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GAZA HUMAN/002: Aufenthalt des Konvois in der Türkei - Ankunft und Warten in Syrien (SB)


"Lebenslinie nach Gaza" - Hilfskonvoi seit zwanzig Tagen unterwegs


Nach fünftägigem, ereignisreichem Aufenthalt in der Türkei befindet sich der Hilfskonvoi für Gaza derzeit im Hafenort Latakia in Syrien. Inzwischen ist massive Verstärkung aus Algerien, Marokko, Tunesien, Jordanien, Bahrain, Oman, Kuwait, Mauretanien und Malaysia eingetroffen.

Am Montag, den 4. Oktober, meldete Viva Palestina: Der Konvoi befindet sich an Bord, bereit zur Überfahrt per Schiff nach Ägypten und wartet auf die entsprechende Erlaubnis der ägyptischen Behörden. Und Kia Ora Gaza berichtet:

Während die Regierung von Hosni Mubarak in Ägypten lange Zeit die israelische Blockade von Gaza unterstützt hat, zieht jetzt ein 'scharfer Wind des Wandels' durch die arabische Welt.

Nachdem Tel Aviv im letzten Mai den blutigen Überfall auf das Gaza-Hilfsschiff Mavi Marmara befohlen hat, ist heute auf den arabischen Straßen eine zunehmend harte Haltung gegenüber der kolonialen Herrschaft Israels über Palästina zu spüren. Und auch die öffentliche Meinung in Ländern fern des Nahen Ostens, einschließlich Neuseelands, hat sich gegen Israels gewalttätiges Vorgehen in Gaza gewendet.

Dieser Wandel der öffentlichen Stimmung findet sein Echo innerhalb der politischen Elite. Viele Regierungen in der arabischen Welt, und häufig auch darüber hinaus, fordern, daß die Blockade von Gaza sofort und vollständig aufgehoben wird.

In diesem Kontext finden die hochrangigen Verhandlungen statt, die dem internationalen Hilfskonvoi eine friedliche Passage nach Gaza hinein ermöglichen sollen.


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Bewegende Tage in der Türkei - 27.9.-2.10.

Herzlicher Empfang durch die türkische Bevölkerung am Grenzübergang - © Kia Ora Gaza

Herzlicher Empfang durch die türkische Bevölkerung am Grenzübergang
© Kia Ora Gaza

Nach herzlichem Empfang durch die türkische Bevölkerung sowohl an der Grenze zu Griechenland als auch in der Hauptstadt Istanbul mit einem Festakt, besuchten die Konvoi-Fahrenden die Gräber von zwei der auf der Mavi Marmara getöteten Freiwilligen, Cevdet Kiliçlar und Necdet Yildirim. Auf den Grabsteinen befinde sich lediglich das Datum ihrer Geburt, da, wie Kia Ora Gaza anläßlich dessen erklärt, dem islamischen Glauben zufolge Märtyrer nicht wirklich stürben.

Konvoi-Freiwillige besuchen das Grab von Cevdet Kiliçlar - © Kia Ora Gaza

Konvoi-Freiwillige besuchen das Grab von Cevdet Kiliçlar
© Kia Ora Gaza

Danach macht sich der Konvoi auf eine lange Kampagnentour zunächst durch das wegen seiner Staus berühmt-berüchtigte Istanbul ...

"Wir fuhren durch die Innenstadt, um soviel Aufsehen wie möglich zu erregen und unsere Solidarität mit den Türken deutlich zu machen" berichtet Azra Banu, Leiterin von Viva Palestina Malaysia. "Aber die Fahrt war einfach grauenvoll. Der Verkehr kam zeitweilig zum Erliegen, uns wurde der Friedensgruß von fast jedem auf der Straße erwiesen, den unser Konvoi passierte."

... und dann an verschiedene Stationen in der Türkei, nicht zuletzt an die Orte, an denen die sieben anderen von Israelis getöteten Freiwilligen begraben liegen, um ihre trauernden Angehörigen zu treffen und den Toten die Ehre zu erweisen.

Junge türkische Frauen intonieren 'Allahu Akbar!' auf dem türkischen Friedhof, 2. Oktober 2010 - © Kia Ora Gaza

Junge Frauen intonieren "Allahu Akbar!" auf dem türkischen Friedhof, 2. Oktober 2010
© Kia Ora Gaza

Die letzte Station in der Türkei ist Adana, wo Konvoi-Fahrende und türkische Unterstützer noch einmal die Gelegenheit wahrnehmen, am Grab von Çetin Topçuoglu der neun Getöteten an Bord der Mavi Marmara zu gedenken.



