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STELLUNGNAHME/045: Bundesregierung weiter auf Kriegskurs (Friedensratschlag)


Bundesausschusses Friedensratschlag - Pressemitteilung vom 8. Januar 2014

Bundesregierung weiter auf Kriegskurs

Kabinett winkt zwei Bundeswehreinsätze durch:
• Deutschland beteiligt sich an "Krieg gegen den Terror"
&bull: Deutschland facht mit PATRIOT und AWACS syrischen Bürgerkrieg an

Friedensbewegung sagt NEIN



Kassel/Berlin, 8. Januar 2014 - Zu den Entscheidungen des Bundeskabinetts, deutsche Soldaten weiterhin im Mittelmeer und in der Türkei zu stationieren, erklärten die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer Stellungnahme:

Zu den ersten Amtshandlungen der Bundesregierung im neuen Jahr gehört die fast schon routinemäßige Verlängerung von zwei Auslandseinsätzen der Bundeswehr:

1. Zum angeblichen "Schutz der Türkei" wird das Mandat Active Fence unverändert um ein weiteres Jahr verlängert. Der Beschluss sieht eine Obergrenze von 400 Soldatinnen und Soldaten vor - derzeit sind 310 "Einsatzkräfte" vor Ort. Sie bedienen das Flugabwehrraketensystem Patriot und bilden das größte nationale Kontingent in den fliegenden Gefechtsplattformen AWACS.

2. Das zweite Mandat bezieht sich auf den seit über 12 Jahren währenden Einsatz der Bundesmarine im Mittelmeer im Rahmen der von der NATO geführten Operation Active Endeavor (OAE). Dieser Einsatz dient der Entdeckung und Bekämpfung von terroristischen Aktivitäten, ist also Bestandteil des von George W. Bush im September 2001 proklamierten andauernden Kriegs gegen den Terror, unter dessen Label grundsätzlich die ganze Welt als Aufmarsch- und Einsatzgebiet für NATO-Truppen behandelt wird. Auch wenn nach Angaben der Bundesregierung die Bundeswehr an diesem Einsatz aktuell nicht beteiligt ist (die deutsche Marine ist allerdings im Rahmen des UNIFIL-Mandats vor der libanesischen Küste eingesetzt), können Marineverbände mit bis zu 500 Einsatzkräften jederzeit eingesetzt werden.

Die Friedensbewegung lehnt beide Einsätze ab, und zwar aus folgenden Gründen:

1. Der Antiterroreinsatz im Mittelmeer ist im besten Fall eine Show- oder Ersatzhandlung zur Beruhigung ängstlicher Gemüter. Zu den wichtigsten Aufgaben der OAE gehört die Sicherung der Straße von Gibraltar - noch nie allerdings wurde ein Terrorist oder gar ein Boot von Al Kaida gesichtet. Für die einzigen konfliktträchtigen Zwischenfälle vor Gibraltar sorgten indessen die Regierungen Spaniens und Großbritanniens - beide NATO-Mitglieder!

2. Tausende Menschen sind in den letzten Jahren im Mittelmeer beim Versuch ums Leben gekommen, den unwirtlichen (Bürgerkriegs-)Verhältnissen in Nordafrika zu entkommen. Was haben die vielen Fregatten, Schnellboote, Marinehubschrauber unternommen, um in Seenot geratenen Flüchtlingsbooten zu Hilfe zu kommen? Nichts! Denn das ist nicht ihr Auftrag.

3. Im Dezember 2012 begründeten NATO und Bundesregierung uni sono die Stationierung von Patriots und AWACS mit einer angeblichen Angriffsgefahr durch mit Chemiewaffen bestückte syrische Flugzeuge und SCUD-Raketen auf das NATO-Mitglied Türkei. Diese Voraussetzung ist inzwischen entfallen. Syrien ist dem Chemiewaffenübereinkommen beigetreten und erfüllt den Vertrag. Die Anlagen zur Herstellung von C-Waffen sind zerstört, das Arsenal ist unter internationaler Kontrolle und die gefährlichsten Komponenten haben bereits Syrien auf dem Seeweg verlassen. Es ist geradezu absurd, mit der Stationierung der PATRIOT Syrien von einem Angriff auf die NATO "abschrecken" zu wollen. Die Fortsetzung der Stationierung stellt lediglich einen Vorwand dar, um die Spionageaktivitäten gegen die syrische Regierung fortsetzen und gegebenenfalls den militärischen Aufstand ungestört unterstützen zu können. Denn:

4. Die Radaranlagen der PATRIOT können einen präzisen Luftlageplan erstellen, der über Aleppo, der nach Damaskus wichtigsten Stadt Syriens im Norden des Landes, hinausreicht. Die Bundesregierung spricht hier von "luftgestützter Frühwarnung im Rahmen der Luftraumüberwachung" und vom "Austausch und Abgleich gewonnener Lagebildinformationen". Ähnliches ist mit den AWACS-Flugzeugen möglich, die sämtliche Flugbewegungen über syrischem Boden beobachten können und Luftlagebilder an Bodenstationen in Echtzeit übermitteln. Es wäre naiv zu glauben, dass die dabei gewonnenen Daten nicht auch den kämpfenden Einheiten in Syrien einschließlich der dort operierenden Terrororganisation Al-Nusra-Front zur Verfügung gestellt würden. Jede militärische Unterstützung der Türkei trägt demnach dazu bei, Feindseligkeiten gegen die Regierung in Damaskus zu schüren und die Lage in der Region weiter zu destabilisieren.

Beide Einsatzmandate müssen in der kommenden Woche noch vom Bundestag bestätigt werden. Angesichts der erdrückenden Mehrheitsverhältnisse ist davon auszugehen, dass beide Beschlüsse problemlos durchgewinkt werden. Für die Friedensbewegung wäre es interessant zu erfahren, ob neben der Fraktion DIE LINKE auch die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen gegen die Vorlage stimmt und ob es im SPD-Lager wenigstens eine Anzahl mutiger NEIN-Sager gibt.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski, Kassel
Lühr Henken, Berlin

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Quelle:
Pressemitteilung vom 8. Januar 2014
AG Friedensforschung und Bundesausschuss Friedensratschlag
Germaniastr. 14, 34119 Kassel
Telefon: (0561) 93717974
E-Mail: Bundesausschuss.Friedensratschlag@gmx.net
Internet: www.ag-friedensforschung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Januar 2014