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BERICHT/082: TTIP Nein danke - Kurze Halbwertzeiten ... (SB)


Potential und Realität eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses

Demonstration gegen TTIP am 23. April 2016 in Hannover


90.000 Menschen gegen TTIP und andere Freihandelsabkommen zählten die Veranstalter der Demonstration, die einen Tag vor dem Besuch von US-Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel in Hannover die niedersächsische Landeshauptstadt lahmlegten. Die Polizei hielt mit der Angabe von 35.000 Demonstranten kräftig dagegen, doch wer sich die Mühe machte, die fünf Kilometer lange Strecke in schnellem Schritt vom Ende des Demonstrationszuges bis zu seiner Spitze zu überwinden, der wird eher die Angabe der Veranstalter für realistisch halten. Die symbolträchtige Eröffnung der Hannover Messe am folgenden Sonntag durch den Präsidenten der USA und die Regierungschefin des führenden EU-Staates stand auf jedem Fall im Zeichen der gegen die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) gerichteten Manifestation.


GEW und DGB auf der Demonstration - Fotos: © 2016 by Schattenblick GEW und DGB auf der Demonstration - Fotos: © 2016 by Schattenblick

Im Zentrum der Freihandelslogik - mehr Verfügungsgewalt über die Arbeit
Fotos: © 2016 by Schattenblick

Gar nicht so leicht fällt es indes, diese soziale Bewegung in ihrer politischen und ideologischen Vielfalt auf einen Begriff zu bringen, der etwas mehr darüber verrät, wer dort eigentlich massenhaft Flagge zeigt. In den Reden vor und nach der Demonstration war häufig von Zivilgesellschaft die Rede, doch das sagt nicht viel mehr aus, als daß es sich bei diesem Ereignis nicht um eine staatlich oder staatsnah orchestrierte Veranstaltung handelte, sondern eine Form allerdings hochentwickelter Selbstorganisation. Keineswegs nur von spontaner Schwarmintelligenz getragen fand inmitten der Landeshauptstadt eine Großveranstaltung statt, deren Logistik und Kommunikation zugleich unaufdringlich und effizient war, was die Handschrift erfahrener Organisatoren verriet. Vom zeitlichen Ablauf wie der räumlichen Strukturierung her sorgten die Veranstalter für einen weitgehend reibungslosen Verkehr, auf den sich offensichtlich auch die Polizei verlassen hatte, die im Verhältnis zur Teilnehmerzahl nur mit wenigen Beamtinnen und Beamten präsent war.


Anti-TTIP-Plakat und VW-Logo - Foto: © 2016 by Schattenblick

Dämpfer für transatlantische Euphorie
Foto: © 2016 by Schattenblick

Auf der Webseite [1], auf der zur Demonstration aufgerufen wurde, sind als deren Trägerkreis 24 Namen aus dem Bereich sozialer und ökologischer Nichtregierungsorganisationen und Verbände aufgeführt. BUND, attac, Oxfam, NABU und Greenpeace, um nur einige der größten zu nennen, weisen das klassische Profil gemeinnützig anerkannter Institutionen auf, deren Aktivistinnen und Aktivisten nicht nur Öffentlichkeitsarbeit betreiben, sondern gesellschaftliche Widersprüche in eigenen Studien und Publikationen aus unterschiedlichen politischen Blickwinkeln reflektieren und kritisieren. Die relativ junge Organisation campact, die an der Organisation der Demonstration maßgeblichen Anteil hatte, sticht insofern aus diesem Kreis hervor, als ihr Schwerpunkt mehr als bei allen anderen auf Online-Petitionen und -Kampagnen liegt, während konkrete Forschungsarbeit eher nicht zu ihrem Tätigkeitsfeld zu gehören scheint.

Als Dachverband von rund 10.000 Vereinen, Einrichtungen und Initiativen der sozialen Arbeit und Wohlfahrtspflege dürfte der Paritätische Wohlfahrtsverband neben der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Deutschen Kulturrat zu den größten Akteuren des Trägerkreises gehören. Allein deren Beteiligung am Zustandekommen dieser gegen ein wichtiges Regierungsprojekt gerichteten Bewegung belegt die Breite des Protestes. Als mit dem Trägerkreis zusammenarbeitende Dachorganisationen zahlreicher NGOs und Initiativen werden die europaweit aufgestellte Bürgerinitiative Stopp TTIP, das Bündnis TTIP unfairhandelbar und das Bündnis "Wir haben es satt!", das für eine ökologische Agrarwende eintritt, genannt. Als Unterstützer gesondert aufgeführt werden die Parteien Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, die ÖDP und die Piratenpartei. Komplettiert wird diese Vielfalt durch zwei Listen, die noch einmal weit über 100 regional und bundesweit aktive Organisationen aufführen.


