Friedrich Ebert weder in seiner Selbsteinschätzung noch in der seiner politischen Gegner ein Pazifist. Er hatte - zumindest bis 1917 - den Kriegskurs der kaiserlichen Regierungen mitgetragen und hatte dann die Friedensresolution der Reichstagsmehrheit unterstützt, ohne damit zugleich den deutschen Kriegsanstrengungen seine Zustimmung zu entziehen. Im Januar 1918, als in Berlin die Munitionsarbeiter streikten und eine Beendigung des Krieges forderten, war Ebert als einer der führenden sozialdemokratischen Politiker in die Streikleitung eingetreten, nicht um die Stimmung anzuheizen, sondern um mäßigend auf die Streikenden einzuwirken. Dies aber reichte einigen Nationalisten aus, ihn des Landesverrats zu bezichtigen, weil der Streik sich aus ihrer Sicht - in jedem Falle gegen die deutschen Kriegsanstrengungen richtete.

Der Landgerichtsdirektor und der ihm assistierende Landgerichtsrat, die den Magdeburger Prozess gegen Ebert leiteten, umgingen in einer sorgfältig ausgearbeiteten Urteilsbegründung das historische und moralische Problem, das die Munitionsarbeiterstreiks von Januar 1918 aufwarfen und das den eigentlichen Kern des Prozesses hätte bilden müssen. Statt dessen argumentierte der Vorsitzende des Gerichts, das Urteil "könne nur nach rein rechtlichen Gesichtspunkten gefällt werden". Eberts Beweggründe, so patriotisch sie auch gewesen sein mochten, meinte der Richter, seien für die Urteilsfindung nicht von Belang: "... es kann keine Handlung, die politisch und historisch als zweckmäßig, ja heilsam erkannt wird, gleichwohl gegen die Strafgesetze verstoßen". Ebert habe durch seine Teilnahme an der Streikleitung und durch seine Versammlungsrede der Landesverteidigung Schaden zugefügt und damit Landesverrat begangen. Seine Absicht, den Streik zu beenden und eine weitere Schädigung des Landes zu verhüten, schließe den Vorsatz des Landesverrats nicht aus.(46)

Nach dieser empörenden Demütigung durch ein Organ der reaktionären politischen Justiz erfuhr Ebert zwar die Solidarisierung der Reichsregierung; aber die Verbitterung und Verletzung durch diese "Vertreter des Rechts" ging tief. Kurz darauf, im Februar 1925, starb Friedrich Ebert. Sechs Jahre nach seinem Tod griff das Reichsgericht den Fall erneut auf, verwarf die Magdeburger Landesverratstheorie und unternahm eine Ehrenrettung Eberts.(47)


Lichtblicke: Justizminister Gustav Radbruch und Senatspräsident Arnold Freymuth

Demokratisch eingestellte Juristen, die sich in den Fragen der Militärpolitik ausdrücklich an den Vorgaben der Weimarer Reichsverfassung und den Gesetzen der Republik orientierten, gab es seinerzeit nur wenige. Von insgesamt etwa 10.000 Richtern im Justizdienst der Weimarer Republik gehörten lediglich 300 dem "Republikanischen Richterbund" an. Es handelte sich also um eine verschwindend kleine Minderheit.(48) So verwundert es nicht, dass nach Hitlers Machtantritt die meisten Richter in ihren Ämtern verbleiben konnten und nur wenige aus politischen Gründen aus dem Justizdienst entlassen wurden.(49) Aus dem - für Hoch- und Landesverrat zuständigen - Reichsgericht wurde 1933 von den 122 Richtern lediglich einer aus dem Dienst entfernt, nämlich der sozialdemokratische Reichsgerichtsrat Herrmann Grossmann.(50) Die überwiegende Mehrheit der Richter begrüßte das Hitler-Regime und trat in den Bund "Nationalsozialistischer Deutscher Juristen" ein.

