Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → TICKER

FLUCHT/045: Getretene Würde - vogelfrei (Borderline Europe)


Borderline Europe - 12. Mai 2014

Unterstützung für die in der Türkei lebenden afghanischen Flüchtlinge



Sie sind eine Gruppe Studierender der Sozialen Arbeit aus Berlin und befinden sich gerade für ein Austauschsemester in Ankara. Am 9. Mai erfuhren sie zufällig, dass sich vor 26 Tagen eine Gruppe von afghanischen Flüchtlingen zu einem stummen Protest vor dem Hauptsitz des UNHCR in Ankara zusammengefunden hat. (Eine Gruppe von ca. 30 Personen steht und sitzt mit Plakaten, auf denen ihre Forderungen stehen, dem UNHCR-Gebäude zugewandt auf dem Bürgersteig.) Am Samstag, den 10. Mai, haben sich die Studierenden mit einem der Protestierenden über ihre Aktivitäten, Ziele und Forderungen unterhalten.

Der Protest wurde bereits durch polizeiliche Gewalt eingeschränkt. So hatten sich beispielsweise, zum Zeichen ihrer Machtlosigkeit, einige der Flüchtlinge in den Hungerstreik begeben und ihre Münder zugenäht, diese wurden von der Polizei in einer nächtlichen Aktion - gegen den Willen der Flüchtlinge - wieder aufgeschnitten. Ebenfalls wurden Protestierende, die alle aus anderen Städten der Türkei für den Protest angereist sind, verhaftet und in ihre Städte zurückverwiesen. Ihnen wurde im Falle einer Rückkehr nach Ankara und der Fortsetzung des Protestes mit Abschiebung gedroht.

Nach Regelung der Polizei dürfen die Proteste täglich lediglich zwei Stunden morgens und zwei Stunden nachmittags stattfinden. Außerdem wurde der Studenten-Gruppe berichtet, dass neun afghanische Flüchtlinge, die an dem Protest teilgenommen hatten und vom UNHCR abgewiesen wurden, bei dem Versuch, mit dem Boot nach Griechenland zu fliehen, gestorben sind.

Von Seiten des UNHCR kam bisher keine Reaktion auf die Proteste der Flüchtlinge, obgleich die dort arbeitenden Menschen täglich an dem Protest vorbeikommen.

Die Türkei hat die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, mit dem Zusatzprotokoll von 1967 unterzeichnet. Jedoch beschränkt sich die Anwendung (gemäß Artikel 1 B Nr. 1 der GFK) des Flüchtlingsschutzes, also die Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen, lediglich auf die aus europäischen Staaten kommenden Flüchtlinge. Für alle anderen Flüchtlinge, die nicht aus Europa kommen, hängt also der einzige Schutz von dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) ab. Für diese versucht der UNHCR, einen Resettelment-Platz in einem Drittstaat zu finden. Das bedeutet, dass Flüchtlingen die Möglichkeit gegeben wird, in einem Drittstaat einen Asylantrag zu stellen.


Die Forderungen der afghanischen Flüchtlinge und Informationen von der Internetseite der Protestierenden wurden von der Studenten-Gruppe ins Deutsche übertragen:


Stellungnahme protestierender afghanischer Flüchtlinge in Ankara:

(Original Englisch: http://afgrefugees.com/en/)

Über die Jahre ist die Zahl, der in die Türkei fliehenden Afghanen, stark gestiegen. Ende 2013, mit der Zunahme des Kriegs und der Gewalt in Afghanistan, hat sich die Zahl der Flüchtlinge verdoppelt (mehr als 30.000).
Alle afghanischen Flüchtlinge, die im Hauptsitz des UNHCR in Ankara und in der Nebenstelle Van registriert sind, leben in der ganzen Türkei verteilt ohne Arbeitsgenehmigung und Gesundheitsversicherung. Sie dürfen die ihnen zugewiesene Stadt nicht verlassen und sind vielen weiteren Schwierigkeiten ausgesetzt.

Diese Webseite wurde eingerichtet, damit afghanische Flüchtlinge ihre Probleme in der Türkei und wichtige Informationen über Flüchtlinge und Asylsuchende über die ganze Welt hinaus teilen können. Die Webseite hofft, eine zentrale Rolle für afghanische Flüchtlinge in der Türkei zu spielen und diese mit anderen afghanischen Flüchtlingsorganisationen in anderen Ländern zu vernetzen.