Transparent 'Für einen gerechten Welthandel' - Foto: © 2016 by Schattenblick

Fronttransparent mit Leitmotto
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Transparent 'Widerstand globalisieren' - Foto: © 2016 by Schattenblick

Jugendbündnis für weltweiten Widerstand
Foto: © 2016 by Schattenblick

Protest im Zeichen internationaler Krisenkonkurrenz

So schwer greifbar des Subjekt der Anti-TTIP-Bewegung und so heterogen seine institutionelle Verankerung ist, so sehr sind alle Beteiligten auf das eine Ziel, TTIP und CETA zu stoppen, festgelegt. Während die von dem Trägerkreis formulierte Abgrenzung nach rechts, laut der es auf der Demonstration "keinen Platz für Rassismus, Rechtspopulismus und Antiamerikanismus" gibt, sicherlich im Sinne der meisten Demonstrantinnen und Demonstranten ist und dementsprechend wenig Stimmen gegen "Amerika" polemisieren, anstatt gezielt Freihandel durchsetzende Regierungen zu kritisierten, sind explizit linke Parolen zwar vorhanden, aber finden eher am Rande statt. So war das Flüchtlingsthema trotz seiner immensen gesellschaftspolitischen Bedeutung kaum präsent, gleiches gilt für Antimilitarismus und Antikapitalismus, wiewohl Vertreibung, Krieg und Ausbeutung in direktem Zusammenhang mit internationalen Handelsbeziehungen und innovativen Herrschaftsinstrumenten wie Investitionsschutz und regulatorischer Kooperation stehen.


Seitentransparent 'Refugees Welcome' - Foto: © 2016 by Schattenblick

Seltene Flüchtlingssolidarität
Foto: © 2016 by Schattenblick

Zweifellos ließe sich eine derart beeindruckende Menschenmenge nicht unter einem antikapitalistischen Vorzeichen in Bewegung setzen, gehört doch die Bundesrepublik bislang zu den Gewinnern der EU-europäischen und internationalen Krisenkonkurrenz. Daß dieser Erfolg wesentlich einer Politik der Lohnzurückhaltung und Austerität geschuldet ist, scheint keine so große Empörung hervorzurufen, daß die Logik des kleineren Übels und der Blick aus vermeintlich sicherer Distanz auf die globalen Verlierer nicht für Ruhe im Land sorgten. So verkörpert der gemeinsame Nenner der Mobilisierung gegen Freihandelsabkommen ein mögliches Minimum an gesellschaftlicher Gegenbewegung, das für grundlegendere Positionierungen gegen Ausbeutung und Krieg kaum tragfähig sein dürfte, und wirkt sich so auch als Befriedungsmechanismus aus, durch den potentiell entwicklungsfähiger Protest gebunden wird.

Exemplarisch dafür steht das auf der Demonstration und den Kundgebungen allgegenwärtige Motto "Für einen gerechten Welthandel". Vom Lautsprecherwagen aus wird es mit der Aussage unterstützt, man dürfe nicht immer nur dagegen sein, sondern müsse auch Alternativen aufzeigen. Im kapitalistischen Weltsystem konkurrieren jedoch auch ohne Freihandelsabkommen Staaten auf höchst unterschiedlichen Produktivitätsniveaus miteinander, was für die in Westeuropa und Nordamerika angesiedelten Länder mit höchstem Bruttoinlandsprodukt und entwickeltester Industrie bedeutet, im Globalen Süden über Arbeit und Rohstoffe auf eine Weise zu verfügen, die dort seit jeher soziales Elend und ökologische Zerstörung hervorbringt. Nun verschärfen TTIP, TPP, CETA und TiSA die am globalen Gefälle prosperierenden Verwertungsmöglichkeiten zu Lasten nicht nur der Bevölkerungen des Südens, sondern zusehends auch der eigenen Lohnabhängigen.

