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STANDPUNKT/255: Protestbündnis läutet Widerstand gegen das geplante Polizeigesetz NRW ein (Grundrechtekomitee)


Komitee für Grundrechte und Demokratie
Pressemitteilung vom 25. Mai 2018

Protestbündnis läutet Widerstand gegen das geplante Polizeigesetz NRW ein +++ Bündnis warnt: Das geplante Polizeigesetz ist grundrechtswidrig +++ Demonstration am 7. Juli in Düsseldorf geplant


In Nordrhein-Westfalen formiert sich ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis gegen das neue Polizeigesetz. Das Gesetz hebelt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung und die Gewaltenteilung aus. Es ermöglicht ausufernde Überwachung und schränkt Freiheitsrechte ein. Das Bündnis "Nein zum neuen Polizeigesetz NRW" will den Gesetzgebungsprozess deshalb mit Veranstaltungen, Aktionen und einer großen Demonstration kritisch begleiten und auf diese Weise stoppen.

"Wir wollen mit unseren Aktionen ein klares Zeichen für den Erhalt unserer Freiheits- und Bürgerrechte setzen. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Polizei künftig auf der Basis von Vermutungen Computer hacken oder freiheitsentziehende Maßnahmen präventiv und ohne anwaltlichen Beistand vollziehen kann. Das ist eindeutig grundrechtsfeindlich." so Michèle Winkler, Sprecherin des Bündnisses. "Wir laden alle Menschen ein, gemeinsam mit uns ihre Stimme gegen diese Grundrechtseingriffe zu erheben - denn es sind wir alle, die davon betroffen sind."

Das Protestbündnis hat sich aus Anlass des Vorhabens der nordrhein-westfälischen Landesregierung, das Polizeigesetz in Anlehnung an das bayerische Polizeiaufgabengesetz zu ändern, gegründet. Unter dem Motto "#NoPolGNRW" arbeiten Gruppen aus Zivilgesellschaft und außerparlamentarischem Aktivismus, aus Verbänden und politischen Parteien, Gewerkschafter*innen, Jurist*innen und interessierte Einzelpersonen gemeinsam an einer Verhinderung des Gesetzes, das noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden soll. Unter anderem plant das Bündnis deshalb eine Demonstration am 07. Juli 2018 in Düsseldorf und ruft zur Beteiligung auf.

Aus Sicht des Bündnisses stellt das neue Polizeigesetz eine Verletzung demokratischer Grundrechte dar. Wie das bayerische Polizeiaufgabengesetz dreht sich auch der nordrhein-westfälische Gesetzesentwurf um die Einführung des Rechtsbegriffes der "drohenden Gefahr". Dieser soll der Polizei ermöglichen, vermeintlich verdächtige Personen sowie deren soziales Umfeld auch ohne konkrete Hinweise auf eine geplante Straftat zu überwachen, ihnen Aufenthalts- und Kontaktverbote auszusprechen und sie sogar in Präventivgewahrsam zu nehmen. Außerdem soll die Polizei im Rahmen sogenannter "strategischer Fahndungen" zukünftig ohne jeglichen Verdacht alle Menschen an öffentlichen Orten nach ihrer Identität befragen und kontrollieren dürfen. Darüber hinaus sieht der Entwurf die Ausweitung der öffentlichen Videoüberwachung sowie die Einführung von Tasern und elektronischen Fußfesseln vor.

"Mit solchen Maßnahmen stellt das neue Polizeigesetz uns alle unter Generalverdacht", so Sabine Lassauer, Sprecherin des Bündnisses. "Es beschädigt unsere Grundrechte wie die informationelle Selbstbestimmung, die Freiheit der Person und die Bewegungsfreiheit. Damit ist es klar verfassungswidrig und tritt die Rechtsnorm ?im Zweifel für den Angeklagten? mit Füßen. Das Land NRW begibt sich so auf den Weg in einen Polizei- und Überwachungsstaat, der seinen Bewohner*innen prinzipiell misstraut. Und jede*r kann davon betroffen sein".


Weitere Informationen:
https://www.no-polizeigesetz-nrw.de/

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Aufruf des Bündnisses "Nein zum neuen Polizeigesetz NRW"

Nein zum neuen Polizeigesetz NRW! Kein Angriff auf unsere Freiheit und Grundrechte


Die NRW-Landesregierung plant eine massive Verschärfung des Polizeigesetzes. Noch vor der parlamentarischen Sommerpause soll diese ohne große Diskussion verabschiedet werden. Diese Verschärfung hebelt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung und Gewaltenteilung aus.

