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BERICHT/088: Aufklärung als Schlüssel gegen Genitalverstümmelung (frauensolidarität)


Terre des Femmes in der frauensolidarität - Nr. 110, 4/09

Bangr-Nooma - nichts Besseres als Wissen
Aufklärung als Schlüssel gegen Genitalverstümmelung

Von Regine Bouédibéla und Sabrine Gasmi


In Burkina Faso kämpft seit 1998 der Verein Bangr-Nooma mit großem Erfolg gegen Genitalverstümmelung. Dabei werden traditionelle Autoritäten als Verbündete einbezogen, junge Frauen und Mädchen beraten und ehemalige Beschneiderinnen umgeschult. TERRE DES FEMMES (TDF) unterstützt dieses Projekt, informiert in Deutschland und sammelt dazu Spenden.

Anfang 2009 besuchte Regine Bouédibéla, TDF-Projektkoordinatorin, Bangr-Nooma in Burkina Faso. Sie konnte sich vor Ort ein Bild über die bisherigen Erfolge machen. Dennoch bleibt noch viel zu tun, denn immer mehr Dörfer möchten mit Bangr Nooma zusammenarbeiten.


Wie alles begann ...

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sind über 70% der weiblichen Bevölkerung im westafrikanischen Burkina Faso an ihren Genitalien verstümmelt. Die Regierung hat den 18. Mai zum "Tag des Kampfes gegen die Beschneidung" erklärt, verfügt jedoch nicht über die Mittel für eine breite Kampagne. Daher hält sich die Praktik vor allem in den ländlichen Gebieten, in denen die Mehrzahl der Bevölkerung lebt.

An vorderster Front gegen Genitalverstümmelung kämpft seit 1998 Rakieta Poyga. Nachdem sie in ihrem Heimatdorf mit der Aufklärungsarbeit begonnen hatte, gründete sie mit fünf Frauen den Verein Bangr-Nooma. Mittlerweile sind hier mehr als 300 engagierte Frauen und Männer ehrenamtlich tätig. Bangr-Nooma heißt soviel wie "es gibt nichts Besseres als Wissen".

Daher stehen Aufklärungskampagnen gegen die genitale Verstümmelung im Mittelpunkt der Arbeit von Bangr-Nooma. Diese auf mindestens drei Jahre ausgerichteten Aufklärungskampagnen richten sich vor allem an Mädchen und Frauen, aber auch an traditionelle und religiöse Autoritäten wie zum Beispiel Dorfchefs, Lehrer sowie an alle jene, die in ihren Gemeinschaften Ansehen genießen.


Die Erfolge

Eine wichtige Anlaufstelle für benachteiligte Mädchen und Frauen ist die Geschäftsstelle von Bangr-Nooma (Association Bangr-Nooma, kurz ABN), die mit Hilfe von TERRE DES FEMMES im Jahr 2005 aufgebaut wurde. Mädchen, die vor einer drohenden Genitalverstümmelung fliehen, finden dort Beratung und Schutz. Aber auch Mädchen und Frauen, die vergewaltigt wurden oder HIV-positiv sind, suchen in der Beratungsstelle Zuflucht. Die Arbeit von Bangr-Nooma ist somit in dieser Situation unerlässlich und nicht mehr weg zudenken. In der Geschäftsstelle werden täglich, bis auf Sonntag, gefährdete Mädchen und Frauen beraten und unterstützt. Es wird, wenn möglich, einmal am Tag Essen für die Zuflucht Suchenden ausgegeben. Bangr-Nooma stellt Medikamente für die erste Hilfe bereit und organisiert Filmabende zu Sexualität, Aids, Früh- und Zwangsheirat.

In den letzten elf Jahren konnte Bangr-Nooma mehr als 32.000 Mädchen nachweislich vor einer genitalen Verstümmelung bewahren. Dank Bangr-Nooma gibt es heute in knapp 760 Dorfgemeinschaften Komitees gegen diese Praktik und es finden dort auch keine Genitalverstümmelungen mehr statt. Über 200 Beschneiderinnen und ihre Assistentinnen gaben ihr Handwerk auf und schlossen sich teilweise der Kampagne an. Knapp 160 von ihnen bekamen von Bangr-Nooma einen Kleinkredit, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Insgesamt erreichte der Verein Bangr-Nooma mit seinem Engagement etwa 730.000 Menschen.


Besuch der Projektkoordinatorin

Am 8. März 2009, dem Internationalen Frauentag, organisierte Bangr-Nooma ein Frauenfußballturnier. Dieses wurde im Andenken an TERRE DES FEMMES und Ulrike Sülzle abgehalten. Die 2008 verstorbene Filmemacherin portraitiert in ihrem Film "Maimouna - la vie devant moi" die Animatrice Maimouna. Der Film wurde 2008 im Rahmen einer Rundreise in 14 deutschen Städten gezeigt und ist über www.frauenrechte.de erhältlich. Am 8. März 2008 wurde der Film auch in Ulrike Sülzles Heimatstadt Ludwigsburg aufgeführt, wo die Filmemacherin am selben Tag ein Frauenfußballturnier organisierte, um die Arbeit von Bangr-Nooma und Maimouna zu unterstützen.

Das diesjährige Frauenfußballturnier in Burkina Faso war wieder ein Erfolg und alle Mädchen und Frauen spielten mit großem Engagement - zum Erstaunen der männlichen Zuschauer. Nach dem Turnier fanden alle zu einem gemeinsamen Festessen zusammen.

