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PROJEKT/186: Kambodscha - Ein Schutzzentrum für Straßenkinder


die zeitung - terre des hommes, 3. Quartal 2008

Nang Panhas neues Zuhause
Kambodscha: Ein Schutzzentrum für Straßenkinder

Von Insa Schröder und Michael Heuer


Die Fragen nach seiner Vergangenheit nerven Nang Panha offensichtlich. "Weiß ich nicht mehr", antwortet er leise. Etwas verlegen zuckt er dabei mit den Schultern und verschwindet zu den anderen Kindern, die draußen auf der Straße spielen. Nang Panha ist 13 Jahre alt und wohnt mit seinen Eltern und Geschwistern am Rande der Drei-Millionen-Stadt Phnom Penh. Hier fühlt er sich wohl.

Dass er nicht gern über seine Vergangenheit spricht, hat einen Grund: Nang Panha lebt in einer Pflegefamilie. Früher wohnte er in einem kleinen Dorf unweit der kambodschanischen Hauptstadt. Seine leibliche Mutter verließ eines Tages die Familie. Sein Vater starb wenige Monate später. Ein Onkel nahm ihn damals mit in die Stadt, kümmerte sich aber kaum um den Jungen. So trieb sich Nang Panha tagsüber oft herum und bekam Kontakt zu Straßenkindern. Eines Tages brachte ihn sein Onkel zu Krousar Thmey, einem Schutzzentrum für Straßenkinder. Durch Vermittlung der Organisation fand er in einer Pflegefamilie ein neues Zuhause.

Seit 1993 unterstützt terre des hommes die Organisation Krousar Thmey in Phnom Penh. Übersetzt bedeutet "Krousar Thmey" soviel wie "Neue Familie". Schätzungsweise 8.000 bis 10.000 Kinder leben in der kambodschanischen Hauptstadt auf der Straße. Krousar Thmey ist eine der wenigen Einrichtungen für Straßenkinder. Im Schutzzentrum bekommen sie etwas zu essen, werden medizinisch betreut, lernen in der projekteigenen Schule lesen, schreiben und rechnen. Und ihnen wird dabei geholfen, die Gewalt und Missachtung zu verarbeiten, die sie tagtäglich auf der Straße erleben.

"Wir wollen erreichen, dass die Kinder nicht mehr auf der Straße leben und unser Angebot annehmen", so Yim Thanath, Direktorin der Organisation. Zurzeit werden 34 Jungen und Mädchen im Alter von sechs bis 14 Jahren im Projekt betreut. Nicht alle Straßenkinder bleiben im Projekt; einige wollten sich nicht an das geordnete Leben im Zentrum gewöhnen oder auf Drogen verzichten.

Ein wichtiges Ziel von Krousar Thmey ist die Familienzusammenführung. Ein Team von Mitarbeitern kümmert sich darum, die Geschichte der Kinder aufzuklären und die Eltern ausfindig zu machen. Im ganzen Land unterhält die Organisation ein Netz von Mitarbeitern und Fachkräften, die bei der Suche und Kontaktaufnahme helfen. Nang Panha hatte dieses Glück nicht. Zwar konnte seine leibliche Mutter gefunden werden, doch sie wollte von ihrem Sohn nichts wissen. Für solche Kinder haben die Krousar Thmey-Mitarbeiter sogenannte "Family Houses" gegründet, in denen die Kinder wie in einer richtigen Familie leben können. "Damit soll ihnen", so Yim Thanath, "das Gefühl von Geborgenheit zurückgegeben werden, das sie auf der Straße nie erfahren haben." Seit einigen Jahren gibt es diese Einrichtungen nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in anderen Regionen Kambodschas. In einem Haus lebt jeweils ein Ehepaar mit seinen eigenen und bis zu zehn ehemaligen Straßenkindern zusammen, so wie Nang Panhas Pflegeeltern. Alle Kinder besuchen die Schule, helfen im Haushalt, spielen zusammen und feiern gemeinsam die Geburtstage. Krousar Thmey berät die Eltern nicht nur, sondern stellt ihnen auch eine Wohnung zur Verfügung und unterstützt sie finanziell mit 20 Euro pro Kind und Monat.

Der Erfolg des Projektes spricht für sich. Nur ein Drittel der Kinder, so die Erfahrungen, kehrte auf die Straße zurück. Alle anderen fanden zu ihrer Familien zurück oder haben nun neue Eltern. So wie Nang Panha. Kein Wunder also, dass er die Fragen zu seiner Vergangenheit nur ungern beantwortet.

terre des hommes fördert das Projekt Krousar Thmey mit Unterstützung des Modehauses C&A im Jahr 2008 mit 20.000 Euro.


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Quelle:
die zeitung, 3. Quartal 2008, S. 7
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2008