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STELLUNGNAHME/051: Bundeswehr nach Somalia? Wir sagen NEIN (Friedensratschlag)


Bundesausschusses Friedensratschlag - Pressemitteilung vom 3. April 2014

Bundeswehr nach Somalia? Wir sagen NEIN

- Bundestag beschließt Ausbildungsmission mit 20 Soldaten
- Friedensratschlag: Was harmlos klingt, kann bitter enden
- Es gibt keine militärische Lösung



Berlin/Kassel, 3. April 2014 - Anlässlich der Bundestagsdebatte über den Antrag der Bundesregierung, den EU-geführten militärischen Ausbildungseinsatz in Somalia mit bis zu 20 Bundeswehrsoldaten zu unterstützen, erklären die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag in einer Stellungnahme:

Der Reichtum des Landes lockt:
Das geostrategisch in exponierter Lage am Übergang zwischen Afrika und Asien gelegene Somalia ist ein potenziell sehr reiches Land. Bereits in einer 1991 veröffentlichten Liste der Weltbank über abbaubare Erdölvorkommen rangiert Somalia vor dem Sudan auf Platz 1 unter acht Staaten Afrikas. Die somalischen Quellen gelten demnach als "vielversprechend" oder auch als "riesig". Für etwa zwei Drittel des Landes halten US-Konzerne seit Ende der 80er Jahre Konzessionen, die aber aufgrund des Bürgerkrieges seit Anfang der 90er Jahre nicht genutzt werden. Inzwischen sind andere westliche Firmen hinzugekommen, die Konzessionen im von Somalia unabhängigen Somaliland und Puntland im Norden nutzen. Auch das Offshore-Gebiet entlang der Küste am Indischen Ozean ist konzessioniert. Die mit Unterstützung des Westens und der UNO im September 2012 installierte Regierung unter Präsident Hassan Mohamud versucht seit Oktober 2013 internationale Öl- und Gaskonzerne nach Somalia zurückzuholen, um die reichlichen Ressourcen zu erkunden. Das kann freilich nur in befriedeten Gebieten geschehen.

Ausländische Truppen bisher ohne nachhaltige Wirkung:
Auf Grund der Aufstockung der Truppen der Afrikanischen Union (AMISOM), die sich hauptsächlich aus Soldaten aus Uganda und Burundi zusammensetzen, konnten die Shabaab-Milizen im August 2011 aus Mogadischu zurückgedrängt werden. Eine weitere Aufstockung von AMISOM auf 10.000 Soldaten (Dezember 2011) sowie der Einsatz äthiopischer und kenianischer Truppen ermöglichte Offensiven, so dass die Shabaab die von ihnen noch gehaltenen Städte aufgeben mussten. Trotz einer weiteren Erhöhung der AMISOM-Truppen auf 18.000 Soldaten im Juni 2013 und der EU-Ausbildungsmission für eine somalische Armee (seit April 2010), breiten die Shabaab-Milizen ihr Territorium seit Dezember 2013 aus und verstärken ihre Guerillaangriffe in somalischen und kenianischen Städten, insbesondere seit Jahresbeginn.

Die "Guten" und die "Bösen" in Somalia:
Die islamistische Shabaab gilt als Al-Qaida-Ableger und wird als solcher von den USA mittels Spezialeinheiten und Drohnenangriffen bekämpft, nach Expertenmeinung ist sie es jedoch nicht, sondern agiert unabhängig von Al-Kaida und hat eine nationale Agenda, die auf den Sturz der Regierung in Mogadischu zielt. Ihr kommt dabei zugute, dass sie diese als Handlanger ausländischer Mächte anprangern kann, denn die Gehälter der AMISOM-Truppen werden von der EU gezahlt, ihre Bewaffnung bezahlen die USA. Die somalische Regierung wird mehrheitlich von ausländischen Truppen geschützt und unterstützt, denn während AMISOM aktuell etwa 22.000 Soldaten aus sechs afrikanischen Ländern zählt, wird die Stärke der somalischen Armee mit lediglich 10.000 angegeben, was gemeinhin jedoch als zu hoch gegriffen gilt. Ihnen stehen derzeit etwa 3.000 Shabaab-Kämpfer gegenüber. Zudem ist das Ansehen der USA in Somalia schlecht, seitdem US-Truppen 1993 bei ihrem brutalen Eingreifen in den Bürgerkrieg 6.000 bis 10.000 Somalis töteten und Drohnenangriffe zur Radikalisierung der Shabaab beitragen. Die Shabaab-Milizen sind ein Bündnis kleiner somalischer Subclans mit meist ausländischen dschihadistischen Kämpfern, die sich in der von Großclans gebildeten Regierung in Mogadischu nicht vertreten fühlen.