Ein republikanisch eingestellter Jurist wie Gustav Radbruch (1878-1949), der - als erster Sozialdemokrat überhaupt - eine Zeitlang (1921-1922) das Amt des Reichsjustizministers bekleidete und in dieser Funktion unter anderem dafür sorgte, dass den Statistiken von Emil Julius Gumbel über die politischen Morde und über die extrem einseitigen Urteile der Justiz nachgegangen wurde (51), stellte unter diesen Bedingungen eine absolute Ausnahmeerscheinung dar.(52) Gleiches gilt für Arnold Freymuth (1872-1933), ebenfalls Sozialdemokrat, einziger Volljurist in der sozialdemokratischen Fraktion der Preußischen Landesversammlung, 1919-1922 Parlamentarischer Staatssekretär im Preußischen Justizministerium, dann bis 1925 Präsident des Senats des Berliner Landgerichts. Als Sozialdemokrat und Pazifist, der sich als aktiver Richter für die pazifistischen Opfer der politischen Justiz der Weimarer Zeit einsetzte, beispielsweise im Falle des früheren Mitarbeiters des bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner, Felix Fechenbach (53), befand er sich in einer Außenseiterrolle, die ihn zunehmend zermürbte. Der "weiße Rabe" unter den damaligen deutschen Richtern floh 1925 in den Ruhestand und 1933 ins Exil nach Paris. Arnold Freymuth nahm sich dort selbst das Leben, zerbrochen an der antipazifistischen Voreingenommenheit und damit zugleich an der Ungerechtigkeit der politischen Justiz seines Heimatlandes.(54)


Völkerbund und Völkerrecht

Das Denken der traditionellen deutschen Eliten in den Kategorien von Macht, Militär und Krieg brachte es auch mit sich, dass sie sich gegen die Bestrebungen der Siegermächte des Weltkrieges sperrten, mit dem Versailler Friedensvertrag, dem Völkerbund und der Fortentwicklung des Völkerrechts Vorkehrungen gegen neue kriegerische Entwicklungen zu treffen.(55) Schon bei den Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 waren die Abgesandten der deutschen Regierungen als Bremser hervorgetreten. Sie wollten keine "Regeln gegen den Krieg"(56), keine rechtlich geregelte Kriegsverhinderungspolitik und keine Abrüstungspolitik. Nach dem Weltkrieg wehrten sich die Deutschen gegen die Zuweisung der alleinigen Kriegsschuld, wie sie im Versailler Vertrag festgeschrieben wurde, sowie gegen die Bestrafung von angeblichen deutschen Kriegsverbrechern.(57) Weder Völkerbund noch Völkerrecht, so Gerd Hankel, wurden "zu ernstzunehmenden Kategorien in der deutschen Politik". Prominente und international hoch angesehene deutsche Völkerrechtsgelehrte wie Hans Wehberg und Walther Schücking wie auch Ludwig Quidde und Hans Kelsen, die der gemäßigten Richtung in der deutschen Friedensbewegung zuzurechnen waren, kämpften für ein neues Denken, das die internationale Staatengemeinschaft unter der "Herrschaft des Rechts" sehen wollte. Tatsächlich brachten die 20er Jahre mit dem Vertrag von Locarno (1925), in dem Frankreich, Deutschland und Belgien den Bestand ihrer Grenzen gegenseitig garantierten, der Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund (1926) sowie dem Briand-Kellogg-Pakt (1929) und seiner internationalen Kriegsächtung auch Fortschritte im Völkerrecht. Aber diese sollten dann unter den - seit 1930 immer einflussreicher werdenden - traditionellen Eliten keinen Bestand haben.


Das Weltbühne-Urteil gegen Carl v. Ossietzky

Als Chefredakteur der links-pazifistischen Wochenschrift "Weltbühne", die sich seit jeher kritisch mit den militaristischen Tendenzen in Deutschland auseinandersetzte (58), war Carl v. Ossietzky einer der bekanntesten deutschen Pazifisten der Weimarer Zeit. Immer wieder geriet er ins Visier der "Operationsgemeinschaft Reichswehr - Strafjustiz".(59) Im Jahre 1931 verurteilte ihn das Reichsgericht wegen angeblichen Verrats militärischer Geheimnisse zu 18 Monaten Gefängnis. Es handelte sich um "ein Musterbeispiel für Politische Justiz".(60) Auf die weitere Geschichte dieses Falles wird noch zurückzukommen sein.