Das neue Polizeigesetz ermöglicht es der Polizei, Menschen auch ohne konkreten Verdacht anzuhalten und zu durchsuchen, bis zu einen Monat in Präventivgewahrsam zu nehmen oder mit Hausarrest zu belegen. Sie soll Smartphones hacken dürfen, um Messenger wie WhatsApp mitzulesen - nicht nur von vermeintlich verdächtigen Personen, sondern auch in deren sozialem Umfeld. Zudem wird auch die Videoüberwachung des öffentlichen Raums ausgeweitet.

Kern des neuen Polizeigesetzes ist die Einführung des Rechtsbegriffes der "drohenden Gefahr". Durch die "drohende Gefahr", also die bloße Vermutung einer Gefahr, wird die Polizeitätigkeit vorverlagert in einen Bereich, in dem noch gar keine konkrete Gefahr droht. Verbrechen so weit im Vorfeld zu verhindern, mag im ersten Moment wünschenswert erscheinen, erhebt aber unverdächtiges, grundrechtlich geschütztes Handeln in den Bereich des verdächtigen und bedroht damit die Unschuldsvermutung. Strafbefugnisse im Polizeigesetz und der Eingriff bei Verdacht auf Gefahr verwischen die Grenze zwischen polizeilicher und nachrichtendienstlicher Tätigkeit und stellen auch die Gewaltenteilung insgesamt in Frage.

Betroffen von diesen Eingriffen in Grundrechte sind potentiell alle Menschen. Es reicht schon, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Doch muss klar sein: manche wird es früher und härter treffen als andere - nämlich diejenigen, die bereits besonderes Ziel polizeilicher Eingriffe sind. Durch den im Polizeigesetz vorgesehen Ausbau von Strategischen Fahndungen werden von Rassismus betroffene Menschen noch weit mehr als jetzt von "racial profiling"-Kontrollen getroffen werden. Auch Wohnungslose, psychisch Kranke, politisch Aktive, Streikende, Fußballfans und viele weitere werden die Maßnahmen verstärkt zu spüren bekommen.

2017 hatte Deutschland die niedrigste Kriminalitätsrate seit einem Vierteljahrhundert. Trotzdem werden derzeit in mehreren Bundesländern die Polizeigesetze verschärft. Den Landesregierungen reichen vage Terrorängste und ein diffuses Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung als Rechtfertigung. Das ist der Weg in den Polizei- und Überwachungsstaat!

Wir sagen deshalb - wie in vielen anderen Bundesländern auch - NEIN zum neuen Polizeigesetz in NRW; NEIN zum massiven Eingriff in die Grundrechte von Millionen von Menschen und NEIN zu massenhafter Überwachung unter dem Deckmäntelchen von Sicherheit und Ordnung!

• Wir wollen die Neuerungen im Polizeigesetz und die Auswirkungen, die daraus folgen, in der breiten Öffentlichkeit bekannt machen und werden dazu in vielen verschiedenen Städten NRWs Infoabende veranstalten - frag auch du bei uns für eine Veranstaltung in deiner Stadt an!

• Wir fordern den Landtag NRW auf, die Gesetzesänderungen nicht zu beschließen. Hierzu werden wir die Debatten zum Gesetz im Landtag in Düsseldorf kritisch begleiten und so auch am 07.06. zur öffentlichen Anhörung aktiv sein - halte dich darüber unter https://www.no-polizeigesetz-nrw.de/ auf dem Laufenden!

• Mit einer Großdemonstration am 07.07.2018 und damit wenige Tage vor der vermutlich letzten Lesung zum Gesetz wollen wir in Düsseldorf unseren Protest auf die Straße tragen - komm auch du mit und mobilisiere dazu im Vorfeld!

• Auch wenn das Gesetz verabschiedet werden sollte, werden wir nicht aufhören dagegen aktiv zu sein - wir werden die Verschärfungen und Einschränkungen der Grundrechte aller nicht tatenlos hinnehmen!

Wir sind das Bündnis "Nein zum neuen Polizeigesetz NRW". Wir sind Menschen aus verschiedenen Gruppen aus Zivilgesellschaft und außerparlamentarischem Aktivismus; wir sind Einzelpersonen aus Verbänden und politischen Parteien. Auch wenn wir in einzelnen Positionen unserer alltäglichen Praxis nicht übereinstimmen, so kommen wir doch zusammen, um gegen das neue Polizeigesetz zu protestieren, weil es uns alle betrifft - im Alltag, auf der Straße, in Schule, Uni und Betrieb.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 25. Mai 2018
Komitee für Grundrechte und Demokratie
Aquinostr. 7 -11, 50670 Köln
Telefon 0221 97269 -30; Fax -31
E-Mail: info@grundrechtekomitee.de
Internet: www.grundrechtekomitee.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2018

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