Im schlechtesten Falle liefe die Forderung nach einem vermeintlich gerechten Welthandel darauf hinaus, die global entuferte Krisenkonkurrenz neomerkantilistisch zu reorganisieren, was im Prinzip der Forderung nationalistischer Volkstribune entspricht. Auch aus diesem Grund kann es nicht erstaunen, daß die populäre Kampagne gegen TTIP starke Anziehungskraft auf rechtspopulistische Parteien und Organisationen ausübt.


Verzerrter Zombie-Obama mit Pentagramm - Foto: © 2016 by Schattenblick

Alles, was man nicht wollte ...
Foto: © 2016 by Schattenblick

Auf der anderen Seite ist die anhaltende manifeste Krise des Kapitals die stärkste Triebkraft für die Durchsetzung von Freihandelsabkommen und die instrumentelle Weiterentwicklung ihrer normsetzenden, tief ins Gewebe der sozialen Reproduktion greifenden Gewalt [2]. Um die gute Stimmung, die auf der Demonstration in Hannover herrscht, und die Freude über den massenhaften Protest nicht zu einem Pfeifen im Wald verkommen zu lassen, wäre eine umfassende Analyse des systemimmanenten Zwangscharakters, unter dem die Beweggründe der Freihandelsbefürworter stehen, erforderlich, die sich auch in die Breite der Bevölkerung vermitteln ließe. An inhaltlichen Vorgaben dafür fehlt es nicht [3], und auch wenn Schärfe und Präzision der Kritik nicht von selbst anwachsen, führt kein Weg daran vorbei, den Menschen auf emanzipatorische Weise für sozialen Widerstand nicht nur gegen Freihandelsabkommen zu ermächtigen.


Demonstrationszug auf Strecke - Foto: © 2016 by Schattenblick

Foto: © 2016 by Schattenblick

Stimmen vom Rand

Nicht jeder, der auf einer Demonstration öffentlich Stellung bezieht, tut dies auch gegenüber den Medien. Viele Aktivistinnen und Aktivisten linksradikaler Blocks ziehen es vor, kein Wort mit welcher Presse auch immer zu reden. So verständlich dies in Anbetracht herrschender Medienmacht ist, so sehr wirft das die Frage auf, wieso Menschen überhaupt an einer symbolpolitisch zugespitzten Veranstaltung teilnehmen und eine auf gesellschaftliche Resonanz abonnierte Botschaft aussenden, wenn sie diese nicht auch erläutern wollen. Sollte damit eine Art konspirativer Habitus unterstrichen werden, dann kann die demonstrierte Radikalität in ihrer nicht eingelösten subversiven Verwirklichung nur erstaunen.


Antikapitalistische Transparente - Foto: © 2016 by Schattenblick

Foto: © 2016 by Schattenblick

Wo die Frage, welche Position Aktivistinnen und Aktivisten zu Freihandelsabkommen einnehmen und wie sie sich in dem breiten politischen Spektrum der Demo aufgehoben fühlen, beantwortet wird, herrscht allgemein die Ansicht vor, auch andere Gedanken und Forderungen einbringen zu wollen. Dies vertreten etwa zwei FAU-Aktivisten, die an der Fahne der anarchosyndikalistischen Basisgewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union zu erkennen sind. Auch sie seien von Privatisierungen und Jobverlust betroffen, was durch Freihandelsabkommen wie TTIP nur noch schlimmer werde. Selbstverständlich habe man etwas gegen rechte Positionen, aber auch wenn solche in Einzelfällen auf dieser Demo anzutreffen wären, wollen sie sich den Protest nicht aus der Hand nehmen lassen. Der Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit liege ohnehin auf betrieblichen Kämpfen, und auch in diesem Kontext gelte das Nahziel, TTIP und nach Möglichkeit alle anderen Freihandelsabkommen zu verhindern oder rückgängig zu machen. Eine antikapitalistische Position hingegen könne man nur entwickeln, wo Kapitalismus stattfindet, und das sei im wesentlichen in den Betrieben der Fall, so die Antwort der FAU-Aktivisten auf die Frage, ob diese Bewegung eine über den Kampf gegen TTIP hinausgehende Perspektive haben könne.