Radikaler Antipazifismus der Hitler-Partei

Wie die NSDAP, sollte sie an die Macht kommen, mit Pazifisten umgehen würde, konnte jeder wissen, der Hitlers Programmschrift "Mein Kampf" gelesen hatte. Wenig bekannt ist, dass die NSDAP-Reichstagsfraktion im Jahre 1930 im Parlament einen "Entwurf zum Republikschutzgesetz" einbrachte, der unmissverständlich klar machte, dass die NSDAP mit allen politischen Gegnern, die sie zu Verrätern erklärte, kurzen Prozess zu machen gedachte. Für Landesverrat sah dieser NSDAP-Gesetzentwurf generell die Todesstrafe vor.(61) Wichtig ist, dass die Nazis auch den so genannten journalistischen Landesverrat als Landesverrat definierten, ihn also mit dem Tode zu bestrafen beabsichtigten. Ferner sollten bereits die Aufforderung zur Kriegsdienstverweigerung und die Werbung für die "geistige, körperliche und materielle Abrüstung des deutschen Volkes" wegen "Wehrverrats" mit dem Tode bestraft werden. Der Todesstrafe war danach auch derjenige verfallen, der "öffentlich in Wort, Schrift, Druck, Bild oder in anderer Weise Deutschlands Alleinschuld oder Mitschuld am Weltkrieg behauptet".

Berühmte deutsche Strafrechtslehrer begrüßten solche Entwürfe. Professor Georg Dahm etwa lobte den "mutigen Verzicht auf alle tatbestandlichen Abgrenzungen", und Professor Otto Nagel sah "Defätismus aller Art" und "die Beeinträchtigung der Wehrkraft und des Wehrwillens der Nation wirksam bekämpft".(62) Von einer Justiz, die lange vor 1933 die bloße kritische Aufarbeitung des zurückliegenden Krieges zu unterbinden versucht hatte, führte ein geradliniger Weg in den NS-Staat.


Schleichende Militarisierung in der Gegenwart

Nach 1990 vollzog sich in der deutschen Justiz ein Generationswechsel. Er brachte einige bemerkenswerte Entscheidungen höchster bundesdeutscher Gerichte mit sich, die eindeutig nicht der machtstaatlichen Traditionslinie verpflichtet waren. Ich verweise exemplarisch auf das Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. September 1991 über Deserteure der Wehrmacht.(63) Das BSG bezeichnete die Todesurteile gegen Deserteure erstmals generell als "offensichtlich unrechtmäßig". Gleichzeitig qualifizierte es die NS-Militärrichter als "Gehilfen des NS-Terrors" und als Mittäter in einem "völkerrechtswidrigen Krieg". Zweites positives Beispiel: Am 16. November 1995 stellte der Bundesgerichtshof (BGH, 5. Senat Berlin) - das in Sachen Strafgerichtsbarkeit höchste deutsche Gericht - in einem Aufsehen erregenden Grundsatzurteil fest, die NS-Kriegsrichter hätten als "Terrorjustiz" gehandelt. Der BGH bezeichnete die Nazi-Juristen weiterhin als "Blutrichter", die sich eigentlich "wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Kapitalverbrechen hätten verantworten müssen".(64) Urteile wie diese machten den Weg frei für die Entschließung des Deutschen Bundestages vom 15. Mai 1997, in welcher eine bis dahin einmalige Feststellung getroffen wurde: "Der Zweite Weltkrieg war ein Angriffs- und Vernichtungskrieg, ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen."(65)