EU-Mandat und Einsatz der Bundeswehr für die "Guten" ist kontraproduktiv:
Der Ausbildungseinsatz der EU setzt auf eine militärische Lösung zu Gunsten eines Teils der somalischen Gesellschaft, der in der Regierung repräsentiert ist. Diese Regierung geriet im Februar bei der UNO in Misskredit, weil sie heimlich Waffenlieferungen an Clanchefs weitergeleitet hatte, die dann auf Waffenmärkten auftauchten und in den Händen der Shabaab-Milizen landeten. Dabei ließ sich nicht einmal der Umfang dieser "systematischen" (UNO) Verletzung des UN-Waffenembargos ermitteln. Die EU-Ausbildung der somalischen Armee erweist sich als kontraproduktiv, denn von den bisher frisch ausgebildeten 3.600 somalischen Soldaten verlegen sich viele auf den Straßenraub gegen ihre Landsleute, weil ihr niedriger Sold nur unregelmäßig bezahlt wird, oder sie schließen sich, gut ausgebildet, den Dutzenden und besser zahlenden Privatmilizen an.

Nur 20 Soldaten - aber von großer symbolischer Bedeutung:
Sämtliche Bundesregierungen sind seit dem Ende der Blockkonfrontation bestrebt, mittels der Bundeswehr der Außenpolitik einen militärischen Anstrich zu geben. 1993 bildete der Großeinsatz der Bundeswehr mit 1.700 Soldaten in Somalia den Auftakt für eine schier endlose Kette von militärischen Auslandseinsätzen. Er scheiterte kläglich. Auslandseinsätze der Bundeswehr treffen auf eine breite Ablehnung in der Bevölkerung. 75 Prozent lehnen eine Ausweitung der Bundeswehreinsätze ab. Nun versucht die Bundesregierung mit einer Vielzahl kleinerer militärischer Einsätze kleinere Brötchen zu backen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erheischen. Die bis zu 20 Bundeswehr-Ausbilder ziehen auf das Gelände der AMISOM-Soldaten in Mogadischu und stärken damit den falschen politischen Ansatz einer militärischen Lösung.

Wir sagen, auch dieser Somalia-Einsatz ist, wie der erste 1993, falsch:
Der Einsatz von 20 Bundeswehrsoldaten zum Zwecke der Ausbildung somalischer Armeeangehöriger scheint harmlos zu sein. Dennoch ist er - im Zusammenhang mit der Antipiraten-Aktion "Atalanta" vor der Küste Somalias, worauf der Beschluss der Bundesregierung ausdrücklich hinweist - eingebettet in die Afrika-Politik der Bundesregierung, die letztlich der Ressourcensicherung und der Flüchtlingsabwehr dienen soll. Hinzu kommt, dass zu den Aufgaben auch das "Durchführen der strategischen Beratung des somalischen Generalstabs und des Verteidigungsministeriums" gehören soll. Damit werden die deutschen Teilnehmer an der Mission unmittelbar mit der somalischen Führung in Verbindung gebracht und geraten somit ins Visier der Aufständischen. Was harmlos klingt, kann bitter enden.

Es kann in diesem Bürgerkrieg keine militärische Lösung gegen:
Nur Verhandlungen, deren erstes Ziel eine Waffenruhe sein muss, führen zu einem Interessenausgleich. Um einen Verhandlungsprozess zu fördern, ist es notwendig, Bedingungen, die Verhandlungen hinderlich sind, abzubauen. Dazu zählt die Anwesenheit ausländischer Truppen in Somalia, Kampfdrohnenangriffe der USA und das Eingreifen von US-Special-Forces in den Bürgerkrieg. Zudem muss wieder ein Waffenembargo verhängt werden, das Handfeuerwaffen einschließt. Nur so können die Voraussetzungen geschaffen werden, um der von Kriegen schwer gebeutelten somalischen Bevölkerung eine Chance auf den Nutzen ihres rohstoffreichen Landes zu geben - endlich frei von Krieg, Hunger und Flucht.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Lühr Henken (Berlin)
Peter Strutynski (Kassel)

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Quelle:
Pressemitteilung vom 3. April 2014
AG Friedensforschung und Bundesausschuss Friedensratschlag
Germaniastr. 14, 34119 Kassel
Telefon: (0561) 93717974
E-Mail: Bundesausschuss.Friedensratschlag@gmx.net
Internet: www.ag-friedensforschung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2014