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FREE GAZA/187: Annette Groth (MdB Die Linke) zum Überfall auf die "Mavi Marmara" (SB)


Annette Groth (MdB Die Linke) zum Überfall auf die "Mavi Marmara"


Wie es dazu kam, daß in den frühen Morgenstunden des 31. Mai bei der Unterbindung der Fahrt eines mit Hilfsgütern für den Gazastreifen beladenen Schiffskonvois im östlichen Mittelmeer neun Zivilisten durch ein israelisches Spezialkommando getötet und rund 50 verletzt wurden, ist unklar. Deswegen verlangt die Regierung der Türkei, aus der die meisten Todesopfer stammen, daß sich eine internationale Untersuchungskommission mit dem Vorfall befaßt. Ihrerseits behauptet die Regierung Benjamin Netanjahus, daß die israelischen Marinesoldaten, nachdem sie sich von Hubschraubern auf die türkische Fähre Mavi Marmara abgeseilt hatten, von gewaltbereiten Islamisten angegriffen wurden und sich deshalb unter Einsatz von Schußwaffen verteidigen mußten. Gegen diese Version spricht das Ergebnis der in der Türkei an den neun Getöteten durchgeführten Autopsie. Demnach wurden 30 Schüsse auf sie abgegeben. Furkan Dogan, einem 19jährigen US-Bürger türkischer Herkunft, wurde fünfmal aus einer Entfernung von weniger als 45 Zentimeter ins Gesicht, einmal in den Hinterkopf, einmal in den Rücken und zweimal ins Bein geschossen.

In einem Artikel, der am 6. Juni in der britischen Zeitung Independent on Sunday unter der Überschrift "The hijacking of the truth: Film evidence 'destroyed'" erschien, gab die IoS-Journalistin Caterina Stewart unter anderem die Erlebnisse von Jamal Elshayyal, der für den Nachrichtensender Al Jazeera bis zur Unterbrechung der Übertragung durch die israelische Marine live von der Mavi Marmara berichtete, wieder:

Herr Elshayyal, ein Reporter des arabischen Senders Al Jazeera, stand auf der einen Seite des Schiffs und hatte sowohl den Bug als auch das Heck im Blick, als die Kämpfe ausbrachen. Seiner Schilderung zufolge haben die Soldaten, noch bevor einer von ihnen einen Fuß auf das Schiff gesetzt hatte, aus den Hubschraubern heraus auf die Demonstranten hinuntergeschossen. Ein Mann, der neben ihm stand, wurde durch die Schädeldecke erschossen und starb sofort.

"Was ich gesehen habe, war, wie Schüsse von den Hubschraubern aus und später unten auf dem Schiff abgegeben wurden", erklärte Herr Elshayyal. "Soweit es mich betrifft, ist es eine Lüge zu behaupten, sie hätten erst auf dem Deck zu schießen begonnen."

Mindestens zwei andere Augenzeugen sahen, wie Soldaten von oben auf die Schiffe schossen, bevor sie auf dem Deck der Marmara landeten. Es ist möglich, daß es dies war, was den erbitterten Widerstand auslöste, auf den die Soldaten nach der Landung auf Deck trafen. Mehrere Passagiere berichten, wie die Organisatoren andere Mitfahrer eindringlich darum baten, die Soldaten nicht zu schlagen, weil dies sich auf ihre Behauptung, friedliche Demonstranten zu sein, nachteilig auswirken würde. [1]

Annette Groth

Annette Groth

Annette Groth, menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion der Partei Die Linke im Deutschen Bundestag, Mitglied im Ausschuß für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, begleitete die Gaza Freedom-Flottille an Bord der Mavi Marmara. Der Schattenblick hatte Gelegenheit, Frau Groth am 4. Juni telefonisch über ihre Erlebnisse zu befragen.


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INTERVIEW/002: Annette Groth (MdB Die Linke) zum Überfall auf die "Mavi Marmara" (SB)


7. Juni 2010