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BERICHT/298: Höchste Zeit - Atomwaffen abschaffen! (ZivilCourage)


ZivilCourage Nr. 2 - Mai/Juni 2013
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK

Höchste Zeit: Atomwaffen abschaffen!
Zwei Atomwaffenkonferenzen in Oslo

Von Ernst Rattinger



Gleich zwei Konferenzen zum Thema Atomwaffen gab es kürzlich in Oslo. Am 4. und 5. März trafen sich auf Einladung der Regierung Norwegens VertreterInnen von 130 Staaten zur Konferenz über humanitäre Auswirkungen von Atomwaffen (Oslo Conference on die Humanitarian Impact of Nuclear Weapons). Was allerdings zu erwarten war: Die neun Staaten, die selbst Atomwaffen besitzen - USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Pakistan, Israel und Nord-Korea -, glänzten durch Abwesenheit.

Diese Staaten nehmen sich das Recht heraus, ihre "Verteidigung" im Extremfall durch den Einsatz ihrer Atomarsenale zu sichern, notfalls um den Preis der Selbstvernichtung. In jedem Fall aber um den Preis, die Erde letztlich unbewohnbar zu machen. Genau dieser Aspekt war der Ausgangspunkt für die Konferenzbeiträge verschiedener UN-Unterorganisationen, des Internationalen Roten Kreuzes/Roten Halbmonds und weiterer Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Beendet wurde diese Konferenz mit einer gemeinsamen Erklärung und der Einladung Mexikos zu einer Folgekonferenz. Ein hörbares Echo in den Medien hat die Konferenz freilich nicht ausgelöst.

Zu den erwähnten NGOs gehört Ican (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons), die sich etwas Besonderes ausgedacht hatte: ein zivilgesellschaftliches Forum (Civil Society Forum) vom 1. bis 3. März, ebenfalls in Oslo. Über 500 Aktive aus 70 Ländern waren erschienen: Hiroshima-Überlebende, KünstlerInnen, ÄrztInnen, AnwältInnen und AktivistInnen aus aller Welt, ein Kardinal aus Afrika, ein US-Schauspieler und VertreterInnen auch hier bekannter Organisationen wie IPPNW, Greenpeace oder Pax Christi.

Und die alle hatten zwei Tage lang ein kompaktes Programm zu absolvieren: Vorträge, Filme, Diskussionsrunden und für ganz eifrige TeilnehmerInnen noch Parallelsitzungen in der Mittagspause. Doch daneben war noch genug Zeit für Kurzvorträge und persönliche Kontakte.

Besonders beeindruckt hat mich dabei der Auftritt der japanischen Anwaltsvereinigung gegen Kernwaffen. Dieser Verband ist mit einem eigenen Dossier für die Regierungskonferenz am 4./5. März hervorgetreten, welches auch im Rahmen des Ican-Forums vorgestellt wurde. Aber nicht nur um Resolutionen und politische Stellungnahmen ging es, sondern vor allem um den Blick darauf, was in Sachen "Atomwaffen abschaffen" getan wird. Hier zwei Beispiele aus dem Bereich der Kunst:

54 Künstler - fast alle aus Hiroshima oder Nagasaki - haben sich zu Project Now! zusammengeschlossen. Ihre Forderung: eine Konvention zur Abschaffung der Atomwaffen bis 2015. Mit einer Auswahl eindrucksvoller Bilder und einem wunderschönen Buch waren VertreterInnen der Gruppe nach Oslo gekommen, um ihren Beitrag zu präsentieren. Einen Teil ihrer Bilder kann man auf der (japanischen) Internetseite p-now.com sehen (die Seite ist teilweise in Englisch).

Beinahe schon als Regie rungsvertreter trat der 45jährige Künstler Karipbek Kuyukov aus Kasachstan auf, Ehrenbotschafter des Atom-Projekts. Kuyukov wurde 1968 in der Gegend von Karaganda, etwa 90 Kilometer vom Atomtestgebiet Semipalatinsk entfernt, ohne Arme geboren; eine Folge der massiven Verstrahlung dieser Region. Das Atom-Projekt (Abolish Testing. Our Mission.) wird vom offiziellen Nazarbayev-Center betrieben, um die Vision des Präsidenten von Kasachstan, alle Atomwaffen abzuschaffen, zu fördern und öffentlich zu vertreten. Der Hochglanzmappe Kuyukovs und auch der Website theatomproject.org ist zu entnehmen, dass das Ziel einer Nuklearwaffenkonvention für Präsident Nazarbayev höchste Priorität hat.