Es gibt jedoch auch Urteile der bundesdeutschen Justiz aus den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung, die eine ganz andere Sprache sprechen. So wurde im Jahre 1992 vor dem Bundesgerichtshof in Berlin ein Wiederaufnahmeverfahren des "Weltbühne-Prozesses" von 1931 angestrengt und durchgeführt. Trotz überzeugender historischer und juristischer Gutachten, in denen vor dem Hintergrund der damaligen historisch-politischen Zusammenhänge die Unsinnigkeit des so genannten publizistischen Landesverratsvorwurfs dargelegt wurde (66), gelang es auch jetzt noch nicht, das Ziel einer Aufhebung des Urteils zu erreichen.(67) Sucht man nach Erklärungen für diese Entscheidung, so drängt sich der Verdacht auf, dass wir es hier mit der Kontinuität einer politischen Justiz bis in unsere jüngste Vergangenheit hinein zu tun haben, die noch immer primär an machtstaatlichen Kategorien orientiert ist.

Auch eine weitere, für die Geschichte Deutschlands noch wesentlich bedeutsamere Entwicklung atmet den Geist militärisch instrumentierter Machtpolitik. Gemeint sind die seit den frühen 90er Jahren unternommenen Versuche deutscher Bundesregierungen, für die Außenpolitik eine "Neue Normalität" in Szene zu setzen.(68) Die Geschichte der beiden deutschen Staaten zwischen 1949 und 1989 wurde nun als Sonderweg betrachtet. Gleichzeitig wollte man wieder an die Normallage des 1871 gegründeten deutschen Nationalstaats anknüpfen. Bundesregierung und führende Militärs (69) waren bestrebt, der deutschen Öffentlichkeit nahe zu bringen, dass mit dem Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten die zuvor geltende "Kultur der Zurückhaltung" überholt und das nun wieder in vollem Umfang souveräne Deutschland nicht mehr gehindert sei, sein Militär auch weltweit einzusetzen.

Das Bundesverfassungsgericht exponierte sich angesichts dieser Herausforderung in der Weise, dass es Militäreinsätze in aller Welt für zulässig erklärte. Damit wurde der Begriff der Landesverteidigung überdehnt, ja nahezu vollständig ausgehöhlt. Im Sinne des allgemeinen Friedensgebots in der Präambel des Grundgesetzes, des Verbots des Angriffskrieges und der Verpflichtung auf das friedenssichernde Völkerrecht hätte es im Ermessen der Richter gelegen, auch eine andere Entscheidung zu treffen.(70) Viele Menschen, die keinerlei Veranlassung sahen, die Kultur der Zurückhaltung preiszugeben, haben diese andere Entscheidung erwartet.

Was das heutige Verhältnis von Justiz, Militär und Pazifismus angeht, haben wir es also mit einer ambivalenten Situation zu tun. Sie unterscheidet sich durchaus von der eindeutig antipazifistischen Frontstellung der nationalistisch eingestellten Militär- und Justizkreise in den Jahren der Weimarer Republik. Besorgnis erregend ist die seit den 90er Jahren zu beobachtende schleichende Militarisierung in unserem Lande, die durch höchste deutsche Gerichte juristisch abgesegnet wurde. Hier scheint die alte machtstaatliche Tradition auf. Für alle, die mit Kurt Tucholsky der Überzeugung sind, dass der Krieg "unter allen Umständen tief unsittlich" ist, gilt daher: Es ist alles andere als Entwarnung angesagt.


Prof. Dr. Wolfram Wette ist Historiker und DFG-VK-Mitglied. Er hat diesen Beitrag als Eröffnungsvortrag der Jahrestagung der Kurt-Tucholsky-Gesellschaft am 18. Oktober gehalten. Die Tagung stand unter dem Thema "Der Krieg ist aber unter allen Umständen tief unsittlich - Tucholskys Auffassungen über Krieg, Frieden und Militär auf dem Prüfstand von Geschichte und Gegenwart" und wurde in Zusammenarbeit mit der Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft und der DFG-VK veranstaltet.