Transparent 'Turn left!' - Foto: © 2016 by Schattenblick

Grün-schwarze Antwort
Foto: © 2016 by Schattenblick

Auch die biovegane [4] Landwirtin Alissa findet es wichtig, die eigenen Gedanken in die Demo hineinzubringen und sich nicht davon abschrecken zu lassen, daß man mit anderen Demonstrantinnen und Demonstranten nicht übereinstimmt. So verneint sie die Frage, ob sie sich eine engere Zusammenarbeit mit fleischproduzierenden Landwirten vorstellen könne, bejaht aber die gemeinsame Anwesenheit auf einer Demo gegen Freihandel, zu der so viele Menschen wie möglich kommen müßten. Auch sie wäre am liebsten mit ihrem Trecker angereist, verrät Alissa, die sich in der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) engagiert, dem Schattenblick inmitten der lautstark Parolen skandierenden Menschenmenge.


Kuh in deutschen Nationalfarben - Foto: © 2016 by Schattenblick

Unter welchen Nationalfarben ausgebeutet bleibt für die Kuh einerlei
Foto: © 2016 by Schattenblick

Auch ein konventionell produzierender Landwirt zeigt sich beeindruckt von der Treckerkolonne, die den Protestzug nicht nur mit Motorenlärm begleitet, sondern mit Wort und Bild unterstreicht, daß die bundesweit organisierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) allein im Widerstand auf breiter Ebene mit anderen Bündnispartnern die Möglichkeit sieht, die Freihandelsabkommen noch zu stoppen. Der Mann aus Nordrhein-Westfalen, der seine Produkte am liebsten regional vermarktet haben möchte, hält TTIP vor allem deshalb für gefährlich, weil US-amerikanische Standards die europäischen deckeln könnten. Zudem verfügten bäuerliche Betriebe mit dem Einzug der Gentechnik über kein eigenes Saatgut mehr und könnten somit kein Getreide aus traditioneller Züchtung mehr anbauen. Aus seiner Sicht würde die Ernte dann im Prinzip den jeweiligen Großkonzernen gehören, die mit ihrer Absicht, die Macht über die Agrarflächen an sich zu reißen, immer einen Schritt weiter wären. So sei es beispielsweise im Fleischmarkt schon gang und gäbe, daß kapitalstarke Konzerne den Schweinezüchtern den Bau großer Ställe finanzieren, sie selbst dann aber nur noch als Angestellte fungieren. Daher sei er zum Kämpfen bereit, weil er den Beruf des Landwirts noch bis zum Lebensende ausüben und sich weder von Konzernmacht noch Freihandelsabkommen die Zukunft diktieren lassen möchte.

Um gegen die imperialistischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA und die nackte Diktatur der Banken, Konzerne und Monopole zu protestieren, ist Konrad aus Chemnitz nach Hannover gekommen. Als Mitglied der Comintern (SH) kann er sich indes mit dem Motto der Demonstration nach einem gerechten Welthandel nicht identifizieren. Das seien für ihn Träume von Illusionisten und Reformisten, weil es im System des Weltimperialismus keinen Platz für einen wie auch immer gearteten fairen Handel geben könne. Dennoch findet er es richtig, sich an den Protesten ungeachtet der Deutungshoheit des proimperialistischen Lagers zu beteiligen. Daß er und seine Mitstreiter von vielen als sektiererisch beschimpft werden, könne er nicht nachvollziehen, da sie weder besonders radikal noch in irgendeiner Weise abgehoben wären, sondern lediglich vom Klassenstandpunkt ausgingen.


Rote Fahne mit Hammer, Sichel und Gewehr - Foto: © 2016 by Schattenblick

Foto: © 2016 by Schattenblick

Zivilgesellschaftlicher Widerstand sei dennoch unabdinglich, weil sich Banken und Konzerne über Freihandelsabkommen Entscheidungsbefugnisse aneignen, die aus dem Rechtsstaat nichts geringeres als eine Marionette machten, meint Konrad. Selbst wenn sich TTIP und CETA stoppen ließen, wäre dies kaum mehr als ein Zugeständnis der Herrschenden auf Zeit. Auch die im Kampf erstrittenen Errungenschaften der revolutionären Arbeiterbewegung hätten nur kurzfristigen Charakter, zumal der Imperialismus seine nächsten Angriffe auf den Zusammenhalt der Bevölkerung längst begonnen habe. In seinem politischen Kampf legt Konrad daher den Schwerpunkt auf die Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, um die "Leute in der Bude" zum Beispiel für Streiks zu mobilisieren. In diesem Sinne wäre eine Zusammenarbeit mit dem aus seiner Sicht sozialfaschistischen DGB reine Zeitverschwendung, wohl aber bestünden Kontakte zur Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO), was mit Blick auf den 1. Mai nur bedeuten könne, die Werktätigen dazu zu ermuntern, ihren eigenen revolutionären 1. Mai zu organisieren.