Jubelnder Empfang in Syrien

Nach "frustrierenden bürokratischen Verzögerungen" an der türkischen Grenze, fährt der Konvoi nach Syrien hinein, einem "überwältigenden Empfang" entgegen. Tausende Unterstützer, von Regierungsbeamten über die örtliche Bevölkerung bis hin zu palästinensischen Flüchtlingen, strömen dem Konvoi am Grenzübergang entgegen.

Tausende laufen dem Kovoi auf der Straße entgegen, der die Grenze nach Syrien überquert - © Kia Ora Gaza

Tausende laufen dem Kovoi auf der Straße entgegen, der die Grenze nach Syrien überquert
© Kia Ora Gaza

"Wir wurden mit Essen, Segnungen und Umarmungen regelrecht überschüttet", erinnert sich Chris van Ryn, stellvertretender Leiter des 'Kiwi-Teams', der Aktiven aus Neuseeland. "Ich mußte die Geschwindigkeit drosseln, weil eine Menschenmenge den Ambulanzwagen stürmte, Männer lehnten sich ins Fenster und küßten mich auf beide Wangen, ihre Bärte naß vor Tränen: 'Du bist ein guter Mensch, Allah sei mit dir', riefen sie. Ihr heftiger Gefühlsausbruch berührte uns zutiefst."

Empfang in Syrien mit Friedensgrüßen - © Kia Ora Gaza

Empfang in Syrien mit Friedensgrüßen
© Kia Ora Gaza

Verhandlungen in Damaskus, Aufenthalt in Latakia

Am Montagabend (4.10.) machte sich eine Delegation von 20 Mitgliedern des Konvois unter der Leitung von Viva Palestina-Gründer George Galloway von Latakia nach Damaskus auf den Weg zu Verhandlungen am Dienstagmorgen mit dem ägyptischen Botschafter über die Weiterfahrt nach Gaza. Am Dienstag fand in Syriens Hauptstadt eine internationale Pressekonferenz statt. George Galloway erneuerte die Zusage des Konvois, in jeder Hinsicht mit Ägypten zu kooperieren. Er wiederholte seine Bitte an "seine Exzellenz" Hosni Mubarak, den Konvoi und auch ihn, trotz des ausgesprochenen Verbots, ägyptischen Boden zu betreten, nach Gaza passieren zu lassen. Notfalls würde er jedoch auch auf seinen Platz auf dem Schiff verzichten, wenn dies bedeute, daß der Konvoi mit Freiwilligen aus fast 30 Ländern passieren könne.

Er erklärte zudem, daß der Konvoi plane, an dem Punkt vorbeizusegeln, an dem israelische Soldaten die Freunde auf der Mavi Maramara ermordet hätten. Und er fügte hinzu, daß die Soldaten vielleicht wiederkämen, doch das sei die Botschaft des Konvois: 'Wir haben keine Angst vor euch.' Es sei die Absicht der Israelis gewesen, die Welt so in Angst und Schrecken zu versetzen, daß alle Gaza den Rücken kehren, ihr Massaker habe jedoch das Gegenteil erreicht. Die Toten bezeichnete er als Märtyrer, "deren Blut eine weltweite, überwältigende Welle der Unterstützung für die Palästinenser ausgelöst" habe.

Nach der Pressekonferenz wurden die Verhandlungen mit dem ägyptischen Botschafter fortgesetzt. Am Abend nahmen die Konvoi-Delegierten an einer Demonstration in einem palästinensischen Flüchtlingslager in Damaskus teil, während die in Latakia verbliebenen Freiwilligen aus aller Welt die Gelegenheit wahrnehmen, mit palästinensischen Flüchtlingen zu sprechen, deren Familien vor 62 Jahren aus der Heimat Palästina vertrieben wurden.

"Lebenslange Freundschaften werden hier geschlossen", berichtet Azra Banu, die Leiterin von Viva Palestina Malaysia. "Die Gelegenheit, einen kleinen Einblick in das Leben des jeweils anderen, in die Familien, den Glauben und die Überzeugungen, die Kultur und den Lebensstil zu erhalten, ist Privileg und Ehre zugleich. Diese Erfahrung erweist sich als von unschätzbarem Wert."

Das Banner zeigt das Bekenntnis aller 'Konvoier': die Blockade von Gaza brechen - © Kia Ora Gaza

Das Banner zeigt das Bekenntnis aller "Konvoier"
© Kia Ora Gaza

Noch weiß niemand, wie lange der Konvoi in Latakia ausharren muß. Wenn es endlich soweit ist, kann alles sehr schnell gehen. "Wir stehen alle auf Abruf bereit," erklärte Chris van Ryn. "Und das heißt, daß wir innerhalb einer Stunde aufbrechen können."

Quelle: Kia Ora Gaza, http://kiaoragaza.net/

Bildnachweis:
© Kia Ora Gaza
mit freundlicher Genehmigung

7. Oktober 2010