Anmerkungen:

(1) Wolfram Wette: Risse im Fundament. Die frühen Jahre der Weimarer Republik unter der Last des militaristischen Erbes, In: "Halb erotisch - halb politisch". Kabarett und Freundschaft bei Kurt Tucholsky. Hrsg. von Stefanie Oswalt und Roland Links im Auftrag der Kurt-Tucholsky-Gesellschaft. Oldenburg 2000, S.13-32.

(2) Wolfram Wette: Gustav Noske. Eine politische Biographie. Düsseldorf 1987, 2. Aufl. 1988.

(3) Siehe Wette, Noske (wie Anm. 2), Abschn. VIII: Noskes Politik der eisernen Faust 1919, S. 399-460.

(4) Vgl. Wette, Noske (wie Anm. 2), S. 470-477.

(5) Theodor Plivier: Der Kaiser ging, die Generäle blieben. Erstauflage Berlin 1932, Neuauflage Frankfurt/M. 1981.

(6) Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Erster Band: Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik. München 2000, Kap. 7: Die vorbelastete Republik: 1918-1933, S. 378-555; ders.: Weimar 1918-1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. München 1999.

(7) Hans Mommsen: Die verspielte Freiheit. Der Weg der Republik von Weimar in den Untergang, 1918 bis 1933. Berlin 1989.

(8) Wolfram Wette: Noske-Ära: Die vertane Chance, mit dem preußisch-deutschen Militarismus zu brechen. In: Rainer Butenschön/Eckart Spoo (Hrsg.): Wozu muss einer der Bluthund sein? Der Mehrheitssozialdemokrat Gustav Noske und der deutsche Militarismus des 20. Jahrhunderts. Heilbronn 1997, S. 27-37.

(9) Ulrich Heinemann: Die verdrängte Niederlage. Politische Öffentlichkeit und Kriegsschuldfrage in der Weimarer Republik. Göttingen 1983.

(10) Für das Militär habe ich diesen Vorgang eingehend untersucht. Siehe Wette, Noske (wie Anm. 2).

(11) Fritz Fischer: Bündnis der Eliten. Zur Kontinuität der Machtstrukturen in Deutschland 1871-1945. Düsseldorf 1979.

(12) Manfred Messerschmidt: Carl von Ossietzky und die politische Justiz. In: Krieg und Literatur. War and Literature. Vol. IV, 1992, No. 8, S. 9-32, hier: S. 12.

(13) Schreiben des Ersten Generalquartiermeisters, Generalleutnant Wilhelm Groener, vom 17. September 1919 an Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) über Pazifismus und die Erfordernisse des Zukunftskrieges. In: Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg i. Br. (BA-MA), Nachlass von Schleicher N42/12, Bl.207f. Zum Zusammenhang vgl. Wolfram Wette: Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden. Frankfurt/M. 2002, S. 147-149.

(14) M. Hirschberg: Das Fehlurteil im Strafprozess. Frankfurt/M. und Hamburg 1962, S. 175. Zit. nach Ingo Müller: Pazifismus und Justiz. Helmut Donat/Johann P. Temmen (Hrsg.): Friedenszeichen Lebenszeichen. Pazifismus zwischen Verächtlichmachung und Rehabilitierung. Ein Lesebuch zur Friedenserziehung. Bremerhaven 1982, S. 195-217, hier: S. 199.

(15) Vgl. Felix Tych: Das Vorgehen der Justiz gegen Pazifisten im Wilhelminischen Deutschland: Die Strafprozesse gegen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. In: Helmut Kramer / Wolfram Wette (Hrsg.): Recht ist, was den Waffen nützt. Justiz und Pazifismus im 20. Jahrhundert. Berlin 2005, S. 109-126.

(16) Wette, Noske (wie Anm. 2), S. 308-315, sowie Klaus Gietinger: Eine Leiche im Landwehrkanal. Die Ermordung der Rosa L. Berlin 1995.

