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OFFENER BRIEF/087: Lebenslaute protestiert gegen Bußgelder (Lebenslaute)


Lebenslaute - Pressemitteilung vom 14. März 2019

Offener Brief der Lebenslaute an Innenminister von NRW Herbert Reul

Protest gegen die Praktiken des Bundesamts für Verfassungsschutz unerwünscht


Die Musik- und Aktionsgruppe Lebenslaute protestiert in Form eines Offenen Briefs gegen Bußgeldbescheide nach einem Konzert vor den Toren des Bundesamts für Verfassungsschutz am 20. August 2018.


13. März 2019

An das Polizeipräsidium Köln
51101 Köln

An den Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen
Herrn Herbert Reul

An die Öffentlichkeit

Sehr geehrter Herr Minister Reul, sehr geehrte Damen und Herren,

am 20. August 2018 blockierten wir, die musikalisch-politische Gruppe Lebenslaute, in einer gewaltfreien Aktion zivilen Ungehorsams mit Chor und Orchester für mehrere Stunden alle Zugänge des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Köln (Infos online). Ziel war es, die von uns, anderen Bürgerrechtsinitiativen und Parteien geforderte Abschaltung der Behörde symbolisch zu beginnen. Der sog. Verfassungsschutz hat sich besonders in den Jahren der Existenz des NSU (Nationalsozialist. Untergrund) verdächtig gemacht, mit seinen V-Leuten in rechtsradikale und gewalttätige Umtriebe bis hin zum Mord verstrickt zu sein. Für diesen unserer Ansicht nach legitimen politischen Protest erfahren wir nun staatliche Repression in Form von Bußgeldern wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht.

"[...] Der 'Verfassungsschutz' hat Neonaziszenen und -parteien über seine bezahlten Spitzel letztlich mitfinanziert, rassistisch geprägt, gegen polizeiliche Ermittlungen geschützt und gestärkt, anstatt sie zu schwächen. Damit ist er über sein kriminelles V-Leute-System selbst integraler Bestandteil des Neonaziproblems geworden, konnte jedenfalls kaum etwas zu dessen Bekämpfung beitragen",

so Rolf Gössner, Rechtsanwalt, Publizist und Sachverständiger in Gesetzgebungsverfahren, in seiner Rede zur Lebenslaute-Aktion. Er wurde jahrzehntelang vom Verfassungsschutz rechtswidrig beobachtet und kämpft seit über 14 Jahren vor Gericht dagegen an.

Nach der Selbstenttarnung des NSU wurden unter anderem im Bundesamt für Verfassungsschutz Akten vernichtet, die die Tätigkeit dutzender V-Leute aus seinem Umfeld dokumentierten. Ein Verfassungsschutzmitarbeiter war nachweislich bei dem NSU-Mord an Halid Yozgat in Kassel am Tatort. Bis heute behindert das Amt gerichtliche Ermittlungen, so dass niemand daraus strafrechtliche Konsequenzen fürchten muss. Spätestens seit 2016 mischen V-Leute auch in der islamistischen Szene mit, etwa im Fall des Attentäters vom Breitscheid-Platz, Anis Amri. Es besteht der Verdacht, dass seine Planungen dem Amt bekannt waren. Und auch hier wurden Akten manipuliert.

Aus alldem wird deutlich, dass die Aktivitäten des Verfassungsschutzes wegen seines unkontrollierbaren V-Leute-Systems von denen terroristischer Organisationen und Szenen nicht mehr klar zu unterscheiden sind. Deshalb halten wir zivilen gewaltfreien Widerstand gegen dieses Amt für ein legitimes Mittel. Wir fordern die Einstellung aller Verfahren gegen Mitglieder von Lebenslaute, die am 20. August 2018 von der Polizei geräumt worden sind.

Mit musikalisch-politischen Grüßen

Die Lebenslaute
Mit allen Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern

*

Quelle:
Lebenslaute
E-Mail: info@lebenslaute.net
Internet: www.lebenslaute.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2019

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