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PROJEKT/198: Indien - Bildung für Kinder in Erzminen


die zeitung - terre des hommes, 3. Quartal 2009

Steinige Wege in die Zukunft
Indien: Bildung für Kinder in Erzminen

Von Michael Heuer


In Bellary machen sich Resignation und Verzweiflung breit. Die Wirtschaftskrise hat die Stadt und die gleichnamige Region im indischen Bundesstaates Karnataka voll erwischt. Fast zehn Jahre ist es her, als man rund um Bellary mit dem Abbau von Eisenerz begann. Angefeuert vom Bauboom in China, entstanden immer mehr Minen. Mit einem für indische Verhältnisse fürstlichen Lohn von 200 Rupien pro Tag, umgerechnet drei Euro, wurden die Arbeiter von den großen Konzernen angeworben. Herumliegende Erzbrocken auf umgegrabenen Feldern erzählen Geschichten von Bauern, die die Landwirtschaft aufgaben, um auf eigene Faust nach dem begehrten Bodenschatz zu suchen.

Vom Geschäfte mit dem Erz profitieren noch immer Besitzer illegal betriebener Minen: mit Kindern. Sie schuften bis zum Umfallen, schleppen schwere Steine, hämmern oder verladen Erz. Ein Knochenjob; Schutzkleidung gibt es nicht. Immer wieder kommt es zu Unfällen, die oft tödlich enden.


Schule schlägt Brücken

Um die arbeitenden Kinder kümmern sich die Mitarbeiter der von terre des hommes geförderten Organisation SEEDS (Socio Economic Education and Development Society). Im vergangenen Jahr begann man mit der Betreuungsarbeit in 20 verschiedenen Dörfern der Region. In der Nähe der Minen wurden fünf Schulcamps eingerichtet. In jeder dieser Zeitschulen können bis zu 50 Kinder in ihrer freien Zeit am Unterricht teilnehmen. Betreut werden im Projekt auch die Kleinsten, deren Eltern tagsüber arbeiten müssen.

Kinder, die sehr lange in den Minen gearbeitet haben, können die sogenannte "Brückenschule" besuchen. Ausgestattet mit kostenlosem Schulmaterial und ausgebildeten Lehrkräften steht der Unterricht voll und ganz im Mittelpunkt des Tages. Ziel ist es, die Jungen und Mädchen auf den Besuch einer regulären Schule vorzubereiten, denn die meisten von ihnen haben noch nie eine Schule von innen gesehen. Derzeit besuchen 50 Kinder die Brückenschule.

Regelmäßig werden die Kinder der Camp- und Brückenschulen gesundheitlich untersucht. Auch für eine bessere Ernährung wird gesorgt: In den schuleigenen Küchen erhalten die Kinder einmal am Tag eine Mahlzeit. Der Gesundheitsdienst und die Schul-Speisungen sind kostenlos.


Aufklärung tut Not

Auch die Erwachsenen werden in die Arbeit einbezogen. Bei regelmäßigen Versammlungen besprechen die Bewohner die wichtigsten Probleme ihres Dorfes. In den Diskussionen geht es auch darum, die Eltern von der Notwendigkeit des Schulbesuchs ihrer Kinder zu überzeugen. Vor allem jetzt, wo viele Menschen ihre Arbeit verloren haben, sind Gespräche sehr wichtig, denn der wirtschaftliche Druck auf die Familien ist groß. Damit steigt auch die Gefahr, dass Kinder von der Projektschule genommen werden, um sie wieder zur Arbeit zu schicken. Für Kinder in Bellary wächst damit die Gefahr, wieder in einer der illegalen Minen zu landen oder gar Opfer der Kinderprostitution zu werden, die seit Krisenbeginn stark zugenommen hat.

Für die Interessen der Kinder engagieren sich die Mitarbeiter von SEEDS auch bei Behörden und Politikern. Das ist dringend notwendig, denn die Verantwortlichen zeigten bisher wenig Interesse, etwas gegen die Ausbeutung von Kindern zu unternehmen.

Die Menschen in der Region Bellary hoffen, dass die Nachfrage nach Erz bald wieder steigt. Dann wird es für sie wieder Arbeit geben. Für ihre Kinder wächst dank der Arbeit von SEEDS die Hoffnung, dass ihre Zukunft nicht von Steinen verbaut sein wird.


terre des hommes unterstützt die Arbeit von SEEDS mit jährlich 36.000 Euro.


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Quelle:
die zeitung, 3. Quartal 2009, S. 6
Herausgeber: terre des hommes Deutschland e.V.
Hilfe für Kinder in Not
Ruppenkampstraße 11a, 49084 Osnabrück,
Tel.: 0541/71 01-0, Fax: 05 41/70 72 33
E-Mail: info@tdh.de
Internet: www.tdh.de

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abgegolten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2009