(17) Diese Zusammenhänge wurden bereits von pazifistischen Zeitgenossen intensiv erforscht. Ich nenne die Untersuchungen von Emil Julius Gumbel sowie der Deutschen Liga für Menschenrechte. Die politische Justiz in Deutschland und ihren Kampf gegen den Pazifismus haben hernach Otto Kirchheimer und Ernst Fraenkel untersucht, ebenso Heinrich Hannover und Elisabeth Hannover-Drück, Gotthard Jasper sowie Axel Görlitz und andere.

(18) Hans Paasche: Das verlorene Afrika. Berlin 1919 (= Flugschriften des Bundes neues Vaterland Nr. 16), S. 7.

(19) Siehe Werner Lange: Hans Paasches Forschungsreise ins innerste Deutschland. Eine Biographie. Mit einem Geleitwort von Helga Paasche. Bremen 1995, S. 220.

(20) Vgl. Wolfram Wette: Justiz und pazifistische Offiziere in der Zeit der Weimarer Republik. In: Kramer/Wette, Recht (wie Anm. 15), S. 127-142.

(21) Berthold Jacob: Das Freiwilligengrab in der Weser. In: Das Andere Deutschland, 4. April 1925. Nachdruck in: Helmut Donat/Lothar Wieland (Hrsg.): Das Andere Deutschland. Unabhängige Zeitung für eine entschiedene republikanische Politik. Eine Auswahl (1925-1933). Königstein/Taunus 1980, S. 1-4.

(22) Ebda., S. 3.

(23) Zum Urteil vom 14.2.1928 siehe Matthias Hanten: Publizistischer Landesverrat vor dem Reichsgericht. Zugleich ein Beitrag zur politischen Rechtsprechung in der Weimarer Republik. Frankfurt/M., Berlin, Bern, Wien 1999, S. 115-126. Jacob floh 1933 nach Spanien und Portugal, wurde von dort in das nationalsozialistische Deutschland verschleppt und starb unter Torturen (ebda., S. 116).

(24) Carl Dirks/Karl-Heinz Janßen: Der Krieg der Generäle. Hitler als Werkzeug der Wehrmacht. Berlin 1999.

(25) Helmut Donat: Rüstungsexperte und Pazifist - Der Reichswehroffizier Carl Mertens (1902-1932). In: Wolfram Wette (Hrsg.): Pazifistische Offiziere in Deutschland 1871-1933. Bremen 1999, S. 247-271.

(26) Deutsche Liga für Menschenrechte (Hrsg.): Weißbuch über die Schwarze Reichswehr. Deutschlands geheime Rüstungen. Von E. J. Gumbel, Berthold Jacob, Polizeioberst a.D. Lange, Generalmajor a.D. v. Schoenaich. Mit einem Anhang von Otto Lehmann-Rußbüldt u. Lothar Persius. Berlin 1925.

(27) Friederike Gräper: Die Deutsche Friedensgesellschaft und ihr General - Generalmajor a. D. Paul Freiherr von Schoenaich (1866-1954). In: Wette, Pazifistische Offiziere (wie Anm. 25), S. 210.

(28) Vgl. die zeitgenössische Aufklärungsschrift von Emil Julius Gumbel: Verräter verfallen der Feme. Opfer - Mörder - Richter 1919-1929. Berlin 1929; das Thema wurde wissenschaftlich aufgearbeitet von Irmela Nagel: Fememorde und Fememordprozesse in der Weimarer Republik. Köln 1991.

(29) Helmut Donat: Rüstungsexperte und Pazifist - Der Reichswehroffizier Carl Mertens (1902-1932). In: Wette, Pazifistische Offiziere (wie Anm. 25), S. 247-271, hier: S. 247.

(30) Carl Mertens, Otto Lehmann-Rußbüldt, K. Widerhold: Die deutsche Militärpolitik seit 1918. Berlin 1925.

(31) Siehe auch Carl Mertens: Verschwörer und Fememörder. Mit einem Nachwort von Berthold Jacob. Berlin 1926.

(32) Donat, Mertens (wie Anm. 25), S. 253 f.

(33) Messerschmidt, Ossietzky (wie Anm. 12), S. 21.