Regine Bouédibéla, TDF-Projektkoordinatorin in Deutschland, konnte bei ihrem Aufenthalt in Burkina Faso Anfang 2009 nur einen Teil der Dörfer besuchen, in denen Bangr-Nooma arbeitet. Sie berichtet von ihrem Projektbesuch: "Wir wurden im Dorf Languaru vom traditionellen König der Kassena empfangen. Nach seiner Ansicht trägt die gesamte Gesellschaft für den Kampf gegen Genitalverstümmelung die Verantwortung. Früher habe man für die Entlohnung der Beschneiderinnen sparen müssen und diese hatten durch die Genitalverstümmelungen ihr Auskommen. Heute gibt es Alternativen für die ehemaligen Beschneiderinnen durch Alphabetisierung, Weiterbildung und Kleinkredite für den Start in eine neue Tätigkeit. Der König erklärte ausdrücklich seine Zustimmung zum Projekt. Dies ist besonders wichtig, weil ohne die Einbeziehung der traditionellen Herrscher eine positive Entwicklung nicht zu bewerkstelligen ist.

Nach dem Besuch beim König trafen wir unter einem riesigen Mangobaum mit weiteren Delegationen aus den Dörfern, diesmal vor allem Männer, zusammen. Hier wurde der Animateur Timoté vorgestellt. Als Timoté bei Bangr-Nooma anfing, stand für das damalige Projekt keine Frau als Animatrice zur Verfügung, da diese von Bildung ausgeschlossen waren. Dies sieht heute glücklicherweise anders aus. Genitalverstümmelung ist zwar in Burkina Faso gesetzlich verboten, aber ohne Aufklärung ändert sich nichts. Den Müttern wird durch die Kampagnen aufgezeigt, welche gesundheitlichen Konsequenzen Genitalverstümmelung haben kann. Diese Folgen sind unter anderem Zysten, Wucherungen und Geburtskomplikationen, die bis zum Tod führen können.

Bangr-Nooma unterstützt betroffene Frauen auch durch die Übernahme von Kosten für die medizinische Behandlung beschneidungsbedingter Komplikationen. Bei Operationen werden die Kosten für eine Begleitperson und den Klinikaufenthalt übernommen, wenn von einem Frauenarzt attestiert wurde, dass die Behandlung wegen einer Genitalverstümmelung erforderlich ist. Auf diese Weise konnte bereits 30 Frauen durch erfolgreiche Operation geholfen werden.

Leider konnten wir keine weiteren Dörfer mehr besuchen, da es noch keine Straßen gibt. Die Wege sind schwer befahrbar. In dieser Region ist es besonders wichtig, ein Motorrad für den Animateur Timoté bereitzustellen, um die Anleitung und Überwachung der neuen Animateure abzusichern. Weiter werden fünf Fahrräder für die neuen Animateure und Animatricen benötigt, damit diese die Verbindung zu den Dörfern aufrechterhalten können." Die bisherigen Erfolge führen dazu, dass weitere Dörfer auf Bangr-Nooma zugehen und mit der Organisation zusammenarbeiten möchten. Darum hat Bangr-Nooma beschlossen, die Aufklärungskampagnen auf weitere Dörfer auszuweiten. Deshalb ist Bangr-Nooma auch in Zukunft auf Ihre Unterstützung angewiesen! Bitte spenden Sie unter dem Stichwort "Burkina Faso" auf folgendes Konto: Kontonummer: 244 299, Kreissparkasse Tübingen, BLZ 641 500 20.


Anmerkung:

Verheerende Überschwemmungen in Burkina Faso:
Anfang September erreichte TERRE DES FEMMES ein verzweifelter Hilferuf von Bangr-Nooma. Die Straßen und Wege der Hauptstadt Ouagadougou waren nach schweren Regenfällen teilweise hüfthoch überflutet. Durch die Fluten wurden mehr als 20.000 Häuser zerstört und 150.000 Menschen wurden obdachlos. Übergangsweise sind viele Familien, die alles verloren haben, in Schulen, Kirchen und Moscheen untergebracht. Da die Regierung mit der Katastrophe überfordert war, leisteten Organisationen wie Bangr-Nooma Hilfe und verteilten Lebensmittel, Decken und Medikamente. Die ersten Spenden wurden unverzüglich nach Burkina Faso weitergeleitet und damit konnte Bangr-Nooma Lebensmittel, Medikamente, Decken und Töpfe an diejenigen verteilen, die durch die Überschwemmung alles verloren haben. Wir bedanken uns ganz herzlich für die rasche Hilfe.


Zu den Autorinnen:

Regine Bouédibéla-Barro ist ehrenamtliche Koordinatorin des von TERRE DES FEMMES unterstützten Projektes Bangr-Nooma. Sie besucht das Projekt in regelmäßigen Abständen und informiert über die jeweiligen Fortschritte. Sie lebt in Berlin.

Sabrine Gasmi studiert Islamwissenschaft und Soziologie. Sie ist Praktikantin bei TERRE DES FEMMES im Referat gegen Genitalverstümmelung. Sie lebt in Stuttgart.


Terre des Femmes
Menschenrechte für die Frau e. V.
Konrad-Adenauer-Str. 40, 72072 Tübingen
Telefon: 07071/79 73-0, Telefax: 07071/79 73-22
E-Mail: info@frauenrechte.de
Internet: www.frauenrechte.de


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Quelle:
Terre des Femmes in der Frauensolidarität Nr. 110, 4/2009, S. 24-25
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
Senseng 3, 1090 Wien
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0, Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org
http://www.frauensolidaritaet.org

Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2010