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HINTERGRUND/135: Schöne Spiele, fromme Wünsche - Olympia ist Politik


die zeitung - terre des hommes, 1. Quartal 2008

Schöne Spiele, fromme Wünsche
Olympia ist Politik

Von Athanasios Melissis


Ein Highlight des Sportjahres 2008 sind die Olympischen Spiele in Peking. Schon die Bewerbung der chinesischen Hauptstadt wurde seinerzeit stark kritisiert, und seit dem Zuschlag sind die Stimmen, die einen Boykott der Spiele fordern, nicht leiser geworden. Die Boykott-Befürworter argumentieren, dass die chinesische Regierung, die die Menschenrechte mit Füßen tritt, Olympia im eigenen Land als politische Propagandaveranstaltung nutzen und so ihr Regime stärken werde. Als Gegenargument führen viele Regierungen und nationale Sportverbände an, dass Sport unpolitisch und nicht als Hilfsmittel der Politik betrachtet werden sollte.

Selbstverständlich wird die chinesische Regierung die Olympischen Spiele politisch in ihrem Sinne ausnutzen. Sport und Politik ließen sich nie trennen - gerade die Olympischen Spiele liefern mit Moskau 1980 und Los Angeles 1984, als sich die USA und die UdSSR gegenseitig boykottierten, das beste Beispiel.

Ebenso wird auch über das Internationale Olympische Komitee (IOC) nichts anderes als Politik gemacht, wenn das "Team Tibet" nicht zu den Spielen in Peking zugelassen wird - obwohl es in der Vergangenheit in ähnlichen Fällen bereits Ausnahmen gegeben hatte, beispielsweise für Ost-Timor und das "Team Palästina". Der Sport bestimmt auch die Politik, wenn China im Vorfeld der Spiele besonders harsch gegen Oppositionelle vorgeht, damit während des Turniers die internationale Öffentlichkeit die Gleichschaltung möglichst mit einer "harmonischen Gesellschaft" verwechselt.

Und so sendet auch jeder Staat, der an diesen Sommerspielen teilnimmt, ein politisches Signal: Nämlich dass Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen werden - zu Gunsten eines Stückes vom chinesischen Kuchen, der noch zu verteilen ist. Zu wichtig sind die Märkte im Reich der Mitte, als dass irgendjemand China mit politischen Forderungen verprellen wollte. Aber auch jeder einzelne Sportler, der in Peking auf Medaillenjagd geht, muss sich die Frage gefallen lassen, ob er sich durch die chinesische Regierung nicht instrumentalisieren lässt. Die Behauptung jedenfalls, die Spiele seien unpolitisch, ist bestenfalls ein frommer Wunsch - im schlimmsten Fall scheinheilig.


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Quelle:
die zeitung, 1. Quartal 2008, S. 2
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2008