(34) H. Frank: Carl Mertens tot. In: Das Andere Deutschland, 11. Jg., Nr. 43, 22.10.1932. Zit. nach Donat, Mertens (wie Anm. 25), S. 257.

(35) Ingo Müller: Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit unserer Justiz Köln 1986.

(36) Vgl. Ingo Müller: Landesverratsprozesse und Beleidigungsverfahren gegen Pazifisten in der Weimarer Republik. In: Kramer/Wette, Recht (wie Anm. 15), S. 143-159.

(37) Hanten, Landesverrat (wie Anm. 23).

(38) Ebda., S. 50-68.

(39) Ebda., S. 67 f.

(40) Ignaz Wrobel (d.i. Kurt Tucholsky): Die großen Familien. In: Weltbühne, 27.3.1928. Wiederabdruck in: Kurt Tucholsky: Unser Militär! Schriften gegen Krieg und Militarismus. Hrsg. von Richard von Soldenhoff. Frankfurt/M. 1982, S. 410-412, mit Anm. S. 527-529.

(41) Ebda., S. 528, Punkt 2; sowie Kramer/Wette, Recht (wie Anm. 15), S. 152-154 u.ö.

(42) Tucholsky, Unser Militär (wie Anm. 40), S. 41 f.

(43) Ebda., S. 412.

(44) Ebda.

(45) Ebda.

(46) Zum Fall Friedrich Ebert siehe Otto Kirchheimer: Politische Justiz. Verwendung juristischer Verfahrensmöglichkeiten zu politischen Zwecken. Neuwied und Berlin 1965 [Amer. Original Princeton 1961], S. 130-134, Zitate S. 131.

(47) Siehe im einzelnen ebda., S. 132 f.

(48) Ralph Angermund: Deutsche Richterschaft 1919-1945. Krisenerfahrung, Illusion, politische Rechtsprechung. Frankfurt/M. 1990, S. 40.

(49) Bernt Engelmann: Rechtsverfall, Justizterror und das schwere Erbe. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Strafjustiz von 1919 bis heute. Köln 1989, S. 124.

(50) Müller, Furchtbare Juristen (wie Anm. 35), S. 46.

(51) Vgl. Emil Julius Gumbel (Hrsg.): Denkschrift des Reichsjustizministeriums über "Vier Jahre politischer Mord". Berlin 1924, Reprint Heidelberg 1980.

(52) Vgl. Arthur Kaufmann: Gustav Radbruch - Rechtsdenker, Philosoph, Sozialdemokrat. München, Zürich 1987; vgl. auch den Lexikonartikel desselben Autors: Radbruch, Gustav. In: Manfred Asendorf/Rolf von Bockel (Hrsg.): Demokratische Wege. Deutsche Lebensläufe aus fünf Jahrhunderten. Stuttgart, Weimar 1997, S. 491 f.

(53) Felix Fechenbach (1994-1933) war Journalist. Während der Revolution von 1918/19 wirkte er in München als Sekretär des Ministerpräsidenten Kurt Eisner. 1922 wurde er zu elf Jahren Zuchthaus wegen Landesverrats verurteilt. Er hatte ein Telegramm des bayerischen Gesandten beim Vatikan veröffentlicht, das auf Deutschlands Schuld an der Auslösung des Ersten Weltkrieges schließen ließ. Das Fehlurteil wurde 1926 vom Reichsgericht aufgehoben.

(54) Vgl. Otmar Jung: "Ein weißer Rabe" unter den Richtern der ersten Republik: Senatspräsident Freymuth. In: Kramer/Wette, Recht (wie Anm. 15), S. 160-175; ders.: Freymuth, Arnold. In: Demokratische Wege (wie Anm. 52), S. 189-191.

(55) Vgl. Gerd Hankel: Auf verlorenem Posten. Friedenspolitik und Völkerrecht in der Weimarer Republik. In: Kramer/Wette, Recht (wie Anm. 15), S. 176-189.

