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MELDUNG/073: Solidaritäts-Kampagne gegen die Repression nach dem No Border Camp 2016 (Kampagne)


Solidaritäts-Kampagne "You can't evict solidarity" - Pressemitteilung vom 14. Oktober 2016

Antirassistische Gruppen starten Solidaritäts-Kampagne gegen die Repression nach dem No Border Camp 2016 in Thessaloniki (Griechenland) und rufen zu Solidarität auf


"You can't evict solidarity" - nennt sich die neue Kampagne - die sich gegen die Repression nach dem No Border Camp in Thessaloniki richtet und heute offiziell gestartet ist.

"Solidarität mit den (migrantischen) Häuserkämpfen in Griechenland und überall!" so der Untertitel in dem Aufruf des neu gegründeten Bündnisses von No Border Aktivist*innen, antirassistischen Gruppen sowie Ortsgruppen der Roten Hilfe e.V. - das sich nach einer massenhaften Kriminalisierung und Repression gegen Hausbesetzer*innen, Geflüchteten und internationalen Aktivist*innen zusammengefunden hat.

Nach dem Ende des diesjährigen No Border Camps, das vom 15. - 24. Juli 2016 in Thessaloniki (Griechenland) stattfand und zu dem hunderte No Border Aktivist*innen aus Deutschland sowie aus anderen Teilen Europas angereist waren - wurden in den frühen Morgenstunden des 27. Juli 2016 drei besetzte Häuser in Thessaloniki zeitgleich von der Polizei geräumt.

Wie die No Border Aktivistin und eine der Sprecher*innen der Kampagne, Tina Weiß, mitteilte, wurden bei den Räumungen über 100 Menschen festgenommen und 70 von ihnen wegen Hausfriedensbruch, der Störung öffentlicher Ordnung und der Sachbeschädigung angeklagt.

In den folgenden Tagen und Wochen fanden bereits Gerichtsprozesse statt. Darin wurden Dutzende Aktivist*innen bereits zu Geldstrafen und zu auf Bewährung ausgesetzten Haftstrafen verurteilt, etliche weitere Verfahren stehen noch aus.

Bei den geräumten Häusern handelte es sich um das "Orfanotrofeio" [1], sowie um das "Nikis" und das "Hurriya" - "Squat" - Gebäude, die von Migrant*innen, sowie griechischen und internationalen Aktivist*innen bewohnt und als Vernetzungsorte und soziale Treffpunkte genutzt wurden.

Das "Hurriya Squat" war ein mehrstöckiges jahrelang leerstehendes Gebäude mit mehreren Wohnungen, in dem etwa 80 Menschen wohnen konnten. Es wurde im Rahmen des No Border Camps besetzt und sollte Familien auf der Flucht eine selbstbestimmtere Wohnalternative bieten zu den sogenannten Relocation-Camps, welche laut Weiß "isolierte, menschenverachtende Massenunterbringungslager außerhalb der Stadt" bedeuten.

Die Mitglieder der Antirepressionskampagne ordnen die Räumungen sowie die darauf folgende Repression als staatliche Strategie ein, die einzelne Aktivist*innen einschüchtern und die Solidaritätsbewegung zu schwächen versuche.

"Damit hat in Griechenland ein neues Ausmaß an staatlicher Repression begonnen, die sich maßgeblich gegen eine gemeinsame, selbstorganisierte und solidarische Bewegung von Geflüchteten, griechischen und internationalen Aktivist*innen richtet. Direkt betroffen seien zwar vergleichsweise wenige" - so Weiß - "gemeint jedoch sei die ganze antirassistische Solidaritätsbewegung." Deshalb sei es jetzt besonders wichtig, die Betroffenen nicht allein zu lassen und sie in den bereits laufenden und anstehenden Prozessen zu unterstützen so die Sprecherin der Kampangne weiter.

Ebenfalls am 27. Juli 2016 folgte die Räumung des "Social Center For All" der No Border Kitchen Lesbos und des Camps am Hafen von Piräus in Athen. Zeitgleich erstattete der Athener Bürgermeister Anzeige gegen die derzeitigen Besetzungen in stadteigenen Gebäuden von Menschen auf der Flucht.

Wie die Aktivistin betont: "sind und waren all diese Häuser wichtige Orte für ein solidarisches Zusammenleben, des sich Treffens, des voneinander Lernens, für Vernetzungen sowie für gemeinsame soziale und politische Kämpfe entgegen rassistischer, nationalistischer und sexistischer Kategorisierung."