Für eine bessere Zukunft für alle Flüchtlinge und Asylsuchenden!

http://afgrefugees.com/en/
https://twitter.com/AfgRefugees
https://www.facebook.com/AfgRefugees


Protest vor dem Hauptsitz des UNHCR in Ankara
(Original Türkisch:
http://www.afganistanhazaralaridernegi.org.tr/2014/05/07/afgan-multeci-siginmacilarin-son-durumu/)

(...)
Eine Gruppe von 15 Menschen hat vor dem UNHCR-Gebäude in Ankara einen stummen Protest (am 14. April 2014) begonnen, um auf die Situation der in der Türkei lebenden afghanischen Flüchtlinge und die Diskriminierung Seitens des UNHCR aufmerksam zu machen. Die Zahl der protestierenden Flüchtlinge wächst. Aus verschiedenen Städten der Türkei kommen afghanische Flüchtlinge und Asylsuchende, um den Protest zu unterstützen. Sie sagen: "Wir mögen, wie jeder Mensch, seine Heimat und Nation. Wir haben es uns nicht ausgesucht, Flüchtlinge zu sein. Leider ist unser Land, durch die seit 45 Jahren stattfindenden Kriege zerstört worden, und diese Kriege haben uns dazu gezwungen, unser Heimatland zu verlassen. Auch wir lieben die Freiheit. Wir wissen was Recht und Gerechtigkeit ist und fordern unsere Rechte ein."

Die Diskriminierung von Seiten des UNHCRs akzeptieren wir nicht. Wir, die in der Türkei lebenden afghanischen Flüchtlinge, wollen, dass unseren Forderungen Aufmerksamkeit geschenkt wird:

Forderungen der afghanischen Flüchtlinge:

1. Warum lässt der UNHCR die afghanischen Flüchtlinge, nachdem ihre Anträge geprüft wurden und ihnen ein Aufnahmestatus gegeben wurde, eine lange Zeit (7-9 Jahre) warten, und warum wird ihnen nicht die Möglichkeit gegeben, in einem Drittstaat Asyl zu bekommen.

2. Der UNHCR muss auf das gerechte Handeln der mit Flüchtlingen arbeitenden Organisationen/Vereinen vertrauen. Jedoch handeln die von dem UNHCR abhängigen Vereine ebenfalls diskriminierend und ungerecht.

3. Wenn der UNHCR nicht diskriminierend ist, warum werden dann Flüchtlingen aus anderen Ländern registriert und warum bleibt die Tür nur für die afghanischen Flüchtlinge geschlossen, und warum werden sie nicht mehr registriert?

4. Warum lässt der UNHCR die neu aus Afghanistan kommenden Flüchtlinge in einer "Schwebeposition"? Warum werden die vom UNHCR angenommenen Unterlagen der afghanischen Flüchtlinge als ausgesetzt erklärt und die Dauer der "Schwebe" von 6 auf 18 Monate verlängert?

Der UNHCR gibt den Flüchtlingen eine symbolische Telefonnummer und jedes mal, wenn wir diese Nummer anrufen, wird der Anruf weder angenommen, noch erreichen wir jemanden, der uns Informationen geben kann.

Warum kann der UNHCR keine vernünftige Antworten über den Verlauf des Verfahrens geben? Warum wirken sich diese Methoden nur auf afghanische Flüchtlinge aus? Gibt es als Lösung keinen anderen passenderen Weg? Oder gibt es nicht einen gültigen Weg für alle in der Türkei Asyl suchenden Menschen?

Wir wollen nur Gerechtigkeit. Die afghanischen Flüchtlinge erwarten, genauso wie alle anderen in der Türkei lebenden Flüchtlinge, behandelt zu werden.

Nun warten wir darauf, dass der UNHCR sofort den Wünschen der afghanischen Flüchtlinge zuhört, und den Weg für eine passende Lösung findet.

Wir, die in der Türkei lebenden afghanischen Flüchtlinge, erwarten von den Organisationen und Vereinen, die mit dem UNHCR zum Thema Rechte der Flüchtlinge zusammenarbeiten, Unterstützung. Ihr könnt unsere Rechte verteidigen, wir sind auch Menschen und erwarten eine menschenwürdige Behandlung.

Wir erhoffen uns eine positive Veränderung unserer Situation.

*

Quelle:
borderline-europe - Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin
E-Mail: mail@borderline-europe.de
Internet: http://www.borderline-europe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Mai 2014