(56) Jost Dülffer: Regeln gegen den Krieg? Die Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 in der internationalen Politik. Berlin 1981.

(57) Vgl. Gerd Hankel: Deutsche Kriegsverbrechen des Weltkrieges 1914-1918 vor deutschen Gerichten. In: Wolfram Wette/Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert. [ Festschrift für Manfred Messerschmidt.]. Darmstadt 2001, S. 85-98; ders.: Die Leipziger Prozesse. Deutsche Kriegsverbrechen und ihre strafrechtliche Verfolgung nach dem Ersten Weltkrieg. Hamburg 2003.

(58) Manfred Messerschmidt: Militärkritik in der Weltbühne. In: Die Weltbühne. Zur Tradition und Kontinuität demokratischer Publizistik. Dokumentation der Tagung "Wieder gilt: Der Feind steht rechts!" Hrsg. v. Stefanie Oswalt im Auftrag der Kurt-Tucholsky-Gesellschaft. St. Ingbert 2003, S. 27 f.

(59) Begriff von Messerschmidt, Ossietzky (wie Anm. 12), S. 11.

(60) Vgl. Ingo Müller: Der "Weltbühnen"-Prozess: Carl von Ossietzky und die politische Justiz. In: Kramer/Wette, Recht (wie Anm. 15), S. 190-198.

(61) Vgl. Wolfram Wette/Detlef Vogel (Hrsg.): Das letzte Tabu. NS-Militärjustiz und Kriegsverrat. Berlin 2007; S. 50-52, Abb. 14: Faksimile des Gesetzentwurfs der NSDAP, auch zum Folgenden.

(62) Kramer/Wette, Recht (wie Anm. 15), S. 51 f.

(63) Urteil des Bundessozialgerichts vom 11. September 1991 9 a RV 11/90. Abgedruckt in: Wolfram Wette (Hrsg.): Deserteure der Wehrmacht. Feiglinge - Opfer - Hoffungsträger? Dokumentation eines Meinungswandels. Essen 1995, S. 234-248.

(64) Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.11.1995, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1996, S. 857 ff.; vgl. auch die Einschätzung von Otto Gritschneder: Rechtsbeugung. Die späte Beichte des Bundesgerichtshofs. In: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1966, S. 1239 ff.

(65) Deutscher Bundestag, 13. Wahlperiode, 175. Sitzung am 15.5.1997, S. 15818-15835.

(66) Messerschmidt, Ossietzky (wie Anm. 12).

(67) Zum Verfahren selbst vgl. Uwe Brauns: Die gescheiterte Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Carl v. Ossietzky. In: Juristische Zeitschrift (JZ) 1995, S. 492 ff.

(68) Vgl. Wolfram Wette: Von neuer "militärischer Normalität" und "gewachsener Verantwortung" Deutschlands. Ein Essay. In: Jahrbuch Frieden 1994. Konflikte - Abrüstung - Friedensarbeit. Hrsg. von Hanne-Margret Birckenbach, Uli Jäger und Christian Wellmann in Verbindung mit der AFK. München 1993, S. 21-33.

(69) Einer der Wortführer des neuen Kurses war der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, General Klaus Dieter Naumann. Siehe Klaus Naumann: Generale in der Demokratie. Generationsgeschichtliche Studien zur Bundeswehrelite. Hamburg 2007, S. 318 ff.

(70) Vgl. Martin Kutscha: Militäreinsätze vor dem Bundesverfassungsgericht. In: Wette/Kramer, Recht (wie Anm. 15), S. 321-336.


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Quelle:
Forum Pazifismus - Zeitschrift für Theorie und Praxis
der Gewaltfreiheit Nr. 16, IV/2007, S. 15-24
Herausgeber: Internationaler Versöhnungsbund - deutscher Zweig,
DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen) mit der Bertha-von-Suttner-Stiftung der
DFG-VK, Bund für Soziale Verteidigung (BSV) und Werkstatt für
Pazifismus, Friedenspädagogik und Völkerverständigung PAX AN
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2008