Widerstand und Reaktionen auf die Räumungen ließen nicht lange auf sich warten - so wurden kurz nach den Räumungen Demonstrationen in Thessaloniki, Athen und anderen griechischen und europäischen Städten organisiert. Weiter fanden Aktionen an und vor griechischen Botschaften und Konsulaten statt, sowie symbolische Besetzungen von Syriza- und anderen Parteizentralen.

Kampagnenmitglieder berichten, dass im Rahmen einer Aktion in Thessaloniki während einer Messe in der Agia Sofia Kirche in Thessaloniki, welche Eigentümerin des Gebäudes "Orfanotrofeio" war, mit Flyern gegen die Räumung des "Orfanotrofeios" durch die Kirche protestiert wurde. Dabei wurden erneut 25 Aktivist*innen von einem massiven Polizeiaufgebot verhaftet und in einem Schnellverfahren verurteilt. Außerdem wurden drei Personen aus dem Relocation-Camp Softex angeklagt, bei Ausschreitungen und Protest nach dem Tod der schwangeren Asas Ragda nach verweigerter Behandlung durch Ärzt*innen am Donnerstag 28. Juli 2016 im Camp Softex bei Thessaloniki einen Polizisten verletzt zu haben. Ihr Urteil ist bisher noch unklar.

"Sie können uns die Räume nehmen, aber nicht die Solidarität!" so weiter im Aufruf des Bündnisses. Die Aktivist*innen und Mitglieder der Antirepressionskampagne "You can't evict solidarity" rechnen mit weiteren Repressionswellen und umfangreichen Kriminalisierungen von Flüchtenden und No Border Aktivist*innen. "Wir brauchen einen langen Atem, um Prozessbegleitung für Menschen in verschiedenen Ländern und unter verschiedenen Bedingungen zu gewährleisten", betont Weiß. Es müssen möglicherweise für beinahe 100 Personen Prozess- und Strafkosten aufgebracht werden, was allein für diejenigen, die nach den Räumungen und der Protestaktion in der Kirche angeklagt wurden, 20.000 bis 40.000 Euro an Prozesskosten beträgt. Hinzu kommen Strafgelder, deren Umfang bisher 1200 Euro für eine Person des "Nikis"-Squats, sowie 4000 Euro für eine weitere Person aus dem "Orfanotrofeio" umfasst, die jedoch in Revision gegangen ist. Dazu kämen noch Kosten für weitere Revisionsprozesse und für Anwält*innen, wie die Aktivistin weiter berichtet.

"Ein wichtiger Bestandteil in der Antirepressionsarbeit ist das Sammeln von Unterstützungsgeldern, um die oben genannten Summen zu großen Teilen bezahlen zu können", ergänzt Johannes Korndörfer , ein weiterer Sprecher der Kampagne. "Der Prozesstermin der angeklagten Personen des "Hurriya Squats", wurde auf den 26. Januar 2017 verschoben, das heißt, es stehen noch weitere anstehende Prozesskosten aus, die bezahlt werden müssen", so der Aktivist weiter.

Doch dabei soll es anscheinend nicht bleiben, denn wie Korndörfer in kämpferischem Ton erläutert: "Es werden neue und weitere Häuser gebraucht und diese werden wir uns nehmen!" Dies gelte nicht nur für Griechenland: "denn die neokapitalistischen Bedingungen herrschen überall", meinen Korndörfer und seine Genoss*innen. Gemeinsam könnten sie die Repressionsversuche erfolglos werden lassen und gestärkt als Bewegung aus diesem Sommer hervorgehen.

"Was auch immer wir organisieren können - das Geld wird dringend gebraucht, jetzt und in Zukunft." Weiterhin rufen die Aktivist*innen dazu auf, die anstehenden Prozesse zu besuchen und mobilisieren darüber hinaus zum Prozess für die die Besetzer*innen des "Hurriya-Sqats", dessen Termin auf den 26. Januar 2017 festgesetzt wurde.


Anmerkung:
[1] https://cantevictsolidarity.noblogs.org/post/2016/09/12/video-home-sweet-hurriya-about-the-squat-hurriya-and-situation-in-greece/


Weitere Informationen zur Kampagne und den laufenden Prozessen unter:
https://cantevictsolidarity.noblogs.org/informationen-zur-kampagne-informations-about-the-campaign/

Weitere Infos zu den Hausbesetzungen auf:
https://cantevictsolidarity.noblogs.org/informationen-zu-den-hausbesetzungen/

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Quelle:
Pressemitteilung - Solidaritäts-Kampagne "You can't evict solidarity"
Email: cantevictsolidarity@riseup.net
Internet: https://cantevictsolidarity.noblogs.org/


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2016

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