Schattenblick → INFOPOOL → BÜRGER/GESELLSCHAFT → REPORT


INTERVIEW/140: Klimagegengipfel - agrarindustrielle Fleischproduktion abschaffen ...     Matthias Ebner im Gespräch (SB)



Inmitten des bunten Fahnenmeers auf der Demonstration "Kohle stoppen - Klima schützen!" am 4. November 2017 in Bonn sah man hin und wieder Transparente und Plakate mit Aufschriften, die auf den Zusammenhang zwischen Tierproduktion und Klimawandel verwiesen. Auch auf dem People's Climate Summit (PCS), in dessen zeitlichem und inhaltlichem Rahmen die Bonner Demo stattfand, wurde das Thema gelegentlich aufgegriffen. Am 7. November fand dazu sogar eine - offenbar kurzfristig anberaumte und kaum besuchte - eigene Demonstration vom Hauptsitz des Deutschen Verbandes Tiernahrung zum Wissenschaftszentrum, einem der Veranstaltungsorte des PCS, statt.

Zu jenen Organisationen, die sich mit dem Thema Tierschutz befassen und deren Plakate man auf der Bonner Großdemo ebenfalls entdecken konnte, gehörte die Partei Mensch Umwelt Tierschutz, auch kurz Tierschutzpartei genannt. Einer der Parteivorsitzenden des Bundesverbands und Vorsitzender des Landesverbands Baden-Württemberg ist Matthias Ebner. Er war bereit, während des Demonstrationszugs dem Schattenblick einige Fragen zum Thema zu beantworten.


Beim Interview - Foto: © 2017 by Schattenblick

Matthias Ebner
Foto: © 2017 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Könnten Sie eine kurze Stellungnahme dazu abgeben, was Tierschutz und Klimaschutz miteinander zu tun haben?

Matthias Ebner (ME): Sie haben sehr viel miteinander zu tun. Die agrarindustrielle Tierhaltung ist mit einem Anteil von 18 Prozent an den weltweiten Treibhausgasemissionen beteiligt. Das World Watch Institute hat sogar einen Anteil von 51 Prozent ausgerechnet. Ich denke mal, irgendwo dazwischen wird die Wahrheit liegen. Leider wird das, teils auch bei solchen Veranstaltungen wie heute, aber insbesondere beim kommenden Weltklimagipfel komplett ignoriert. Es muß endlich etwas dafür getan werden, daß die Massentierhaltung abgeschafft wird.

SB: Wäre Ihre Position beispielsweise mit der der ebenfalls hier vertretenen Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft in Deckung zu bringen, die zwar nicht grundsätzlich gegen Tierhaltung eingestellt ist, aber fordert, daß sie kleinbäuerlich orientiert sein sollte?

ME: Das ist sicher der erste Schritt in die richtige Richtung. Als erstes muß die Massentierhaltung abgeschafft werden, aber letztendlich sollte es schon das Ziel sein, komplett zu einer rein pflanzlichen Landwirtschaft, ohne Tierhaltung, zu gelangen. Weil einfach nur auf diese Weise mehr als sieben Milliarden Menschen gerecht und gesund ernährt werden können, ohne gleichzeitig das Klima und die Umwelt zu schädigen.

SB: Die Tierschutzpartei ist in Deutschland zur Wahl angetreten. Es gibt ja immer mehr junge Leute, die sich für Tierthemen interessieren, sich vegetarisch oder vegan ernähren und womöglich erstmals zur Wahl gehen dürfen. Wie ist das Wahlergebnis für Sie ausgefallen, schlägt sich dieser Trend schon nieder?

ME: Ja, wir haben bei der letzten Bundestagswahl den sechstgrößten Zuwachs unter allen Parteien gehabt und waren die drittstärkste Kraft von denen, die nicht über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen sind. Wir haben unsere Stimmen wirklich stark erhöht und unser Wahlergebnis prozentual fast verdreifacht. Wir sind in so vielen Bundesländern angetreten, wie niemals zuvor in unserer Geschichte. Leider haben wir es nicht geschafft, bei allen auf dem Wahlzettel zu stehen. Wenn wir überall darauf gestanden hätten, dann wären wir wahrscheinlich sogar die stärkste Kraft von denen unter fünf Prozent geworden. Daran arbeiten wir natürlich noch.