Doch nicht nur Kasachstan arbeitet für eine weltweite Ächtung der Atomwaffen. Mit Gry Larsen, Staatssekretärin im Außenministerium Norwegens, war eine der Gastgeberinnen der Regierungskonferenz auch auf dem Ican-Forum präsent, zumindest am Vormittag des 2. März.

Den Charakter einer Talkrunde hatte der Abend dieses Tages. Mit Martin Sheen und Reverend John Dear saßen zwei auch außerhalb der USA bekannte Aktivisten auf dem Podium und plauderten über sich, ihre Aktivitäten, Gott und die Welt. Martin Sheen ist ein sehr populärer Schauspieler und als Star einer US-Fernsehserie weiten Kreisen bekannt. Darüber hinaus steckt er eine Menge Zeit (und Geld) in verschiedene Hilfsprojekte und NGOs. Ein fröhlicher Jesuiten-Priester ist John Dear, Friedensaktivist und Autor von über zwei Dutzend Büchern zum Thema Gewaltlosigkeit und Frieden. Mit diesen Themen macht er sich in seiner Herkunftsregion, dem Südwesten der USA, nicht unbedingt Freunde. Denn das ist genau die Ecke, wo die Atombomben gebaut werden und sehr viele Arbeitsplätze hängen an der Rüstungsindustrie... (kennen wir doch auch von bestimmten Ecken in Südwestdeutschland). Ganz entspannt erzählt Dear von seinen gelegentlichen Vorladungen beim Erzbischof, dessen geistlichen Ermahnungen und den regelmäßigen Festnahmen (er hat aufgehört, sie zu zählen) bei Aktionen zivilen Ungehorsams. Gäbe es doch noch mehr John Dears...

Hat sich die Oslo-Reise gelohnt? Ich denke, dass es ein kluger Ansatz von Ican war, das zivilgesellschaftliche Forum vom 1. bis 3. März mit der Regierungskonferenz (4./5. März) zu verbinden. Zumindest einige der HauptrednerInnen des Forums sind auch bei der Regierungskonferenz gehört worden. Für das Ican-Forum selbst war mit Sicherheit die internationale Vernetzung und der persönliche Kontakt ganz unterschiedlicher AkteurInnen das wichtigste Ergebnis.

"Atomwaffen abschaffen" ist die allgemeine Forderung, aber ganz konkret in Deutschland sind die ersten Schritte: Abschied von der völlig überholten Idee "atomare Teilhabe", weg mit den verbliebenen US-Atombomben und keine "Modernisierung" dieser Waffen. Wir sind auf einem guten Weg: Die Vorbereitungen der Friedensbewegung für den Sommer in Büchel laufen bereits...

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Ican - Was ist das?

Die International Campaign to Abolish Nuclear Weapons ist im Vergleich mit der alten Dame DFG noch sehr jung. Gegründet wurde sie 2007 als Kampagnennetzwerk und ist damit im Kinderalter, aber nicht kindisch.

In mehr als 60 Ländern arbeitet das Netzwerk, und das alles wird gesteuert von einem zentralen Stab in Genf mit fünf Personen. Dazu gibt es noch eine internationale Steuerungsgruppe mit 13 Personen aus ganz unterschiedlichen Ländern. Ican arbeitet in vielen Ländern mit Partnerorganisationen zusammen, die eine Reibe von Voraussetzungen erfüllen müssen, beispielsweise müssen sie gewaltfrei arbeiten. So gibt es in vielen Ländern Afrikas gerade eine Ican-Partnerorganisation, in Japan sind es vier, in Frankreich beinahe 60 und in Deutschland zwei, nämlich die IPPNW und der deutsche Zweig von Ican. Alle NGOs können die Mitgliedschaft beantragen, wenn sie die Ziele von Ican unterstützen wollen. Eine Verpflichtung, einen bestimmten Beitrag zu zahlen, besteht nicht.

Ican ist also keine Friedensorganisation mit einer Vielzahl von Arbeitsfeldern, sondern ein Netzwerk mit einem ganz klar begrenzten Arbeitsthema. Die Arbeitsmethoden unterscheiden sich zwar von Land zu Land, doch geht es letztlich immer darum, Druck auf die politischen Akteure auszuüben mit der Forderung nach Achtung und Abschaffung der Atomwaffen.

Ernst Rattinger ist Sprecher der DFG-VK-Gruppe Mittelbaden.

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Quelle:
ZivilCourage Nr. 1 - Mai/Juni 2013, S. 14-15
Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK
Herausgeberin: Deutsche Friedensgesellschaft -
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V. (DFG-VK)
Kasseler Straße 1A, 60486 Frankfurt
Redaktion: ZivilCourage, Am Angelweiher 6, 77974 Meißenheim
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2013