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FREE GAZA/171: Israel scharf verurteilt (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 5. Juni 2010

Israel scharf verurteilt

Piratenakt Tel Avivs gegen »Free Gaza«-Schiffe »schockierende Mißachtung des Völkerrechts«.
Medizinischer Befund: Alle Todesopfer des Massakers wurden erschossen

Von Karin Leukefeld


Acht Lastwagenladungen mit Hilfsgütern der von Israel gestürmten »Free Gaza«-Schiffe warten derzeit am Grenzübergang Karem Shalom auf ihre Einreise in den Gazastreifen. Andere Container im Hafen von Ashdod sind noch nicht ausgepackt. Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri erklärte (gegenüber der Irish Times): »Solange nicht alle Güter freigegeben sind, werden wir über das Thema nicht reden, erst dann werden wir mit den Absendern der Hilfsgüter darüber sprechen, was damit geschehen soll.« Im übrigen sei es nicht allein die Entscheidung der Hamas, denn »die Hilfe geht nicht an die Hamas sondern an genau bezeichnete Hilfsorganisationen«, so Zuhri.

Richard Falk, Professor für Recht und Sonderberichterstatter für die besetzten palästinensischen Gebiete beim UN-Menschenrechtsrat, bezeichnete im US-amerikanischen Fernsehsender Democracy Now (www.democracynow.org) den israelischen Angriff auf die humanitäre Gaza-Flottille als »schockierende Mißachtung des Völkerrechts«. Die »nackte Aggression« widerspreche den »elementaren humanitären Standards«, sie sei »in internationalen Gewässern gegen unbewaffnete Schiffe« verübt worden. Die Begründung Israels, es habe in Selbstverteidigung gehandelt, sei »absurd«. Wenn überhaupt jemand in dem Zusammenhang das Recht auf Selbstverteidigung in Anspruch nehmen könne, seien das »die Leute an Bord der Schiffe«, so Richard Falk. Israel könne sich das nur erlauben, weil die USA weiterhin die »israelische Straflosigkeit« verteidige. Die Blockade des Gazastreifens sei im übrigen Ursache des »kriminellen Vorgehens« Israels. Sie verstoße gegen Artikel 32 der Vierten Genfer Konvention, die Kollektivbestrafung einer Zivilbevölkerung verbiete. Die Menschen im Gazastreifen seien in »einer Zone eingesperrt und werden psychisch und physisch in ihren Lebensgrund lagen (...) bedroht.« Die größte Hoffnung für die Palästinenser seien »nicht Regierungen oder die Vereinten Nationen, sondern die BDS-Kampagne«, die zum Boykott und Sanktionen aufrufe und fordere, nicht in Israel zu investieren. Eine solche Kampagne habe auch das rassistische Südafrika zu Fall gebracht, betonte Falk, der die »etablierten Regierungen« scharf für ihr »unmoralisches Versagen« kritisierte. Sie hätten schon vor Jahren gegen die Gaza-Blockade vorgehen müssen. Nicht Regierungen, sondern »Menschen weltweit vertreten heute das humanitäre Bewußtsein«.

Medizinische Untersuchungen haben inzwischen bestätigt, daß alle neun Todesopfer des Schiffskonvois erschossen wurden. Acht der Toten sind türkische Staatsangehörige, bei dem neunten handelt es sich um den 19jährigen US-Bürger Furkan Dogan, der durch vier Kopfschüsse und einen Schuß in die Brust getötet wurde.

In Israel demonstrierten am Donnerstag Tausende vor der türkischen Botschaft unter dem Motto »Wir lieben Israel«, und die Tageszeitungen bersten vor Berichten und Videos über die »Terroristen« der Gaza-Flottille. Eine Umfrage der Tageszeitung Maariv (2.6.) ergab bei den jüdischen Israelis eine Zustimmung von 94,4 Prozent zu dem gewaltsamen Vorgehen gegen den humanitären Schiffskonvoi.


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Quelle:
junge Welt vom 05.06.2010
mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2010