Maria, Nora und German vom Jugendverband Rebell der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) setzen sich für Sozialismus ein, weil der Kapitalismus keine Zukunftsperspektive mehr besitzt. Vielmehr müsse man aus den Erfahrungen der Vergangenheit und Gegenwart für die Zukunft lernen, damit sich die Unterdrückung der Völker und Menschen nicht endlos fortsetzt. Der Leitsatz von einem gerechten Welthandel als dem kleinsten gemeinsamen Nenner des Bündnisses gegen TTIP und CETA dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, daß die kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung die Lebensgrundlagen aller Menschen zerstört. Dies könne nicht durch politische Aushandlungsprozesse beseitigt werden, wenn nicht gleichzeitig ein radikaler Bruch mit den bestehenden Verhältnissen angestrebt werde. Ökologische Fragestellungen, wie sie von vielen Gruppen auf der Demonstration oft nur als Visitenkarte benutzt würden, um die Forderung nach einer besseren Daseinsvorsorge ideologisch aufzuwerten, hätten dennoch ihren Wert. In einer Zeit globaler Umweltzerstörungen, die den Fortbestand der Menschheit gefährdeten, müsse die Frage nach der Revolution auch auf eine ökologische Grundlage gestellt werden.


Transparent vom Netz Umsonstökonomie - Fotos: © 2016 by Schattenblick Transparent vom Netz Umsonstökonomie - Fotos: © 2016 by Schattenblick

Fotos: © 2016 by Schattenblick

Ob es gerechten Handel überhaupt geben könne, verneint der Aktivist vom Netz Umsonstökonomie in Bremen ganz entschieden. Er finde es total wichtig, daß andere Positionen auf der Demo sichtbar werden, und bedauert, daß Freihandel heute nicht mehr wie noch in den 80er und 90er Jahren ein großes Thema der radikalen Linken ist. In Bremen seien die Leute im wesentlichen mit ihren eigenen kleinen Projekten beschäftigt und hätten nur noch wenig Zeit für die globalen Probleme.

Dieses Land sei immer noch total befriedet, weil es aus der globalen Ausbeutung genügend Profit schlagen könne, daher hätten die Leute keine klassenkämpferische oder - wofür er steht - sozialrevolutionäre Perspektive. So würden soziale und ökologische Standards, die viele Menschen über lange Zeit erkämpft haben, in der Bundesrepublik massiv zerstört. Die Leute sind unzufrieden, aber bleiben still, was zur Folge hat, daß diese Unzufriedenheit häufig nach rechts gelenkt wird, so der Bremer Aktivist.

Auch er meint, daß sich Linke auf der Straße im Widerstand gegen Freihandelsabkommen einbringen und der Hoffnung auf eine weltweite Veränderung Nahrung geben sollten. Der Kapitalismus fahre die Sache so sehr an die Wand, daß man entweder in absehbarer Zeit eine globale Veränderung erreichen oder befürchten müsse, daß die Lebensperspektiven gänzlich den Bach heruntergingen. Die Aufgabe der Linken sei es trotz der momentanen Situation, in der es keine revolutionäre Perspektive zu geben scheint, die Menschen mit dieser Problematik zu konfrontieren. Im Süden Europas, wo die Bedingungen, unter denen die Menschen leben und kämpfen müssen, erheblich härter geworden sind, sehe es allerdings auch schon wieder anders aus, so sein abschließender Ausblick auf bessere Zeiten.


Demonstrationszug von oben - Foto: © 2016 by Schattenblick

Foto: © 2016 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] http://ttip-demo.de/home/netzwerk/

[2] PROPAGANDA/1486: Mythos Freihandel (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/prop1486.html

[3] Ingar Solty: Exportweltmeister in Fluchtursachen - Die neue deutsche Außenpolitik, die Krise und linke Alternativen
https://www.rosalux.de/publication/42191/exportweltmeister-in-fluchtursachen.html

[4] INTERVIEW/034: Vegane Fronten - Wo der Mensch auch hintritt ... Daniel Mettke im Gespräch (SB) http://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trin0034.html

[5] http://umsonstladenbremen.blogsport.de/

29. April 2016


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