Ich sage immer, wir sind die mit Abstand effizienteste Partei in ganz Deutschland, weil wir leider sehr, sehr wenige Mitglieder haben, aber sehr gute Wahlergebnisse bekommen. Von daher setzen wir schon, wie Sie es gesagt haben, darauf, daß die zukünftigen Generationen uns unterstützen, wählen und Mitglieder bei uns werden. Weil wir im Gegensatz zu den etablierten Parteien eigentlich alle wichtigen Themen unserer Zeit konsequent angehen.


Drei Personen tragen Transparent mit Aufschrift 'Tiere verspeisen heißt Arktis enteisen' - Foto: © 2017 by Schattenblick

Vereinzelte Stimmen gegen die Tierverwertung
Foto: © 2017 by Schattenblick

SB: Steht der Ausstieg aus der Massentierhaltung momentan im Zentrum Ihres Parteiprogramms zum Tierschutz?

ME: Es gibt dazu natürlich noch viele weitere Aspekte beim Thema Tierschutz. Zum Beispiel das Thema Tierversuche, wo wir ja leider immer noch im Mittelalter festhängen und, wenn wir moderne Forschung betreiben würden, in der Medizin schon viel, viel weiter sein könnten. Es ist sowohl aus menschenbasierter Sicht als auch natürlich im Sinne der Tiere dringend angeraten, daß wir aus den Tierversuchen aussteigen. Leider fließen noch immer unter ein Prozent der staatlichen Gelder in Alternativen zu Tierversuchen verglichen mit dem, was in die Tierversuche selber fließt. Es gibt natürlich noch viele andere Bereiche, mit denen wir uns befassen. Wir heißen ja Partei Mensch Umwelt Tierschutz, deshalb setzen wir uns auch für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und insbesondere auch wie auf der heutigen Demonstration für das Thema Umweltschutz ein.

SB: Zum Mensch-Tier-Verhältnis und ethischen Fragen werden teils intensive Debatten geführt. Wie stehen Sie zu der umstrittenen Position Peter Singers?

ME: Peter Singer hat sicherlich etwas ins Rollen gebracht, von daher ist ihm einiges zu verdanken. Gleichzeitig vertritt er aber eine Position, die ich nicht teile. Das ist dieser Utilitarismus, nach dem immer das gilt, was den meisten Menschen oder den meisten Individuen hilft. Ich teile seine Meinung, daß Menschen und Tiere gleich viel wert sind und daß man nicht generell die Menschen über die Tiere stellen sollte. Aber ich teile nicht die Meinung, daß es in Ordnung ist, wenige Individuen zu quälen, seien es Menschen oder seien es Tiere, um vielen zu helfen. Es gibt gewisse Grundrechte, die meiner Meinung nach eigentlich jedes Individuum haben sollte.

SB: Vielen Dank, Herr Ebner, für das Gespräch.


Nebeneinander marschieren drei Demonstrierende in gleich blauen Jacken und tragen jeweils ein Pappplakat der Tierschutzpartei vor sich - Foto: © 2017 by Schattenblick

Die Tierschutzpartei demonstriert
Foto: © 2017 by Schattenblick


Bisher im Schattenblick unter BÜRGER/GESELLSCHAFT → REPORT zum People's Climate Summit (PCS) in Bonn, mit dem kategorischen Titel Klimagegengipfel versehen, erschienen:

BERICHT/097: Klimagegengipfel - Demo der Gemäßigten ... (SB)
INTERVIEW/135: Klimagegengipfel - Kafkaeske Weisheiten ...     Uwe Hiksch im Gespräch (SB)
INTERVIEW/136: Klimagegengipfel - Störfall Wirtschaft und Energie ...     Dipti Bathnagar im Gespräch (SB)
INTERVIEW/139: Klimagegengipfel - nur noch wenig Zeit ...     Franziska Buch im Gespräch (SB)


14. November 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang